Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 04.05.2022 zum Aktenzeichen 1 StR 138/21 zur Strafbarkeit von AGG-Hopping ausgeführt.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen und wegen versuchten Betruges in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Die Täuschungshandlung besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Täuschung ist danach jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt. Dabei ist allgemein anerkannt, dass – außer durch eine ausdrückliche Erklärung – eine Täuschung im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann, insbesondere durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist; davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt.
Welcher Inhalt der (ausdrücklichen oder konkludenten) Erklärung zukommt, bestimmt sich ganz wesentlich durch den Empfängerhorizont und die Erwartungen der Beteiligten. In aller Regel muss der Inhalt konkludenter Kommunikation deshalb auch unter Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmt werden, von denen die Erwartungen der Kommunikationspartner ersichtlich geprägt sind. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes eines konkreten Verhaltens sind sowohl faktische als auch normative Gesichtspunkte zu berücksichtigen.
Allerdings kann auch in der Geltendmachung einer Forderung, auf die kein Anspruch besteht, eine schlüssige Täuschung über Tatsachen liegen. Denn der Verkehr erwartet in diesem Zusammenhang vor allem eine wahrheitsgemäße Darstellung, soweit die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne Weiteres überprüfen kann. Dagegen sind bloße Werturteile, seien es Rechtsauffassungen, Meinungsäußerungen oder reklamehafte Anpreisungen grundsätzlich keine Tatsachen im Sinne des § 263 StGB. Die Annahme einer schlüssigen Täuschung setzt daher voraus, dass mit dem Einfordern einer Leistung ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt oder das Vorliegen eines den Anspruch begründenden Sachverhalts behauptet wird. Wann der Rechtsverkehr der Geltendmachung einer Forderung schlüssig zugleich die Behauptung bestimmter anspruchsbegründender Tatsachen beimisst, ist Tatfrage.
An diesen Grundsätzen gemessen hat der Angeklagte mit dem Versenden der außergerichtlichen Aufforderungsschreiben nicht über die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung getäuscht; es mangelt an einer konkludent erklärten unwahren Tatsachenbehauptung.
Soweit das Landgericht zur Begründung einer nach der Verkehrsauffassung schlüssig erklärten Ernsthaftigkeit der Bewerbung anführt, dass der Ernsthaftigkeit seit jeher eine wesentliche Bedeutung bei Entschädigungsansprüchen zugekommen sei und dem subjektiv nicht ernsthaften Bewerber nach der auch im Jahr 2011 bereits gefestigten Rechtsprechung keine Entschädigungsansprüche zugestanden haben, entweder, weil diesem nicht der Status eines Bewerbers zugebilligt oder dessen Begehren als rechtsmissbräuchlich eingeordnet worden sei, erweist sich diese Erwägung nicht als tragfähig. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu allein pekuniär motivierten Entschädigungsklagen auf der Grundlage von Scheinbewerbungen stellt bei der Frage rechtsmissbräuchlichen Verhaltens auf den jeweiligen Einzelfall ab; sie zielt auch nicht auf ein Befolgen, sondern – vor dem Hintergrund einer atypischen Interessenlage – auf ein Abweichen von der gesetzlichen Rechtslage ab. Mit dieser einzelfallbezogenen Korrektur der Rechtslage trifft sie aber, anders als das Landgericht meint, gerade keine generelle Aussage zum normativen Gesamtzusammenhang und prägt insoweit auch nicht den Empfängerhorizont.
Da die von der Rechtsprechung aus Billigkeitsgründen und nach dem Grundsatz von Treu und Glauben entwickelten Versuche zur Eindämmung von Rechtsmissbrauch auch auf die Vorstellungen und Erwartungen des Rechtsverkehrs abstellen, gehen diese Entscheidungen den Erwartungen des Verkehrs nicht voraus, sondern folgen ihnen regelmäßig nach. Auch insoweit können entsprechenden Judikaten allenfalls indizielle, jedoch keine prägenden Wirkungen für die Vorstellungen des Empfängerhorizonts und der Erwartungen der Beteiligten zugeschrieben werden.
Unabhängig davon gab es – entgegen der Wertung des Landgerichts – im angenommenen Tatzeitraum keine gefestigte arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, die eine eindeutige rechtliche Einordnung der geltend gemachten Entschädigungsansprüche zuließ; die Rechtsprechung zur Behandlung von Entschädigungsklagen von Scheinbewerbern war in den Jahren 2011 und 2012 vielmehr noch im Fluss und konnte auch deshalb keinen maßgeblichen Einfluss auf die Vorstellungen und Erwartungen der Beteiligten ausüben.
Erstmals im Oktober 2011 judizierte das Bundesarbeitsgericht, dass im Falle von Ansprüchen nach § 15 AGG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Erwerb der Rechtsstellung als Bewerber dann als unredlich erscheinen könne, wenn die Bewerbung allein deshalb erfolgte, um Entschädigungsansprüche zu erlangen.
Zwar nahm das Bundesarbeitsgericht in späteren, jedenfalls zum Teil ohnehin erst nach dem Versenden der weiteren außergerichtlichen Aufforderungsschreiben in dem Zeitraum vom 17. Oktober 2011 bis 3. Mai 2012 ergangenen Entscheidungen auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs Bezug. Indes können die ab dem Jahr 2011 ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen deshalb nicht ohne Weiteres den vom Landgericht angenommenen tauglichen Anknüpfungspunkt bilden, weil das Bundesarbeitsgericht die Frage, ob der von ihm angenommene Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB unionsrechtlichen Bedenken begegne, im Jahr 2015 noch dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Dies verneinte der EuGH mit Urteil vom 28. Juli 2016 zwar, er konkretisierte jedoch die Voraussetzungen des durchgreifenden Rechtsmissbrauchs und stellte insoweit strenge Anforderungen auf.
Auch die vor dem Jahr 2011 ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung vermag die Annahme einer gefestigten Rechtsprechung zur Behandlung von Entschädigungsansprüchen von subjektiv nicht ernsthaften Bewerbern nicht zu tragen. Das Bundesarbeitsgericht hatte zunächst die vor Inkrafttreten des AGG zum 18. August 2006 zu der Vorschrift des § 611a Abs. 2 BGB in der Fassung vom 2. Januar 2002 entwickelten Grundsätze auf das AGG übertragen; Entschädigungsansprüche von subjektiv nicht ernsthaften Bewerbern hatte es nicht an dem – von der Gegenseite darzulegenden und zu beweisenden – Einwand des Rechtsmissbrauchs scheitern lassen, sondern zunächst entschieden, dass im Stellenbesetzungsverfahren nur benachteiligt werden könne, wer sich subjektiv ernsthaft beworben habe und objektiv für die zu besetzende Stelle in Betracht komme, es im Fall einer Scheinbewerbung demnach bereits an den Anspruchsvoraussetzungen fehle. Noch vor der Begehung der ersten verfahrensgegenständlichen Tat stellte das Bundesarbeitsgericht jedoch klar, dass die objektive Eignung keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 15 AGG sei und ließ insbesondere ausdrücklich offen, ob die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung Voraussetzung für die Begründetheit des Anspruchs sei, wobei es in einer späteren Entscheidung die Frage der subjektiven Ernsthaftigkeit der Bewerbung aber wieder prüfte.
Dass das Bundesarbeitsgericht seit der Entscheidung des EuGH in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass dem Entschädigungsverlangen nach § 15 Abs. 2 AGG mit dem Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) entgegengetreten werden kann, sofern der Anspruchsteller sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm um das ausschließliche Ziel ging, Ansprüche auf Entschädigung geltend zu machen ist als spätere Entwicklung für die Bewertung des normativen Gesamtzusammenhangs zur Tatzeit in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Taten ohne tragfähige Relevanz.
Auch aus sonstigen Gründen lässt sich die vom Landgericht angenommene Erwartung des geschäftlichen Verkehrs, nach der mit dem außergerichtlichen Einfordern einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zugleich erklärt werde, die vorherige Bewerbung sei ernsthaft und nicht allein pekuniär motiviert gewesen, nicht begründen.
Soweit das Landgericht hierfür als weiteren Beleg das Vollständigkeits- und Wahrheitsgebot des § 138 Abs. 1 ZPO anführt, ist dies rechtsfehlerhaft, weil dieses Gebot zwar für alle Verfahren der Zivilprozessordnung und alle Verfahrensabschnitte gilt, nicht jedoch für die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen. Die Verkehrsauffassung und die Sicht des Empfängerhorizonts im außergerichtlichen Bereich vermag die Vorschrift deshalb nicht maßgeblich zu prägen.
Auch aus dem normativen Kontext lassen sich keine entsprechenden Erwartungen des Verkehrs ableiten. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Rechte der Beschäftigten und die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot, die in §§ 13 bis 16 AGG geregelt sind.
Mit der Einführung des AGG sollten der Schutz vor Diskriminierung verbessert und verschiedene EU-Richtlinien umgesetzt werden. Bei Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber entschieden, dass dabei – anders als in etlichen Mitgliedstaaten praktiziert – auf öffentlich-rechtliche Elemente, z.B. Bußgelder oder eine behördliche Aufsicht, verzichtet wird. Vielmehr sollte nach dem Willen des Gesetzgebers ein rein individualistisches Haftungssystem die Forderung der umzusetzenden EU-Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbots durch den Arbeitgeber erfüllen. In diesem Sinne verfolgt die zentrale Haftungsnorm des § 15 AGG einen doppelten Sanktionszweck, indem sie spezialpräventiv den Arbeitgeber zukünftig zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten nach dem AGG an- und generalpräventiv Dritte von ähnlichen Verstößen abhält.
(Namentlich vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber gewollten und zur Umsetzung der EU-Vorgaben unverzichtbaren Rechtsdurchsetzung durch Private im Sinne eines „private enforcement“ kann dem außergerichtlichen Einfordern von Entschädigungsansprüchen nicht die konkludente Aussage entnommen werden, der Anspruchsteller verfolge nicht allein pekuniäre Motive, sondern habe ein ernsthaftes Interesse an der Stelle gehabt. Dies gilt umso mehr, als § 15 Abs. 2 AGG, anders als § 15 Abs. 1 AGG, einen materiellen Schaden nicht voraussetzt und – als Ausdruck einer gesetzgeberischen Entscheidung – auch demjenigen einen Entschädigungsanspruch für immaterielle Schäden zubilligt, dem ein materieller Schaden nicht entstanden ist; mit der Geltendmachung eines solchen Entschädigungsanspruchs wird das Vorliegen eines materiellen Schadens gerade nicht behauptet. Zudem trägt auch ein allein auf eine Entschädigung abzielendes Vorgehen spezial- und generalpräventiv dazu bei, die ordnungsmäßige Pflichterfüllung zu sichern. Insbesondere die Sorge vor so genannten AGG-Hoppern, also Personen, die sich nur zum Schein auf eine freie Stelle bewerben, um wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Fehler im Bewerbungsverfahren oder einer Absage unter diskriminierenden Umständen Schadensersatzansprüche nach dem AGG geltend zu machen, dürfte in der Vergangenheit erheblich zu einem gesetzeskonformen Verhalten beigetragen haben.
Maßgeblich tritt hinzu, dass der Gesetzgeber – anders als im Gesetz zum unlauteren Wettbewerb – im AGG nicht normiert hat, dass die Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig ist, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist; auch das Fehlen einer mit § 8c Abs. 1 UWG vergleichbaren Missbrauchsklausel prägt den normativen Gesamtzusammenhang. Hier liegt auch der entscheidende Unterschied zu dem vom Senat mit Beschluss vom 8. Februar 2017 – 1 StR 483/16 – entschiedenen Fall betreffend die Geltendmachung von Abmahnkosten, bei dem es allein um die bloße Generierung von Rechtsanwaltsgebühren ging. Dort lag eine Täuschung der abgemahnten Wettbewerber vor, weil mit dem Aufforderungsschreiben aus Sicht der Empfänger zumindest konkludent erklärt wurde, dass der Forderung ein wettbewerbsrechtlich bedeutsamer Abmahnvorgang zugrunde lag und dass es nicht um die bloße Generierung von Rechtsanwaltsgebühren ging, es sich mithin um keine im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG aF rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Ansprüche handelte.
Anhaltspunkte, die in tatsächlicher Hinsicht die Annahme einer konkludenten Erklärung über die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung begründen könnten, zeigen die Urteilsgründe nicht auf. Bei der Ermittlung des Erklärungswertes hat das Landgericht die konkreten faktischen Umstände nicht erkennbar eingestellt. Damit bleibt die Tatfrage letztlich offen, aus welchen tatsächlichen Gesichtspunkten die Verkehrsanschauung aus der Geltendmachung der Entschädigung ableitet, die vorangegangene Bewerbung sei subjektiv ernsthaft gewesen. Dies umso mehr als das Landgericht auch den konkreten Inhalt der Aufforderungsschreiben nicht mitteilt, worauf es zur Begründung einer konkludenten Täuschung über Tatsachen aber entscheidend ankommen könnte. Eine allgemeine Erwartung, der andere werde sich redlich verhalten, kennt der Rechtsverkehr nicht; diese reicht für die Annahme entsprechender konkludenter Erklärungen auch nicht aus.
Mit Blick auf die vom Landgericht getroffenen Feststellungen, nach denen sich der frühere Mitangeklagte auf für sein Bewerberprofil nicht zugeschnittene Stellen bewarb, die Ablehnung seiner Bewerbung erwartete und diese sogar durch sein Verhalten im Bewerbungsprozess provozierte, liegt es eher fern, dass die sonstigen tatsächlichen Umstände eine entsprechende Erwartung des Verkehrs begründen könnten. Angesichts der festgestellten tatsächlichen Gesamtumstände vermögen allein die Aspekte, dass die ausschreibenden Unternehmen die Motivation für die Bewerbung nicht ohne weiteres überprüfen konnten und die
Entschädigung mit einem Anwaltsschreiben eingefordert wurde, nicht die Annahme zu rechtfertigen, dass mit der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs die Ernsthaftigkeit der Bewerbung entgegen dem normativen Kontext miterklärt werde.
Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtsfehlerfrei. Zwar hat das Landgericht zur Begründung der Strafbarkeit des Angeklagten ergänzend auf die gerichtliche Geltendmachung der Entschädigungsansprüche abgestellt und ist insoweit konkurrenzrechtlich von einer einheitlichen Tat ausgegangen. Es fehlen jedoch auch insoweit die erforderlichen und auf den Einzelfall bezogenen Feststellungen. Insbesondere hat das Landgericht konkrete Feststellungen zum schriftsätzlichen Vortrag des Angeklagten in den jeweiligen arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht getroffen. Der Senat vermag deshalb nicht im Einzelfall zu überprüfen, ob der Angeklagte die Gegenseite über die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung zwar nicht in dem außergerichtlichen Verfahren, jedoch im sich daran anschließenden arbeitsgerichtlichen Prozess getäuscht hat.
Der Schuldspruch wegen vollendeten Betruges kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Feststellungen des Landgerichts, nach denen die getäuschten Personen einem Irrtum über die Ernsthaftigkeit der Bewerbung unterlagen und aufgrund dieses Irrtums dem Prozessvergleich zustimmten, auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs.
Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen zum strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Handlungen vor, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist.
Zwar genügt es regelmäßig zur Überschreitung der für den Versuchsbeginn maßgeblichen Schwelle, wenn ein Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht hat. Dies gilt allerdings nicht ohne Ausnahme. Handelt es sich bei einem Betrug um ein mehraktiges Geschehen, so ist erst diejenige Täuschungshandlung maßgeblich, die den Getäuschten unmittelbar zur irrtumsbedingten Vermögensverfügung bestimmen und den Vermögensschaden herbeiführen soll; entscheidend ist, ob die Täuschung ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in die angestrebte Vermögensverschiebung mündet oder diese nur vorbereitet.
Hieran gemessen erweist sich die Beweiswürdigung der Strafkammer als widersprüchlich und lückenhaft und damit als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
Soweit das Landgericht zur Begründung seiner Überzeugung, der Angeklagte sei bereits bei der außergerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche davon ausgegangen, die angeschriebenen Unternehmen werden die Entschädigung jedenfalls teilweise zahlen, darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte im Rahmen von einigen Vergleichsverhandlungen angedroht habe, den Rechtsstreit bis zum Bundesarbeitsgericht oder sogar bis zum Bundesverfassungsgericht „hochzutreiben“, um die Gegenseite zum Abschluss eines Vergleichs zu bewegen, verkennt es, dass es diese zeitlich nachgelagerten Aspekte zum Beleg der Vorstellung des Angeklagten beim Versenden der außergerichtlichen Schreiben nicht hätte heranziehen dürfen.
Unabhängig davon ist die Beweiswürdigung des Landgerichts auch deswegen rechtsfehlerhaft, weil es nicht erörtert hat, dass die außergerichtliche Zahlungsaufforderung in keinem der verfahrensgegenständlichen Fälle zu einer Entschädigungszahlung geführt hat. Diesen Umstand hätte das Landgericht zwingend in seine Würdigung einstellen müssen, da ansonsten offenbleibt, warum der Angeklagte gleichwohl in allen Fällen davon ausgegangen ist, die Übersendung des außergerichtlichen Schreibens genüge bereits, um die hierzu aufgeforderten Unternehmen zu einer Entschädigungszahlung zu veranlassen. Zu einer eingehenderen Auseinandersetzung hätte sich das Landgericht auch deshalb gedrängt sehen müssen, weil es sich bei den angeschriebenen Unternehmen um professionelle Marktteilnehmer mit einer Vielzahl von Mitarbeitern handelt und es auch vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht naheliegt, dass der Angeklagte geglaubt hat, dass es keiner weiteren (Zwischen-)Schritte bedarf.
Darüber hinaus hat es das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen, die konkreten Umstände des Einzelfalls in seine Überzeugungsbildung einzustellen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Als weitere beweiserhebliche Umstände hätte das Landgericht insoweit in den Blick nehmen müssen, dass der frühere Mitangeklagte sich auf Stellen bewarb, die nicht seinem Profil entsprachen, sein Verhalten im Rahmen des Bewerbungsprozesses – entsprechend dem festgestellten Tatplan – darauf ausgerichtet war, eine Absage zu erhalten und er diese im Einzelfall sogar provozierte. Schließlich lässt das Urteil Ausführungen zu der Frage vermissen, wie es sich auf die Vorstellung des Angeklagten ausgewirkt hat, dass das unter dem Stichwort „AGG-Hopper“ diskutierte Phänomen missbräuchlicher Entschädigungsansprüche den Marktteilnehmern durchaus bekannt war.
Der neu zur Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter wird Gelegenheit haben, eingehender als bisher geschehen das Verhalten des Angeklagten in den der außergerichtlichen Geltendmachung nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Verfahren aufzuklären und strafrechtlich zu würdigen. Sollte er sich erneut die Überzeugung verschaffen, dass sich der frühere Mitangeklagte auf die ausgeschriebenen Stellen nur zum Schein und allein aus pekuniären Gründen beworben hat, gilt insoweit:
Hat der Angeklagte damit gerechnet, dass durch sein Vorbringen im Prozess die auf Beklagtenseite auftretenden Personen getäuscht werden und diese irrtumsbedingt zu einer selbstschädigenden Vermögensverfügung veranlasst werden, kann er sich – wovon das Landgericht im Ansatz auch zutreffend ausgegangen ist – wegen Betruges im Prozess strafbar machen; seine Strafbarkeit entfällt auch dann nicht, wenn das unwahre oder unvollständige Vorbringen in erster Linie für den Richter bestimmt war.
In den Fällen, in denen die Gegenseite im Prozess den Rechtsmissbrauchseinwand erhoben und als insoweit darlegungs- und beweisbelastete Partei behauptet hat, der Angeklagte habe sich nur zum Schein und allein deshalb beworben, um eine Entschädigung verlangen zu können, liegt eine Täuschung durch eine ausdrückliche Erklärung vor, wenn der Angeklagte dieses Vorbringen explizit bestritten und sich nicht nur auf die Beweislastregeln zurückgezogen hat. Gleiches gilt in den Fällen, in denen der Angeklagte im Prozess schriftsätzlich hat vortragen lassen, er habe sich subjektiv ernsthaft beworben. Auf die Frage einer konkludenten Täuschung kommt es dann nicht an.
Wurde hingegen ein auf die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit gestützter Einwand eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht erhoben und hat sich der Angeklagte allein auf die gerichtliche Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs beschränkt, bemisst sich die Frage der konkludenten Täuschung über die (fehlende) Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung danach, ob er gegen die Vollständigkeits- und Wahrheitspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO verstoßen hat. Ist dies der Fall, ist bereits die gerichtliche Geltendmachung der unberechtigten Forderung als konkludente Täuschung zu qualifizieren.
Findet Kommunikation – wie in einem zivil- und arbeitsgerichtlichen Verfahren – im Rahmen eines geregelten Verfahrens statt, wird der für die Frage des Vorliegens einer Täuschungshandlung maßgebliche Empfängerhorizont durch die diesem Verfahren zugrunde liegenden Vorschriften bestimmt; dies sind hier die Bestimmungen der Zivilprozessordnung. In § 138 ZPO hat der Gesetzgeber im Interesse einer geordneten Rechtspflege geregelt, dass die Prozessparteien subjektiv wahrhaftig im Sinne eines Verbots wissentlicher Falschangaben die tatsächlichen Umstände behaupten und bestreiten müssen. Diese Wahrheitspflicht besteht als echte Pflicht gegenüber dem Gericht und dem Gegner. Deshalb erwarten die Beteiligten in einem zivil- oder arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit – nicht anders als das zur Entscheidung berufene Gericht – einen Sachvortrag, der den Vorgaben des § 138 ZPO entspricht, wobei das Wahrheits- und Vollständigkeitsgebot des § 138 ZPO auch verlangt, dass von Amts wegen zu prüfende rechtsvernichtende Einwendungen offenzulegen sind.
Bei seiner Bewertung eines Verstoßes gegen das Wahrheits- und Vollständigkeitsgebot wird der neue Tatrichter allerdings in den Blick zu nehmen haben, dass § 138 ZPO grundsätzlich nur bewusst falschen und unvollständigen Vortrag untersagt; insoweit bildet die zivilprozessuale Wahrheitspflicht die Grenze der Strafbarkeit des Angeklagten.
Ob der Angeklagte in diesem Sinne bewusst gegen seine prozessualen Vortragspflichten verstoßen hat, ist Tatfrage, die nach einer Gesamtbewertung aller maßgeblichen Umstände zu beantworten ist. Hierbei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, dass die Rechtslage aus Sicht des Rechtssuchenden im Tatzeitraum unklar gewesen ist, der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Sanktionen auf öffentlich-rechtliche Elemente zugunsten eines rein individualistischen Haftungssystems verzichtet hat und zudem eine mit § 8c Abs. 1 UWG vergleichbare Missbrauchsklausel im Gesetz nicht normiert wurde.
Für den Fall, dass sich der neue Tatrichter die Überzeugung von einem strafbaren Verhalten des Angeklagten verschafft, wird er auch die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu prüfen haben. Damit hat sich das Landgericht bisher nicht auseinandergesetzt.