Corona-Krise: Beschränkung auf eine Person pro 20 m² Verkaufsfläche unwirksam

08. Juni 2020 -

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 05.06.2020 zum Aktenzeichen 1 S 1623/20 entschieden, dass die in der Corona-Verordnung Einzelhandel für Baden-Würrtemberg festgelegte Beschränkung auf eine Person pro 20 m² Verkaufsfläche unwirksam ist.

Aus der Pressemitteilung des VGH BW Nr. 30/2020 vom 08.06.2020 ergibt sich:

Die Corona-Verordnung Einzelhandel des Wirtschaftsministeriums und des Sozialministeriums für Baden-Württemberg vom 03.05.2020 regelt, welche Maßnahmen geöffnete Einzelhandelsbetriebe treffen müssen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Die Verordnung verpflichtet die Einzelhandelsbetriebe u.a. zu Trennvorrichtungen an den Kassen, zur Einhaltung von Abstandsregelungen und zu Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen.
§ 3 der Corona-Verordnung Einzelhandel bestimmt u.a.:
„(1) Auf die Einhaltung eines generellen Mindestabstands von 1,5 m ist zu achten.

(3) Die Anzahl der Kunden im Geschäft ist in Abhängigkeit von der Verkaufsfläche so zu begrenzen, dass die Abstandsregeln eingehalten werden können.
Richtgröße für eine angemessene Anzahl von Kunden sind hierbei 20 m² Verkaufsfläche pro Person (einschließlich der Beschäftigten).“
Gegen § 3 Abs. 3 Satz 2 der Corona-Verordnung Einzelhandel hat sich die Tchibo GmbH (Antragstellerin) mit einem Eilantrag an den VGH Mannheim gewandt. Sie macht geltend, die Bestimmung führe zu erheblichen Umsatzeinbußen und habe zur Folge, dass sie die Mieten ihrer Geschäfte nicht mehr erwirtschaften könne. Die Vorschrift sei bereits nicht hinreichend bestimmt und daher unwirksam. Für einen Normadressaten sei nicht verständlich, inwieweit eine Beschränkung auf eine Person pro 20 m² Verkaufsfläche einschließlich der Beschäftigten auch in Situationen gelten solle, in denen die Verkaufsfläche beispielsweise 39 m² betrage. Denn in einem solchen Fall dürften Kunden die Verkaufsstelle nicht betreten, weil jede Verkaufsstelle mindestens einen Beschäftigten habe. Die Landesregierung (Antragsgegner) ist dem Antrag entgegengetreten und hat vorgetragen, die Vorschrift enthalte kein eigenständiges Ge- oder Verbot, sondern gebe Einzelhandelsbetreibern und Kunden lediglich eine Richtgröße an die Hand, um im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, bei wie vielen Personen innerhalb einer Verkaufsstelle die allgemeinen Abstandsvorgaben eingehalten werden könnten. Die Vorschrift enthalte keine verbindliche Vorgabe zur Beschränkung der Kundenzahl.

Der VGH Mannheim hat dem Eilantrag stattgegeben und § 3 Abs. 3 Satz 2 der Corona-Verordnung Einzelhandel vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes verlangt das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Bestimmtheit von Normen, dass Rechtsvorschriften so gefasst sein müssen, dass der Betroffene die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann. Diesem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genüge die Vorschrift nicht. Mit der nicht weiter erläuterten Verwendung des Begriffes „Richtgröße“ sei bereits nicht ausreichend klar, ob die damit in Bezug genommene Relation von Verkaufsfläche und Personenzahl als verbindliche Vorgabe oder lediglich als anzustrebendes Ziel mit Abweichungsmöglichkeit oder gar – wie der Antragsgegner vortrage – als gänzlich unverbindlicher Orientierungswert zu verstehen sein solle.

Der Beschluss ist unanfechtbar.