Das Landgericht Osnabrück hat mit Beschluss vom 18. April 2023 zum Aktenzeichen 18 Qs 13/23 den Beschluss des Amtsgerichts Lingen (Ems), mit dem der Erlass eines Strafbefehls abgelehnt worden war, aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Aus der Pressemitteilung des LG Osnabrück Nr. 15/23 vom 20.04.2023 ergibt sich:
„Hate speech“ ist nicht nur in sozialen Medien zu einem Problem geworden. Immer häufiger werden Politikerinnen und Politiker auch im direkten Gespräch verbal attackiert. So auch ein Regionalpolitiker aus dem Emsland, dem gegenüber der Anrufer am Ende eines Telefonats, in dem er sich zunächst über die aktuelle politische Lage beschwert haben soll, geäußert haben soll „Ich hoffe, wir kriegen einen richtig heißen Herbst, und Sie werden alle brennen“.
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück beantragte daraufhin den Erlass eines Strafbefehls wegen Bedrohung mit einer Sanktion von 60 Tagessätzen zu je EUR 20,00, den das Amtsgericht Lingen (Ems) mit der Begründung ablehnte, ein hinreichender Tatverdacht einer Straftat sei nicht gegeben. Das Wort „Brennen“ sei metaphorisch zu verstehen. Gemeint sei, dass die Politik mit Druck zu rechnen habe. Im Übrigen habe der Anrufer kein zukünftiges Übel in Aussicht gestellt, auf dessen Eintritt er Einfluss habe oder zu haben vorgebe. Der Erlass des Strafbefehls wurde demnach aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Gegen die Ablehnung legte die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde ein, über die nun das Landgericht entschieden hat.
Die 18. Große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück hat die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Lingen (Ems) nicht geteilt. Zur Begründung hat die 18. Große Strafkammer ausgeführt, dass der Erlass eines Strafbefehls unter anderem nur dann nicht in Betracht komme, wenn aufgrund der Ermittlungen von vornherein feststehe, dass der überwiegend wahrscheinliche Tatvorgang nicht strafbar sei. Das Amtsgericht habe zu Unrecht der streitigen Äußerung den Charakter einer objektiv ernstzunehmenden Bedrohung abgesprochen. Die in Aussicht gestellte Handlung brauche der Täter nicht wirklich planen und dazu auch nicht in der Lage sein. Ausreichend sei, wenn nach seiner Vorstellung bei dem Bedrohten, und zwar aus Sicht eines objektiven Betrachters, der Eindruck der Ernstlichkeit vermittelt werde. Die von dem Angeschuldigten getätigte Äußerung vermittele nicht nur dessen Unzufriedenheit mit der Politik, sondern sanktioniere diese mit seiner Erwartung, dass die politisch Handelnden persönlich von Unzufriedenen zur Verantwortung gezogen werden. Nach Auffassung der Kammer habe insbesondere die Drohung „Sie werden alle brennen“ aus Sicht eines objektiven Betrachters nicht nur metaphorischen Charakter, sondern lasse in nicht unerheblichem Maße erwarten, dass von dem Angeschuldigten zumindest unterstützte Brandanschläge auf politische Einrichtungen oder Mandatsträger die Quittung für eine aus Sicht des Angeschuldigten verfehlte Politik sein sollen. Insbesondere unter Berücksichtigung der zahlreichen Bedrohungen von Politikerinnen und Politikern in den letzten Monaten würden die Gesamtumstände durchaus den Eindruck der Ernstlichkeit der Äußerung vermitteln, so die 18. Große Strafkammer des Landgerichts.
Das Amtsgericht Lingen (Ems) hat nunmehr über den Antrag der Staatsanwaltschaft erneut zu entscheiden. Aufgrund der Entscheidungsfreiheit des Gerichts ist sie an die Rechtsauffassung der 18. Großen Strafkammer des Landgerichts Osnabrück nicht gebunden. Es kann den Strafbefehl erlassen oder aber eine Hauptverhandlung anberaumen, um über den Sachverhalt durch Urteil zu entscheiden.