Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Beschluss vom 09.04.2020 zum Aktenzeichen 4 L 1479/20.GI entschieden, dass eine vom 14. bis 17.04.2020 jeweils von 14 bis 18 Uhr geplante Kundegebung beginnend auf dem Berliner Platz mit anschließenden Umzug durch die Innenstadt in Gießen mit dem Versammlungsthema „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht vor Menschen“ nicht durchgeführt werden darf.
Aus der Pressemitteilung des VG Gießen vom 09.04.2020 ergibt sich:
Die Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen hatte die Versammlung vom 14. bis 17.04.2020 jeweils von 14 bis 18 Uhr beginnend auf dem Berliner Platz mit anschließenden Umzug durch die Innenstadt mit dem Versammlungsthema „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht vor Menschen“ mit Bescheid vom 08.04.2020 verboten und die sofortige Vollziehung angeordnet. Gestützt war das Verbot auf das Versammlungsgesetz und die Hessische Dritte Verordnung zur Bekämpfung des Coronavirus in der aktuellen Fassung. Die Behörde ging davon aus, bei der Durchführung des Aufzugs bestünde eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch Verstoß gegen diese Verordnung. Am 09.04.2020 hatte der Antragsteller dagegen einen Eilantrag gestellt und unter anderem eingewandt, die Dritte Corona-Verordnung selbst entbehre einer Rechtsgrundlage. Im Übrigen habe er ausreichende Vorkehrungen zum Mindestabstand vorgesehen, so dass jedenfalls durch entsprechende Auflagen ein milderes Mittel als das Verbot der Versammlung in Betracht komme.
Das VG Gießen hat den Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts kann maßgeblich den Entscheidungen des VGH Kassel gefolgt werden, der sowohl mit der Beschwerdeentscheidung zu dem am 31.03.2020 ergangenen Beschluss zum Verbot einer Demonstration am 01.04.2020 (2 B 925/20) als auch mit Beschlüssen in weiteren Eilverfahren zur Rechtmäßigkeit der Dritten Corona-Verordnung (Beschl. v. 07.04.2020 – 8 B 892/20.N) die Sichtweise des VG Gießen gestützt hatte. Das Verwaltungsgerichts bleibe bei seiner Rechtsauffassung, dass die durch die Verordnung vorgesehenen verbindlichen Einschränkungen der Grundrechte der Betroffenen angesichts der infektionsrechtlichen Bedrohungslage gerechtfertigt seien. Das Infektionsschutzgesetz schränke ausdrücklich auch die Versammlungsfreiheit ein.
Bei der Durchführung der angekündigten Aufzüge bestünde eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, denn mit deren Durchführung ginge ein Verstoß gegen die Dritte Corona-Verordnung einher, wonach der Kontakt zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstandes auf das absolut nötige Minimum zu reduzieren sei. Aufenthalte im öffentlichen Raum seien nur alleine, mit einer weiteren nicht im eigenen Haushalt lebenden Person oder im Kreise der Angehörigen des eigenen Hausstandes gestattet. Die grundrechtlich geschützten Interessen des Antragstellers müssten hier hinter dem Recht auf körperliche Unversehrtheit der Allgemeinheit zurückzustehen. Die Gewährleistung einer bestmöglichen Krankenversorgung stelle ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar, für dessen Schutz der Staat von Verfassungs wegen auch im Hinblick auf das in der Verfassung verankerte Sozialstaatsprinzip zu sorgen habe.
Der Veranstalter könne angesichts seiner im Internet und auf Flyern veröffentlichten Aufrufe zur Teilnahme an den Versammlungen den Kreis der Versammlungsteilnehmer nicht steuern und damit auch nicht garantieren, dass die von ihm benannten Maßnahmen während des Aufzugs, also große Abstände von mindestens 10 Metern zwischen den Teilnehmern sowie eine Beschränkung der Teilnehmeranzahl auf ca. 30 Personen, um dem Infektionsschutz hinreichend Rechnung zu tragen, eingehalten werden. Außerdem handele es sich bei den öffentlichen Aufzügen mit Kundgebung um ein dynamisches Geschehen. Der angemeldete Aufzug solle entlang der hochfrequentierten Straßen des Berliner Platzes, Neue Bäue, Marktplatz, Neustadt, Oswaldsgarten, Westanlage, Selterstor, Südanlage in Gießen ziehen. Die angemeldete Route stelle hier eine besondere Gefährdung dar, denn der Teilbereich Neustadt in Gießen sei derzeit mit Straßensperrungen versehen, die es ausschließen würden, den Mindestabstand zwischen den Teilnehmern, aber auch zu nicht beteiligten Passanten, einzuhalten.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim VGH Kassel einlegen.