Das Verwaltungsgericht Gießen hat mit Beschluss vom 16.06.2020 zum Aktenzeichen 7 L 2117/20.GI entschieden, dass zwei Berufsschülerinnen bis zu den Sommerferien nicht vom Präsenzunterricht an ihrer Berufsschule befreit werden.
Aus der Pressemitteilung des VG Gießen vom 16.06.2020 ergibt sich:
Die beiden Schülerinnen hatten geltend gemacht, die Teilnahme an dem seit dem 25.05.2020 wieder einmal wöchentlich durchgeführten Präsenzunterricht sei ihnen nicht zumutbar und verletze ihr verfassungsrechtlich geschütztes Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die 2. Hessische Corona-Verordnung sei keine ausreichende gesetzliche Grundlage für den Grundrechtseingriff. Außerdem unterlägen sie als Auszubildende zu medizinischen Fachangestellten außerhalb der Berufsschule schon einem erhöhten Risiko, mit an Covid-19 erkrankten Personen in Kontakt zu kommen. Die Antragstellerinnen befürchteten, dass die von der Schulleitung selbst gerügte mangelhafte Disziplin anderer Schüler dazu führe, dass die Hygieneregeln nicht eingehalten werden könnten.
Das VG Gießen hat den Eilantrag der Schülerinnen abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts gehören die Schülerinnen selbst nicht zu den von der 2. Hessischen Corona-Verordnung von der Präsenzpflicht ausgenommenen Personen. Die Schulpflicht ergebe sich aus dem hessischen Schulgesetz und sei vom hessischen Verordnungsgeber nur für bestimmte Personenkreise und unter den in der Corona-Verordnung bestimmten Auflagen ausgesetzt. Zu einer weitergehenden Regelung, wie sie die Antragstellerinnen fordern, sei der hessische Gesetzgeber nicht verpflichtet. Er komme mit den Regelungen der 2. Corona-Verordnung seiner Pflicht zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Schüler ausreichend nach.
Insbesondere stelle die auf dem Infektionsschutzgesetz beruhende Verordnung eine ausreichende gesetzliche Grundlage dar. Die in der Verordnung vorgesehenen Schutzmaßnahmen (Mindestabstand, Gruppengröße, Beachtung der Hygieneregeln des RKI) stellten zusammen mit dem vom Kultusministerium erstellten „Hygieneplan-Corona“ geeignete und ausreichende Schutzmaßnahmen dar, um das Risiko einer Ansteckung grundsätzlich auf ein vertretbares und zumutbares Maß zu begrenzen. Das derzeitige Infektionsgeschehen biete keine Anhaltspunkte dafür, dass mit dem so gestalteten Präsenzunterricht ein unzumutbares Gesundheitsrisiko verbunden sei. Der Wetteraukreis verzeichne derzeit keine Neuinfektionen und die Schule sei im Übrigen gewillt die Einhaltung der Hygienemaßnahmen durch geeignete Maßnahmen durchzusetzen. Als Auszubildende im Ausbildungsberuf der medizinischen Fachangestellten sei außerdem davon auszugehen, dass die Antragstellerinnen durch ihre Praxiserfahrung besonders verantwortungsvoll im Umgang mit den Hygieneregelungen agieren könnten.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim VGH Kassel einlegen.