Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in Magdeburg hat am 15.06.2020 zum Aktenzeichen 3 R 111/20 entschieden, dass die Regelung der Sechsten Corona-Eindämmungsverordnung für Sachsen-Anhalt über die Abweichung vom Mindestabstand in Schulen nicht die staatliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit der betroffenen Lehrer und Schüler verletzt.
Aus der Pressemitteilung des OVG SA Nr. 14/2020 vom 15.06.2020 ergibt sich:
Ein Grundschullehrer beantragte, die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 der Sechsten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus (6. SARS-CoV-2-EindV) außer Vollzug zu setzen. § 15 der 6. SARS-CoV-2-EindV regelt die schrittweise Öffnung von allgemeinbildenden Schulen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 kann, soweit für den Schulbetrieb erforderlich, von der Einhaltung des allgemein geltenden Mindestabstands von 1,50 m abgewichen werden.
Das OVG Magdeburg hat den Antrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verletzt die Regelung über die Abweichung vom Mindestabstand nicht die staatliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit der betroffenen Lehrer und Schüler. Auch wenn die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland noch als hoch einzuschätzen sei, bewegten sich die Infektionszahlen in Sachsen-Anhalt fortdauernd auf niedrigem Niveau im Vergleich zu anderen Bundesländern. Die Landesregierung sei aufgrund ihres gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Einschätzungs- und Prognosespielraums berechtigt, den Katalog von Maßnahmen zur Eindämmung des Virus fortwährend anzupassen und nicht mehr für notwendig erachtete Schutzmaßnahmen zurückzunehmen.
Eine konkrete Gefährdung von Schülern und Lehrkräften bei Unterschreitung des Mindestabstands von 1,50 m sei bislang wissenschaftlich nicht eindeutig erwiesen. Auch die jüngsten Infektionsfälle in der Landeshauptstadt Magdeburg, die zu Schließungen mehrerer allgemeinbildender Schulen und Jugendeinrichtungen geführt hätten, begründeten keine landesweite Pflicht zur Einhaltung der Abstandsregeln. Die Fälle hätten gezeigt, dass die zuständige Infektionsschutzbehörde den für Schüler und Lehrkräfte bestehenden Gefahren zügig durch Maßnahmen vor Ort begegne. Die staatliche Schutzpflicht sei zudem durch das Recht der Kinder auf Bildung und den Schutz von Familien beschränkt. Die fortdauernde Beschulung und Betreuung zu Hause hindere Eltern zudem daran, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ein Gesundheitsschutz für Lehrkräfte und Schüler, der die Infektionsgefahr vollständig ausschließe, sei nicht zu verlangen. Die Landesregierung habe bei der Entscheidung zur Umsetzung der Regelbeschulung mit ihrem Maßnahmebündel (u.a. Nachverfolgbarkeit der Infektionsketten durch Unterricht im festen Klassenverband, Hygienehinweise, ausreichende Lüftung, Befreiung vom Präsenzunterricht, Reinigungsverhalten nach Hygiene- und Reinigungsplänen) den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten. Die Entscheidung des Verordnungsgebers, Schulen teilweise vom Schutzkonzept der 6. SAR-CoV-2-EindV auszunehmen, sei willkürfrei und verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Lebensbereichen sei gerechtfertigt.