Das Amtsgericht Bad Iburg hat am 17.02.2022 zum Aktenzeichen 11 XVII W 2765 entschieden, dass wenn sich eine schwer demenzkranke Heimbewohnerin mit dem Corona-Virus infiziert und anzunehmen ist, dass sie krankheitsbedingt einer Quarantäneanordnung nicht Folge leisten wird, so kann das Amtsgericht bei symptomlosen Verlauf im Einzelfall eine Absonderung in ihrem abgeschlossenen Zimmer anordnen – allerdings nur, wenn das Gesundheitsamt nach gründlicher Prüfung des Falles einen entsprechenden Antrag stellt.
Aus der Pressemitteilung des AG Bad Iburg vom 10.03.2022 ergibt sich
Was war passiert?
Die 92-jährige Betroffene bewohnt ein Zimmer in einem Pflegeheim. Sie leidet unter einer weit fortgeschrittenen Demenz mit Incompliance und starker motorischer Unruhe. Sie läuft also quasi den ganzen Tag im gesamten Heim umher und besucht dabei andere Bewohnerinnen und Bewohner auch in ihren Zimmern.
Anfang Februar infizierte sich die Betroffene mit dem Corona-Virus. Glücklicherweise verlief die Infektion symptomlos.
Um zu verhindern, dass die Betroffene das Virus durch Kontakt mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern weiterträgt, ordnete der Gesundheitsdienst des Landkreises Osnabrück auf der Grundlage der §§ 28, 30 Infektionsschutzgesetz die Absonderung („Quarantäne“) der Betroffenen an. Da er infolge der Demenzerkrankung davon ausging, dass die Betroffene der Quarantäneanordnung nicht ausreichend Folge leisten würde, beantragte er zugleich ihre Absonderung in ihrem abgeschlossenen Zimmer.
Wie hat das Betreuungsgericht entschieden?
Das Betreuungsgericht die Absonderung der Betroffenen in ihrem abgeschlossenen Zimmer angeordnet.
Die Absonderung der Betroffenen im geschlossenen Zimmer sei gemäß §§ 28 Abs.1 S.1, 30 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz zulässig und geboten gewesen. Die zur Vermeidung der Ansteckung anderer Personen erforderlichen Verhaltensweisen könne die Betroffene aufgrund der bei ihr vorliegenden psychiatrischen Erkrankung und der damit verbundenen kognitiven Defizite nicht erkennen und nicht einhalten. Die Betroffene sei körperlich mobil und durch Ansprache nicht dazu zu bringen, von anderen Bewohnern und Pflegepersonen fernzubleiben. Sie bleibe nicht in ihrem Zimmer, sondern möchte dieses unbedingt verlassen und die Gemeinschaftsräumlichkeiten aufsuchen.
Dieser Sachverhalt stand zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der durchgeführten Ermittlungen fest. So hat die Betreuungsrichterin eine Stellungnahme des Hausarztes ausgewertet, die Pflegedienstleiterin und den Bezugspfleger befragt und sich schließlich bei einer persönlichen Anhörung der Betroffenen (die aus Infektionsschutzgründen durch das geöffnete Fenster stattfand) einen eigenen unmittelbaren Eindruck von ihr verschafft.
Zum Ablauf:
Das Verfahren für die Unterbringung bzw. Absonderung als Freiheitsentziehung ist in §§ 415 ff. des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt, auf die § 30 Abs. 2 S. 4 des Infektionsschutzgesetzes verweist.
Der Landkreis muss einen Antrag beim zuständigen Amtsgericht auf Anordnung der Absonderung stellen.
Vor der Anordnung hat der Richter den Betroffenen gemäß § 420 Abs. 1 FamFG persönlich anzuhören. Zwar kann die Anhörung gemäß § 420 Abs. 2 FamFG für den Fall unterbleiben, dass der Betroffene an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet. Diese Ausnahme ist jedoch, da der Anspruch auf rechtliches Gehör im Grundgesetz garantiert ist, eng auszulegen: Ggf. muss die Richterin die Anhörung vor Ort mit entsprechender Schutzkleidung durchführen. Falls die bestehende Infektionsgefahr tatsächlich eine Anhörung ausschließt, ist dies durch ein ärztliches Gutachten zu belegen.