Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen in Leipzig hat am 20.03.2020 zum Aktenzeichen Vf. 39-IV-20 (e.A.) entschieden, dass Hauptverhandlungstermine in Strafverfahren bei zeitlicher und personeller Beschränkung sowie gebotenen Infektionsschutzmaßnahmen in Bezug auf das Coronavirus auch weiterhin möglich sind.
Aus der Pressemitteilung des Sächsischen VGH vom 20.03.2020 ergibt sich:
In Strafverfahren, die nicht unaufschiebbar sind, dürften die anwesenden Personen Gesundheitsgefahren im Hinblick auf das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) durch mehrstündige Verhandlungen mit zahlreichen Beteiligten nicht ausgesetzt werden. Demgegenüber könnten Verhandlungstermine – auch mit Beweisaufnahme – weiterhin stattfinden, sofern sie entsprechend der jeweiligen Gefährdungslage zeitlich und personell beschränkt und gebotene Infektionsschutzmaßnahmen getroffen werden, so der Verfassungsgerichtshof.
Die Antragsteller – ein Angeklagter in einem als sog. Umfangsverfahren geführten Strafverfahren vor dem LG Dresden und dessen zwei Pflichtverteidiger – begehrten im Wege einer einstweiligen Anordnung, dem Gericht aufzugeben, nur noch zur Fristwahrung (§ 229 Abs. 1 StPO) zwingend notwendige Hauptverhandlungstermine als sog. „Schiebetermine“ ohne Vernehmung von Zeugen durchzuführen. Sie sahen sich durch die Ablehnung eines entsprechenden Antrags durch das Landgericht in ihren Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit und in ihrer Menschenwürde verletzt.
Der VerfGH Leipzig hat im Rahmen einer Folgenabwägung festgestellt, dass die mit einer zeitlichen „Streckung“ der Hauptverhandlung verbundenen Nachteile im Ergebnis weniger schwer wiegen als die gesundheitlichen Folgen, die den Antragstellern und auch weiteren notwendig anwesenden Personen bei Durchführung der geplanten, teilweise ganztägigen Hauptverhandlungstermine entstehen könnten.
Unterdessen hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Beschluss vom 19.03.2020
zum Aktenzeichen 2 BvR 474/20 entschieden, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wird, mit dem sich Rechtsanwälte gegen die Durchführung eines Hauptverhandlungstermins in einer Strafsache beim Landgericht München II gewendet haben. Die Verfassungsrichter begründet dies damit, dass der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht gewahrt ist. Der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, dass es ihm nicht zumutbar gewesen wäre, zunächst im Wege der Beschwerde gegen die Ablehnung der von ihm wegen der Gefahr einer Corona-Infektion begehrten Aufhebung des Hauptverhandlungstermins vom 20.03.2020 vorzugehen. Im Übrigen fehlte den Verfassungsrichtern eine argumentative Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung.