Berichterstattung über laufendes Strafverfahren

22. Januar 2025 -

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 07.11.2024 zum Aktenzeichen 16 W 50/24 entschieden, dass die Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren gemäß den Anforderungen an die Verdachtsberichterstattung u.a. daran gebunden ist, dass der betroffene Angeklagte vor der Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und seine Reaktion in die Berichterstattung einfließt und damit hebräische Veröffentlichungen des Beklagten über ein laufendes Strafverfahren gegen einen israelischen Staatsbürger ohne vorherige Anhörung untersagt.

Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main Nr. 02/2025 vom 22.01.2025 ergibt sich:

Der Kläger wendet sich gegen zwei hebräische Veröffentlichungen des Beklagten im Internet. Er hat seinen Wohnsitz in Hessen und ist israelischer Staatsbürger. Der Beklagte berichtete unter Nennung seines Vor- und Zunamens sowie eines Fotos über ein gegen ihn laufendes Strafverfahren. In dem Bericht wurde u.a. darauf verwiesen, dass Deutschland die Auslieferung des Klägers fordere, um ihn wegen Betrugs innerhalb einer kriminellen Vereinigung zu verfolgen. Er sei auf seinem Weg von Israel nach Kiew verhaftet worden.

Das Landgericht hatte seinem im Eilverfahren auf Unterlassung gerichteten Antrag abgewiesen.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hatte überwiegend Erfolg. Der Kläger könne Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung verlangen, entschied der für Presserecht zuständige 16. Zivilsenat. Die identifizierende Berichterstattung sei hier unzulässig.

Eine den Beschuldigten identifizierende Berichterstattung über die Verfolgung einer Straftat beeinträchtige zwangsläufig sein Recht auf den Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes. Das Interesse des Klägers am Schutz seines Persönlichkeitsrechts überwiege hier auch die schutzwürdigen Interessen auf Meinungs- und Pressefreiheit.

Die Presse dürfe zwar nicht grundsätzlich auf anonymisierte Berichterstattung verwiesen werden. „Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen, gehört zu den legitimen Aufgaben der Medien“, erläuterte der für Presserecht zuständige 16. Zivilsenat. „Die Verletzung der Rechtsordnung begründet grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter“, vertiefte der Senat.

Die hier zu beurteilende Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten unterfalle dem Bereich der Verdachtsäußerungen. Deren Zulässigkeit erfordere u.a. vor der Veröffentlichung eine Konfrontation des Betroffenen mit dem konkreten Gegenstand der geplanten Berichterstattung, zu denen er Stellung nehmen können muss. Diese Anhörung fehle hier. Sie sei auch nicht ausnahmsweise verzichtbar gewesen. Selbst wenn damit zu rechnen gewesen wäre, dass der Angeklagte die Vorwürfe lediglich pauschal zurückweise, wäre eine Anhörung nicht entbehrlich. Der Betroffene solle grundsätzlich durch die Anhörung Gelegenheit erhalten, seinen Standpunkt zur geplanten Berichterstattung zum Ausdruck zu bringen. Der Standpunkt solle zudem in der Berichterstattung sichtbar werden. Dabei sei auch ein bloßes Dementi geeignet, einer Vorverurteilung zu begegnen.

Der Kläger könne auch verlangen, dass von ihm keine Bilder im Zusammenhang mit der Berichterstattung veröffentlicht werden. Auch hier seien die kollidierenden Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen. Zu Gunsten der Beklagten sei zwar zu berücksichtigen, dass das hier verwendete passbildähnliche Bild kontextneutral und nicht eigenständig verletzend sei. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass der Kläger keine in der Öffentlichkeit stehende Person sei. Zudem sei über den Verdacht der Begehung einer Straftat berichtet worden, ohne die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung zu wahren. Die Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht sei schließlich durch die Veröffentlichung von Bildnissen deutlich höher als bei bloßer Wortberichterstattung. Die visuelle Erkennbarkeit berge das Risiko einer nochmals verstärkten „Prangerwirkung“.

Die für ein Eilverfahren erforderliche Dringlichkeit habe der Kläger hier auch nicht durch sein Verhalten selbst widerlegt.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.