Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 13.12.2018 zu den Aktenzeichen C-412/17 und C-474/17 entschieden, dass Deutschland Beförderungsunternehmer im grenzüberschreitenden Linienbusverkehr nicht verpflichten darf, vor der Einreise in das deutsche Hoheitsgebiet die Pässe und Aufenthaltstitel der Passagiere zu kontrollieren, da solche Kontrollen die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben und daher verboten sind.
Nach deutschem Recht (§ 63 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 2004, 1950 in der für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung) muss jeder Beförderungsunternehmer, der im Schengen-Raum einen grenzüberschreitenden Linienbusverkehr mit Zielort in Deutschland betreibt, vor dem Überschreiten der deutschen Grenze die Pässe und Aufenthaltstitel der Passagiere kontrollieren. Damit soll verhindert werden, dass Drittstaatsangehörige, die nicht im Besitz dieser Reisedokumente sind, in das deutsche Hoheitsgebiet befördert werden. Die Polizeibehörden können zur Durchsetzung der Kontrollpflicht zwangsgeldbewehrte Verfügungen, mit denen solche Beförderungen untersagt werden, an Beförderungsunternehmer richten, die nach ihren Feststellungen Drittstaatsangehörige, die nicht im Besitz der genannten Reisedokumente waren, in das deutsche Hoheitsgebiet befördert haben.
Der EuGH hat entschieden, dass der Schengener Grenzkodex Deutschland daran hindert, Beförderungsunternehmer im grenzüberschreitenden Linienbusverkehr zu verpflichten, vor der Einreise in das deutsche Hoheitsgebiet die Pässe und Aufenthaltstitel der Passagiere zu kontrollieren und dass er dem Erlass zwangsgeldbewehrter Verfügungen entgegensteht, mit denen Unternehmern, die gegen diese Verpflichtung verstoßen haben, jede weitere Beförderung von Passagieren ohne die erforderlichen Reisedokumente untersagt wird. Da die in Rede stehenden Kontrollen durchgeführt werden, wenn die Reisenden zu Beginn der grenzüberschreitenden Reise in den Bus einsteigen, handelt es sich um Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats, die verboten sind, wenn sie die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben.
Nach Ansicht des EuGH haben die in Rede stehenden Kontrollen eine solche Wirkung und sind daher verboten. Die Kontrollen sollten nämlich nur sicherstellen, dass den Personen, die sich im Bus befinden und die Absicht haben, die deutsche Grenze zu überschreiten, tatsächlich gestattet werden könne, in das deutsche Hoheitsgebiet einzureisen. Sie sollten somit – ebenso wie die Kontrollen durch die Grenzschutzbehörden beim Überschreiten der Außengrenzen – die Passagiere daran hindern, in das deutsche Hoheitsgebiet zu gelangen, wenn sie nicht über die erforderlichen Reisedokumente verfügten. Sie werden mithin gerade durch die Überschreitung einer Binnengrenze ausgelöst.
Außerdem habe die streitige Kontrollpflicht allgemeinen Charakter und gelte für alle grenzüberschreitenden Buslinien, unabhängig vom Verhalten der betreffenden Personen und von Umständen, aus denen sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung ergebe. Des Weiteren müsse die Kontrolle der Reisedokumente systematisch bei allen Reisenden auf allen grenzüberschreitenden Buslinien vorgenommen werden. Für die auf das deutsche Hoheitsgebiet beschränkten Linien gelte die streitige Kontrollpflicht hingegen nicht, obwohl sie eine ebenso große oder größere Streckenlänge haben können als die von der Kontrollpflicht erfassten grenzüberschreitenden Linien.
Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach, LL.M. vertritt bundesweit Busunternehmen und Busfahrer, die bundespolizeilich zur Passkontrolle angewiesen werden.