Bundesverfassungsgericht zur Ablehnung von Richtern

Am 3. März 2025 fällte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Verfahren 1 BvR 750/23 einen richtungsweisenden Beschluss zur Besorgnis der Befangenheit von Richtern. Die Entscheidung betont die Bedeutung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und konkretisiert die Anforderungen an die Ablehnung von Richtern im Zivilprozess.


Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war Klägerin in einem zivilrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht. Sie lehnte die Vorsitzende Richterin C. und einen beisitzenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte sie an:

  • Ein Hinweisbeschluss des Gerichts habe unangemessenen Druck zur Einigung ausgeübt.

  • Die Vorsitzende Richterin habe sich in der mündlichen Verhandlung unsachlich und unangemessen verhalten.

  • Die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter im Rahmen des Ablehnungsverfahrens seien unzulänglich und unsachlich gewesen.

Ein weiteres Ablehnungsgesuch richtete sich gegen die Vorsitzende Richterin C., da sie während des laufenden ersten Ablehnungsverfahrens gegen die Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO verstoßen und das Verfahren verzögert habe.

Das Landgericht wies die Ablehnungsgesuche zurück. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin blieb ebenfalls erfolglos.


Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts

Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde statt und stellte fest, dass die Ablehnung der Befangenheitsanträge durch die Fachgerichte die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt hat.

Maßstab der Besorgnis der Befangenheit

Nach § 42 ZPO kann ein Richter abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern ob aus Sicht einer vernünftigen Partei Anlass besteht, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln.

Dienstliche Äußerungen als Ablehnungsgrund

Das BVerfG betonte, dass unsachliche oder unzulängliche dienstliche Äußerungen eines Richters im Rahmen des Ablehnungsverfahrens die Besorgnis der Befangenheit begründen können. Im vorliegenden Fall enthielt die dienstliche Äußerung der Vorsitzenden Richterin C. eine rechtliche Würdigung des Ablehnungsvorbringens und versuchte, den Vortrag der Beschwerdeführerin ins Lächerliche zu ziehen. Das Oberlandesgericht hatte dies nicht ausreichend gewürdigt und damit die Bedeutung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verkannt.

Verstoß gegen die Wartepflicht

Des Weiteren stellte das BVerfG fest, dass die Missachtung der Wartepflicht gemäß § 47 Abs. 1 ZPO durch die Vorsitzende Richterin C. ebenfalls geeignet war, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Obwohl Verstöße gegen die Wartepflicht nicht automatisch eine Besorgnis der Befangenheit begründen, kann dies bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen der Fall sein. Im vorliegenden Fall war die Missachtung der Wartepflicht nicht ausreichend begründet worden.


Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des BVerfG stärkt das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Justiz und betont die Bedeutung des Rechts auf den gesetzlichen Richter. Sie verdeutlicht, dass Gerichte bei der Prüfung von Befangenheitsanträgen sorgfältig und umfassend vorgehen müssen. Insbesondere müssen dienstliche Äußerungen von Richtern im Ablehnungsverfahren neutral und sachlich sein, um nicht den Eindruck der Voreingenommenheit zu erwecken.

Für die Praxis bedeutet dies, dass Gerichte bei der Behandlung von Befangenheitsanträgen besondere Sorgfalt walten lassen müssen, um das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Justiz zu wahren.