Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz hat am 12.01.2021 zum Aktenzeichen 8 C 10362/20.OVG entschieden, dass der Bebauungsplan „Quartier Alte Brauerei“ der Stadt Zweibrücken, dessen Geltungsbereich das Betriebsgelände einer ehemaligen Brauerei sowie einen Teil einer angrenzenden, inzwischen gerodeten Waldfläche umfasst und hierfür vier „sonstige Sondergebiete“ mit der Zweckbestimmung „Seniorenwohnen, Hotel, Wohnen“ festsetzt, unwirksam ist.
Aus der Pressemitteilung des OVG RP Nr. 4/2021 vom 20.01.2021 ergibt sich:
Vor Einleitung des Planaufstellungsverfahrens erwarb ein Investor das Betriebsgelände der ehemaligen Brauerei sowie sich anschließender Freiflächen mit dem Ziel der Entwicklung eines städtebaulichen Projekts mit einem Nutzungsmix aus Seniorenwohnheim, betreutem und allgemeinem Wohnen, Hotel und ergänzenden Einzelhandels- und sonstigen Dienstleistungsangeboten. Der Zweibrücker Stadtrat beschloss Anfang 2019 die Aufstellung eines Bebauungsplans als Angebotsplan; der im September 2019 beschlossene Bebauungsplan „Quartier Alte Brauerei“ setzte die o.a. Sondergebiete fest.
Die Antragsteller sind Eigentümer eines außerhalb des Bebauungsplangebiets liegenden Grundstücks, das mit einem Wohnhaus bebaut ist und an die Parkstraße angrenzt, die ihrerseits an dem Plangebiet entlangführt. Sie stellten gegen den genannten Bebauungsplan einen Normenkontrollantrag mit dem Ziel, diesen für unwirksam zu erklären. Sie machten im Wesentlichen geltend, der Bebauungsplan treffe Festsetzungen, die unzulässig seien. Außerdem sei er abwägungsfehlerhaft ergangen, weil er weitgehend auf Regelungen verzichte mit der Folge, dass die erforderliche Konfliktbewältigung im Hinblick auf die Verkehrslärmproblematik nicht erfolgt sei.
Das OVG Koblenz hat dem Normenkontrollantrag stattgegeben und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verstößt der Bebauungsplan mit der Festsetzung von vier „sonstigen Sondergebieten“ mit der Zweckbestimmung „Seniorenwohnen, Hotel, Wohnen“ gegen § 11 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO), wonach als „sonstige Sondergebiete“ nur solche Gebiete festgesetzt werden dürften, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterschieden. Mit dieser Vorschrift solle sichergestellt werden, dass Sondergebietsfestsetzungen nicht zu einer Umgehung des grundsätzlichen Typenzwangs der Baunutzungsverordnung, der auch Ausfluss einer sachgerechten Inhaltsbestimmung des Eigentums sei, führten. Für den hier vorgesehenen „Nutzungsmix“ stünden Baugebietstypen nach den §§ 2 bis 10 BauNVO zur Verfügung; die in den festgesetzten Sondergebieten zugelassenen Nutzungsarten wären jedenfalls in einem Mischgebiet (§ 6 BauNVO) oder auch in einem urbanen Gebiet (§ 6a BauNVO) zulässig.
Ob der Bebauungsplan darüber hinaus auch an Abwägungsmängeln leide, könne danach im Ergebnis offenbleiben. Es bestünden allerdings Anhaltspunkte dafür, dass die dem angefochtenen Bebauungsplan zugrundeliegende Abwägung fehlerhaft sei. Zwar sei die Entscheidung der Antragsgegnerin für das Instrument eines sog. Angebotsplans grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden. Die Gemeinde sei, auch wenn sie mit dem Bebauungsplan das Vorhaben eines bestimmten Vorhabenträgers planungsrechtlich ermöglichen wolle, nicht gezwungen, einen sog. vorhabenbezogenen Bebauungsplan – mit einer Durchführungsverpflichtung des Vorhabenträgers und dem Gebot zur Aufhebung des Bebauungsplans bei Nichtdurchführung des Projekts – aufzustellen. Jedoch dürfe sich der Plangeber bei Ausnutzung dieser Planungsform und Freiheit nicht in konzeptionelle Widersprüche verstricken und sich selektiv einmal auf den offenen Angebotscharakter des Bebauungsplans, ein anderes Mal auf dessen Projektbezug berufen. Es spreche viel dafür, dass der vorliegende Bebauungsplan an einem solchen konzeptionellen Widerspruch leide, weil in der Planbegründung, im Umweltbericht und in der Abwägungstabelle wechselnd mal auf den Angebotscharakter, mal auf die Projektstudie des Investors abgestellt werde.