Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Urteil der 2. Kammer vom 30. Juni 2022 zum Aktenzeichen 2 K 155/21 entschieden, dass das Bundeskanzleramt muss Protokolle zu Bund-Länder-Konferenzen zur Corona-Pandemie herausgeben.
Aus der Pressemitteilung des VG Berlin Nr. 27/2022 vom 05.07.2022 ergibt sich:
Ab März 2020 fanden im Bundeskanzleramt Bund-Länder-Konferenzen statt, um die Corona-Pandemie zu bewältigen. Der Kläger beantragte im Dezember 2020 beim Bundeskanzleramt unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz, ihm Zugang zu den Kurzprotokollen der Konferenzen zu gewähren. Das Bundeskanzleramt lehnte dies mit der Begründung ab, einer Herausgabe stehe der Schutz von behördlichen Beratungen und des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen. Eine Veröffentlichung könne einen künftigen freien und offenen Meinungsaustausch beeinträchtigen. Eine entsprechende Berichterstattung bringe eine neue und ungewollte Dynamik in die weiteren Beratungen zur Pandemiebekämpfung.
Die 2. Kammer hat das Bundeskanzleramt verpflichtet, dem Kläger Zugang zu den Kurzprotokollen zu gewähren. Die Bund-Länder-Konferenzen seien zwar als „Beratungen von Behörden“ von § 3 Nr. 3b des Informationsfreiheitsgesetzes erfasst. Geschützt sei jedoch nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung als solcher, nicht die Ergebnisse und Grundlagen der Entscheidung. Die Beklagte habe nicht dargelegt, welche Passagen welcher Kurzprotokolle den Vorgang der Willensbildung und Abwägung abbildeten. Zudem sei eine konkrete Gefährdung des Beratungsverlaufs oder künftiger Beratungen nicht nachvollziehbar dargelegt. Der Verweis der Beklagten auf die andauernde Pandemielage und die Möglichkeit erneuter Bund-Länder-Konferenzen begründe keinen Dauer-Beratungsprozess. Selbst wenn im Jahr 2020 die einzelnen Beratungen aufeinander aufgebaut haben sollten, sei jedenfalls durch die Änderung des Infektionsschutzgesetzes eine Änderung der Lage eingetreten und das Format eingestellt worden. Für künftige Beratungen sei eine Beeinträchtigung nur pauschal geltend gemacht worden, ohne etwa die veränderten Umstände (z.B. Impffortschritt) zu berücksichtigen. Zudem sei durch die Änderung des Infektionsschutzgesetzes eine rechtliche Zäsur dergestalt eingetreten, dass Beratungen vor allem auch im Deutschen Bundestag stattfinden müssten.
Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.