Der Präsident des Bayerische Verfassungsgerichtshofs in München hat es am 26.03.2020 zum Aktenzeichen Vf. 6-VII-20 abgelehnt, die Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie durch einstweilige Anordnung außer Vollzug zu setzen.
Aus der Pressemitteilung des Bay. VerfGH vom 27.03.2020 ergibt sich:
Die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassene Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24.03.2020 (GVBl S. 178, BayMBl Nr. 130) hält die Menschen an, physische und soziale Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstandes zu reduzieren und räumlichen Abstand einzuhalten (§ 1 Abs. 1), untersagt Gastronomiebetriebe jeder Art (§ 1 Abs. 2) sowie Besuche bestimmter Einrichtungen (§ 1 Abs. 3) und – beim Fehlen triftiger Gründe – das Verlassen der eigenen Wohnung (§ 1 Abs. 4 und 5). Nach § 2 tritt die Verordnung mit Wirkung vom 21.03.2020 in Kraft und mit Ablauf des 03.04.2020 außer Kraft.
Der Antragsteller ist der Auffassung, die Verordnung greife in unverhältnismäßiger Weise in Freiheitsrechte der Bürger ein, die die Bayerische Verfassung garantiert. Er hat deshalb am 25.03.2020 Popularklage erhoben mit dem Ziel, dass die Verordnung vom VerfGH München für verfassungswidrig und nichtig erklärt wird. Zugleich will er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen, dass die angegriffene Verordnung sofort außer Vollzug gesetzt wird.
Der Präsident des VerfGH München, der in besonderen Eilfällen selbst zur Entscheidung berufen ist, hat den Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach Auffassung des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes kann im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens bei der aufgrund der Eilbedürftigkeit nur möglichen überschlägigen Prüfung nicht von offensichtlichen Erfolgsaussichten, aber auch nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Hauptantrages im Popularklageverfahren ausgegangen werden. Die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung sei deshalb anhand einer Folgenabwägung zu treffen.
Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Popularklage im Hauptsacheverfahren Erfolg, wären Gastronomiebetriebe mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht untersagt und Personen zu Unrecht von den genannten Verhaltensweisen abgehalten worden; ferner wären etwaige Verstöße letztlich zu Unrecht geahndet worden. Neben den Einschränkungen für die unmittelbaren Adressaten der Regelungen gebe es auch umfangreiche mittelbare Auswirkungen (z.B. auf Menschen, die sich in Einrichtungen aufhielten, die nicht besucht werden dürften, wirtschaftliche Betriebe, die zwar geöffnet seien, wegen der Bewegungseinschränkungen aber weniger frequentiert werden etc.). All dies wiege schwer, insbesondere deshalb, weil es sich teilweise um tiefgreifende Grundrechtseingriffe handele, eine Vielzahl von Personen betroffen sei und die Eingriffe partiell irreversibel seien.
Erginge dagegen die beantragte einstweilige Anordnung und hätte die Popularklage im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg, würde es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Vielzahl von sozialen Kontakten kommen, die die Verordnung unterbinden wolle. Hierdurch würde die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, einer Überlastung des Gesundheitssystems und schlimmstenfalls des Todes von Menschen erhöht. Nach der Risikoeinschätzung des Robert-Koch-Instituts, der der Bundesgesetzgeber (vgl. § 4 IfSG) für den Bereich des Infektionsschutzes besonderes Gewicht beimesse, werde die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit als insgesamt hoch eingeschätzt. Ziel müsse es sein, die weitere Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verzögern.
Angesichts der überragenden Bedeutung von Leben und Gesundheit der möglicherweise Gefährdeten überwögen die Gründe gegen das Außerkraftsetzen der angegriffenen Verordnung.