Das Amtsgericht Bad Iburg hat mit Urteil vom 22.10.2020 zu den Aktenzeichen 4 C 404/20 und 4 C 398/20 entschieden, dass ein Reiseveranstalter auch in der aktuellen Pandemiesituation an die gesetzlichen Fristen zur Rückzahlung des Reisepreises gebunden ist.
Aus der Pressemitteilung des AG Bad Iburg vom 29.10.2020 ergibt sich:
Beklagt war ein Reiseveranstalter, der mit 17 Schiffen weltweit Kreuzfahrten anbietet. Aufgrund der Corona-Pandemie musste er zeitweise seine gesamte Flotte stilllegen. 1,5 Millionen Passagiere waren davon betroffen. Mit der seinerzeit verfügbaren Personaldecke hätten sämtliche 1,5 Millionen Erstattungsvorgänge erst nach vier bis sechs Monaten abgearbeitet werden können. Auch die von den Klägern gebuchten und bereits vollständig bezahlten Kreuzfahrten musste der Beklagte infolge der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Reisebeschränkungen absagen. Beide Kläger verlangten die Rückzahlung des Reisepreises, eine Gutscheinlösung (Erstattung des Preises in Form von Gutscheinen) lehnten sie ausdrücklich ab. Da das Reiseunternehmen auf die Rückforderungsverlangen nicht reagierte, wandten sich die Kläger an Rechtsanwälte und beauftragten diese mit der Durchsetzung der Rückzahlungsansprüche. Jetzt reagierte der Kreuzfahrtveranstalter und erstattete den Reisepreis. Mit ihren Klagen verlangten die Reisenden Ersatz der ihnen entstandenen Rechtsanwaltskosten.
Das AG Bad Iburg hat den Klägern Recht gegeben.
Nach Auffassung des Amtsgerichts haben die Kläger gegen das beklagte Reiseunternehmen einen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten. Das Unternehmen befand sich mit der Rückzahlung des Reisepreises in Verzug und sei deshalb verpflichtet, den Klägern die durch den Verzug entstandenen Schäden, also auch die Rechtsanwaltskosten zu ersetzen.
Gemäß § 651h Abs. 5 BGB sei ein Reiseveranstalter, der keinen Anspruch auf Stornogebühren habe, verpflichtet, den Reisepreis unverzüglich, auf jeden Fall aber innerhalb von 14 Tagen nach dem Rücktritt, zurückzuzahlen. Komme er der Aufforderung nicht nach, befinde er sich ab dem 15. Tag in Verzug und sei dem Reisenden zum Schadensersatz verpflichtet. Dies könnten zum Beispiel die Kosten für eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt sein, die der Reisende beauftrage. Diese gesetzliche Regelung gelte auch in der aktuellen Pandemiesituation und zwar auch dann, wenn ein Reiseveranstalter personell tatsächlich überlastet sei. Es gelte der Rechtsgrundsatz, dass man für Geldmangel einzustehen habe, ohne dass es auf ein persönliches Verschulden ankomme („Geld hat man zu haben!“).
Auch wenn der Gesetzgeber bei der Einführung der kurzen Fristsetzung in § 651h BGB den Fall umfassender Reiseabsagen aufgrund einer Pandemie möglicherweise nicht berücksichtigt habe und der der Beklagte aus personaltechnischen Gründen tatsächlich nicht in der Lage gewesen sei, die kurze Frist einzuhalten, habe dies nicht zur Folge, dass die Beklagte auf unbestimmte Zeit nicht zur Zahlung verpflichtet sei. Die gesetzlichen Regelungen, insbesondere speziell zum Reiserecht in § 6 Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB – „Vertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der Covid-19-Pandemie„) sowie zum Schutz der Verbraucher in § 1 Art. 40 EGBGB, zeigten, dass der Gesetzgeber bewusst keine weitergehenden Regelungen zum Schutz der (Reise-) Unternehmen getroffen habe, sodass das Gericht mangels Regelungslücke nicht gegen den Gesetzeswortlaut entscheiden durfte.
Im Übrigen mussten sich die Kläger auch nicht mit Gutscheinen zufriedengeben. Zwar wurde mittlerweile die sog. Gutscheinlösung durch den Gesetzgeber beschlossen. Es handele sich dabei aber um eine Regelung auf freiwilliger Basis. Der Reisende könne einen Gutschein (ohne Angabe von Gründen) ablehnen und sofortige Zahlung verlangen.