Bußgeldbewehrter Verstoß gegen pandemiebedingte Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum

14. April 2021 -

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat am 30.03.2021 zum Aktenzeichen 2 Rb 34 Ss 1/21 im Zusammenhang mit den rechtswirksamen Vorschriften der „ersten Corona-Verordnung“ des Landes Baden-Württemberg vom 17.03.2020 zu Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum entschieden, dass ein bußgeldbewehrter Verstoß gegen pandemiebedingte Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum nur bei Unterschreitung des Mindestabstandes vom 1,5 Metern vorlag.

Aus der Pressemitteilung des OLG Karlsruhe Nr. 4/2021 vom 14.04.2021 ergibt sich:

Dem Verfahren zugrunde liegt ein Urteil des AG Heidelberg, mit dem der Betroffene wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Verbot des Aufenthalts im öffentlichen Raum zu einer Geldbuße von 100 Euro und wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Verbot des Aufenthalts im öffentlichen Raum zu einer weiteren Geldbuße von 500 Euro verurteilt wurde. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts stand der Betroffene am 5. April 2020 zunächst um 16:20 Uhr mit zwei und dann um 18:00 Uhr mit drei anderen jeweils nicht zu seinem Hausstand gehörenden Personen an zwei verschiedenen Örtlichkeiten im öffentlichen Raum zusammen, mit denen er sich unterhielt, wobei die Kommunikation über das Mindestmaß der gebotenen Höflichkeit im Sinne eines „Hallo, wie geht’s“ hinausging. Der Abstand zwischen den Personen betrug im ersten Fall nach der Schätzung eines Polizeibeamten etwa einen Meter, beim zweiten Fall etwa eineinhalb Meter.

Die Rechtsbeschwerde, die der Betroffene gegen dieses Urteil erhoben hat, hat der 2. Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

In der Sache hat der Senat festgestellt, dass das Infektionsschutzgesetz bereits im März 2020 eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung für die in der Corona-Verordnung enthaltenen Kontaktbeschränkungen darstellte. Bei der Auslegung der Kontaktbeschränkungen hat der Senat maßgeblich auf den Gesetzeszweck abgestellt. Danach kam gemäß den damaligen wissenschaftlichen Erkenntnissen dem Einhalten eines räumlichen Abstandes zwischen den Menschen entscheidende Bedeutung zu, um eine Übertragung des Virus im Wege der Tröpfcheninfektion zu verhindern, wobei ein Abstand von 1,5 Metern als ausreichend erachtet wurde. Ein gegen die Kontaktbeschränkungen verstoßender und daher verbotener Aufenthalt im öffentlichen Raum lag daher entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht bereits vor, wenn mehrere Personen zusammenkamen, zwischen denen eine „innere Verbindung“ im Sinne eines nicht nur zufälligen Zusammentreffens bestand. Hinzukommen musste vielmehr eine Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen den Personen. Denn andernfalls würden von den Kontaktbeschränkungen auch Fallgestaltungen erfasst, bei denen keine relevante Infektionsgefahr bestand, was von der gesetzlichen Ermächtigung im Infektionsschutzgesetz nicht mehr gedeckt wäre.

Im konkreten Fall, in dem eine Unterschreitung des Mindestabstands zwischen den Personen auch im Falle einer Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht zur neuerlichen Verhandlung voraussichtlich nicht (mehr) mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festzustellen gewesen wäre, hat der Senat die Staatsanwaltschaft um Zustimmung zur Verfahrenseinstellung ersucht. Diese wurde zwischenzeitlich erteilt.