Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat mit Beschluss zum Aktenzeichen 6 L 832/21.WI entschieden, dass eine Verfügung der unteren Bauaufsichtsbehörde des Rheingau-Taunus-Kreises gegen die Eigentümer eines nur 1,70 m breiten, aber ca. 15 m langen Grundstücks, mit der ihnen aufgegeben worden war, Baumaterialien und Folien, die sie vor der mit Wohnraumfenstern versehenen Grenzwand des Nachbargrundstückes aufgestellt hatten, zu entfernen, rechtmäßig ist.
Aus der Pressemitteilung des VG Wiesbaden Nr. 11/2021 vom 10.08.2021 ergibt sich:
Ursprünglich befanden sich die Grundstücke der Antragsteller, der Nachbarn und weitere angrenzende Grundstücke im Eigentum einer Person. Der damalige Eigentümer, heute angeblich Pächter des Grundstücks der Antragsteller, beantragte im Jahr 1992 selbst die Baugenehmigung zum Anbau eines Abstellraumes an ein Wohnhaus. Der Abstellraum ist dabei an der Grundstücksgrenze zu den heutigen Antragstellern mit drei Fenstern ausgestattet gewesen. Für die Genehmigung wurde damals eine Baulast auf dem Grundstück der heutigen Antragsteller errichtet, wonach die beiden Grundstücke baurechtlich als ein Baugrundstück beurteilt werden sollten.
Nach dem Erwerb des Nachbargrundstücks durch die jetzigen Eigentümer beantragten diese die Nutzungsänderung des bisherigen Abstellraumes in ein Bad. Die Genehmigung wurde ihnen erteilt, wobei zugrundegelegt wurde, dass die Abstandsfläche von 3 m vor den Badfenstern mit der Baulast auf der Teilfläche des Grundstücks der Antragsteller sowie durch eine weitere Baulast auf dem dahinterliegenden Grundstück gewahrt wird.
Nachdem der angebliche Pächter des Grundstücks der Antragsteller – d.h., der vormalige Eigentümer – die Fenster der Nachbarn zunächst nur mit Leitern verhängt, das schmale Grundstück der Antragsteller mit einer Art Pergola überdacht und dort diverse Baumaterialien abgestellt hatte, verhängte er nun die Fenster des Bades mit einer Plane und stellte diverse Gegenstände dagegen.
Als auf Schreiben der unteren Bauaufsichtsbehörde weder durch den angeblichen Pächter noch durch die Antragsteller des Grundstücks reagiert wurde, erließ die Behörde am 21. Juni 2021 die Verfügung, dass die in der Grenzwand zu dem Flurstück der Antragsteller befindlichen Wohnraumfenster von jeglichen derzeit belastenden Baumaterialien zu befreien seien, um eine ordnungsgemäße Belichtung, Belüftung und Besonnung zu gewährleisten.
Den hiergegen gerichteten Eilantrag der Antragsteller lehnte die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden durch Beschluss vom 28. Juli 2021 ab. Die untere Bauaufsichtsbehörde fordere zu Recht von den Antragstellern die Beseitigung der auf ihrem Grundstück befindlichen Gegenstände vor den genehmigten Fenstern. Der Lagerplatz, den die Antragsteller bzw. der Pächter errichtet habe, sei baurechtswidrig und widerspreche der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, die sich aus der in das Baulastverzeichnis eingetragenen Baulast zu Gunsten des Grundstücks der Nachbarn ergebe.
Zunächst sei festzustellen, dass die im Baulastenverzeichnis eingetragene Baulast auch gegenüber den Antragstellern als Rechtsnachfolgern wirke und der Schaffung der notwendigen Abstandsfläche für die Fenster diene.
Es werde von den Antragstellern auch nichts Unmögliches abverlangt, da es ein Leichtes sei, die beweglichen Gegenstände von ihrer Grundstücksfläche und die Plane sowie die Absperrungen vor den Fenstern zu beseitigen. Soweit die Baubehörde es unterlassen habe, von den Antragstellern auch den Abbau der Pergola zu fordern, die unter keinerlei Gesichtspunkten baurechtlich zulässig sei, müsse dies, so das Gericht, noch nachgeholt werden.
Die Antragsteller könnten sich nicht auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Rüdesheim, in der es nur um Eigentumsrechte und Besitzstörung gegangen sei, berufen, da die zivilrechtliche Entscheidung nur zwischen den Parteien des damaligen Rechtsstreites gelte und sie sich weder mit den Baugenehmigungen noch mit den Baulasten auseinandersetze.
Die untere Bauaufsichtsbehörde habe zu Recht die Antragsteller als Miteigentümer und damit als Zustandsstörer in Anspruch genommen. Da der Umstand der Verpachtung an den früheren Eigentümer nicht glaubhaft gemacht worden sei, habe sie ermessensfehlerfrei davon abgesehen, diesen als Handlungsstörer heranzuziehen.
Da die Sache in der Zwischenzeit so eskaliert sei, dass es einer dringenden Beendigung des Zustandes bedürfe, sei der Sofortvollzug der Anordnung nicht zu beanstanden. Gerade die nunmehr aufgestellten Gegenstände und auch die Plane stellten eine besondere Brandlast dar, so dass es eines dringenden Einschreitens der Bauaufsichtsbehörde bedürfe, damit sich diese nicht selbst strafbar mache.
Gegen den Beschluss haben die Antragsteller bereits Beschwerde erhoben, über die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hat.