Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 25. September 2024 zum Aktenzeichen 2 A 11745/17.OVG dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Besoldung von Beamten in Rheinland-Pfalz in der Besoldungsgruppe A 8 in den Jahren 2012 bis 2014 verfassungsgemäß gewesen ist.
Aus der Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz Nr. 16/2024 vom 02.10.2024 ergibt sich:
Das Land Rheinland-Pfalz ist durch das Grundgesetz verpflichtet, seine Beamtinnen und Beamten amtsangemessen zu besolden. Hierbei hat das Bundesverfassungsgericht verschiedene Kriterien entwickelt, mit deren Hilfe die Amtsangemessenheit der Beamtenbesoldung überprüft werden kann. Dazu gehört unter anderem auch das sog. Mindestabstandsgebot. Dieses besagt, dass bei der Bemessung der Besoldung der qualitative Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitssuchenden sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten geschuldet ist, hinreichend deutlich werden muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird der Mindestabstand nicht eingehalten, wenn die Nettoalimentation eines Beamten um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt.
In dem Berufungsverfahren eines im Dienst des beklagten Landes stehenden Vermessungshauptsekretärs (Besoldungsgruppe A 8) ist der 2. Senat nunmehr, wie auch schon das Verwaltungsgericht Koblenz in einem anderen Fall (vgl. hierzu dessen Pressemitteilung Nr. 13/2024 vom 5. Juni 2024), zu der Überzeugung gelangt, dass das Mindestabstandsgebot in der Besoldungsgruppe A 8 in den Jahren 2012 bis 2014 in Rheinland-Pfalz nicht eingehalten wurde. Ausgangspunkt zur Bestimmung des hierbei maßgeblichen Nettoalimentationsniveaus sei weiterhin die aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße der Alleinverdienerfamilie mit zwei minderjährigen Kindern und nicht – wie vom beklagten Land argumentiert – eine Hinzuverdienerfamilie, bei der zu den Besoldungsbezügen noch ein Partnereinkommen im Umfang einer geringfügigen Beschäftigung hinzugerechnet werde. Auch für die hier streitgegenständlichen Jahre 2012 bis 2014 sei nach den gesetzlichen Regelungen und der insoweit maßgeblichen Gesetzesbegründung davon auszugehen, dass der Landesbesoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen habe, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie unterhalten werden könne. Ausgehend hiervon sei das Mindestabstandsgebot in der zur Prüfung stehenden Besoldungsgruppe A 8 deutlich verletzt worden. So habe sich im Jahr 2012 das Grundsicherungsniveau auf 25.607,52 Euro belaufen. Die danach gebotene Mindestalimentation eines Beamten betrage 29.448,65 Euro (115 % von 25.607,52 Euro). Die Nettoalimentation in der Besoldungsgruppe A 8 habe jedoch lediglich 27.977,56 Euro ausgemacht und sei deshalb 1.471,09 Euro hinter der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation zurückgeblieben, was einem relativen Fehlbetrag von rd. 5 % entspreche. Im Jahr 2013 sei der Fehlbetrag auf 1.843,76 Euro (rd. 6,1 %) und im Jahr 2014 auf 2.107,18 Euro (rd. 6,9 %) angestiegen. Dieser Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot in der zur Überprüfung gestellten Besoldungsgruppe selbst sei keiner Rechtfertigung zugänglich. Inwiefern kollidierende verfassungsrechtliche Wertungen eine Unterschreitung des Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau in der zur Überprüfung gestellten Besoldungsgruppe rechtfertigen könnten, sei nicht erkennbar. Zwar könne die Verpflichtung der Bundesländer zur Haushaltskonsolidierung als kollidierendes Verfassungsrecht – und zwar auch bereits vor dem Inkrafttreten der „Schuldenbremse“ – unter Umständen eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation rechtfertigen. Bei Zurückbleiben der streitgegenständlichen Besoldung selbst hinter dem Mindestabstandsgebot liege dies jedoch anders. Jedenfalls der Abstand zum Grundsicherungsniveau als „Urmeter des Besoldungsrechts“ durch die betroffene Besoldungsgruppe müsse zwingend eingehalten werden. Selbst wenn man einen Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot dem Grunde nach als rechtfertigungsfähig erachten wollte, führte dies vorliegend nach Überzeugung des Senats nicht zur Verneinung der Verfassungswidrigkeit der streitgegenständlichen Besoldungsregelungen. Die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung könnten den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation mit Blick auf die in Artikel 109d Absatz 1 Satz 4 Grundgesetz – GG – angelegte Vorwirkung der strukturellen Nettokreditaufnahme nur zur Bewältigung einer der in Artikel 109 Absatz 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen rechtfertigen. Eine Ausnahmesituation der hiermit in Bezug genommenen Konstellationen, also bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, habe der Beklagte für die streitgegenständlichen Jahre und unter Berücksichtigung der drastischen Unteralimentation in den unteren Besoldungsgruppen nicht hinreichend schlüssig belegt. Der Beklagte habe darüber hinaus weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren dargetan, dass die weit hinter den Grenzen des Mindestabstandsgebots zurückbleibende Besoldungshöhe in der Besoldungsgruppe A 8 und die hiermit einhergehende, nahezu vollständige Angleichung der Beamtenbezüge in der untersten Besoldungsgruppe an die staatlichen Sozialleistungen Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung gewesen sei, bei dem die Einsparungen – wie es nach dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Absatz 1 GG geboten sei – gleichheitsgerecht hätten erwirtschaftet werden sollen. Dies sei aber (weitere) Voraussetzung dafür, eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation mit Blick auf die Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung zu rechtfertigen.
Da es dem Oberverwaltungsgericht verwehrt ist, die Verfassungswidrigkeit der vom Gesetzgeber geschaffenen Besoldungsregelungen selbst verbindlich festzustellen, hat der Senat das Berufungsverfahren ausgesetzt und dem hierfür zuständigen Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Diese Verfahrensweise sieht das Grundgesetz vor, wenn ein Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf das es für seine Entscheidung ankommt (vgl. Art. 100 Absatz 1 GG).
Soweit der Kläger in einem weiteren Verfahren die Feststellung begehrt hat, dass auch die Besoldung ab seiner im Mai 2014 ausgesprochenen Beförderung in das Amt eines Vermessungsinspektors (Besoldungsgruppe A 9) bis zum 31. Dezember 2016 verfassungswidrig zu niedrig gewesen ist, hat das Oberverwaltungsgericht hingegen seine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Trier zurückgewiesen und hiermit – im Ergebnis – die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt.
Ansprüche eines Beamten, deren Festsetzung und gegebenenfalls Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergäben, bedürften nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts der vorherigen Geltendmachung. Bei diesem Erfordernis handele es sich allerdings – anders als noch von der Vorinstanz angenommen – um eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung und nicht um eine Frage der Zulässigkeit der Klage. Der Beamte müsse den Einwand der unzureichenden Alimentation in dem Haushaltsjahr geltend machen, für das er eine höhere Besoldung oder Versorgung begehre. Die Erklärung solle den Dienstherrn auf ein mögliches Alimentationsdefizit aufmerksam machen, damit dieser sich auf mögliche finanzielle Mehrbelastungen einstellen könne. Aus diesem Erfordernis folge zwar grundsätzlich keine Obliegenheit des Beamten nach erstmaliger Rüge unzureichender Alimentation in jedem Haushaltsjahr erneut eine amtsangemessene Alimentation zu begehren. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn der Widerspruch entweder nicht erkennbar auf die Zukunft gerichtet sei, sondern nur auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt werde oder wenn aufgrund geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände nicht hinreichend klar sei, ob der Widerspruch weiterhin aufrechterhalten bleiben solle oder der Beamte möglicherweise mit den veränderten Umständen einverstanden sei, und insoweit Anlass für eine Klarstellung bestehe. Nach Maßgabe dieser Grundsätze liege keine zeitnahe Geltendmachung der Unteralimentation durch den Kläger für den Zeitraum nach seiner Beförderung vor. Der Kläger habe sich im insoweit allein maßgeblichen Zeitraum bis zum 31. Dezember 2016 zu keinem Zeitpunkt mit der Begründung (bzw. einer so aufzufassenden Erklärung), dass auch seine Besoldung in der Besoldungsgruppe A 9 zu niedrig bemessen und deshalb zu beanstanden sei, an seinen Dienstherrn gewandt.