Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 08.10.2020 zum Aktenzeichen 6 B 187/20 entschieden, dass Schüler, deren Eltern zur Corona-Risikogruppe gehören, derzeit nicht schon deswegen einen Rechtsanspruch auf Befreiung vom Präsenzunterricht haben.
Aus der Pressemitteilung des VG Braunschweig vom 13.10.2020 ergibt sich:
Die Schule dürfe die Befreiung ablehnen, wenn dort noch keine Infektionsschutz-Maßnahme angeordnet werden musste, so das Verwaltungsgericht.
Bei den Antragstellern handelt es sich um Geschwister, die die 12. und die 9. Klasse eines Braunschweiger Gymnasiums besuchen. Ihre Eltern hatten der Schule ärztliche Atteste vorgelegt, nach denen sie zur Coronavirus-Risikogruppe gehören. Den Antrag auf Befreiung vom Präsenzunterricht hatte die Schule unter Berufung auf eine Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums abgelehnt. Danach können Schüler, deren Eltern der Risikogruppe angehören, nur dann vom Unterricht befreit werden, wenn schon eine Infektionsschutz-Maßnahme an der Schule ergriffen werden musste, z.B. wegen der Infektion eines anderen Schülers. Dies sei an der Schule aber noch nicht der Fall gewesen.
Das VG Braunschweig hat den gegen die Entscheidung der Schule gerichteten Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist derzeit die Vorschrift des Kultusministeriums rechtlich nicht zu beanstanden. Die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ergebende staatliche Pflicht zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit sei nicht verletzt. Das Grundgesetz gebiete keinen vollkommenen staatlichen Schutz vor jeglichen Gesundheitsgefahren. Bei den Schutzmaßnahmen habe der Staat auch anderen grundrechtlich geschützten Freiheiten Rechnung zu tragen. Die Schutzpflicht sei nur dann verletzt, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich seien oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben. Dies sei derzeit an dem Gymnasium nicht der Fall.
Aufgrund der Corona-Verordnung und des Niedersächsischen Hygieneplans für Schulen habe die Schule schon eine Reihe von Schutzmaßnahmen getroffen. Dazu gehörten unter anderem die Anordnung, grundsätzlich einen Mund-Nase-Schutz auf dem gesamten Schulgelände außerhalb des Unterrichts zu tragen, und das „Prinzip der offenen Türen“, um das mit dem Berühren von Türen oder Türklinken verbundene Risiko zu verringern. Diese Maßnahmen seien angesichts der im Entscheidungszeitpunkt im Vergleich zu anderen Regionen noch moderaten Infektionszahlen für die Stadt Braunschweig auch nicht völlig unzulänglich. Bei den Schutzmaßnahmen müssten die Schulen auch den Bildungsauftrag des Staates und den Bildungsanspruch der Schüler berücksichtigen. Die Schulbesuchspflicht sei in diesem Zusammenhang besonders wichtig. Nur sie gewährleiste ausreichende Bildungsgerechtigkeit und eine umfassende Abdeckung der Lehrpläne über die reine Wissensvermittlung hinaus. Im Hinblick darauf differenzierten die Schulen derzeit in zulässiger Weise zwischen einer bloß abstrakten, allgemeinen Gefährdungslage sowie der konkreten Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus im Falle einer bereits nachgewiesenen Neuinfektion. Das sich laufend verändernde Infektionsgeschehen verlange allerdings, die Risikobeurteilung immer wieder zu überprüfen.
Die Schule verstoße derzeit auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie Schülern, die selbst zur Risikogruppe gehören, Homeschooling genehmige. Die unterschiedliche Behandlung sei gerechtfertigt, weil es wissenschaftlich basierte, deutliche Hinweise darauf gebe, dass vulnerable Schüler im Vergleich zu vulnerablen Angehörigen im Zusammenhang mit dem Schulbesuch einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt seien.
Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Beschwerde beim OVG Lüneburg zu.