beA & die nicht eingebettete Schriftart – eine Rechtsprechungsübersicht

Das Hessisches LAG, führt im Beschluss vom 07.09.2020 – 18 Sa 485/20 aus:

Die Berufung und die Berufungsbegründung sind nicht innerhalb der in § 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG bestimmten Fristen formgerecht bei dem Hess. Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Fristen sind mit dem 15. Mai 2020 und dem 15. Juni 2020 abgelaufen. Sie gelten nicht rückwirkend nach § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO als gewahrt.

a)

Die als PDF-Dokument am 23. April 2020 übermittelte begründete Berufung war formatfehlerhaft. Sie genügte nicht den Anforderungen an ein elektronisches Dokument gemäß § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen (§ 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO) sind in der zum 01. Januar 2018 in Kraft getretenen Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) vom 14. November 2017 i.d.F. der Verordnung zur Änderung der ERVV vom 09. Februar 2018 geregelt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV ist das elektronische Dokument in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln. Die Durchsuchbarkeit bezieht sich auf eine texterkannte Form und dient der Weiterbearbeitung im Gericht. Die technischen Anforder- ungen an das zulässige Dateiformat ergeben sich aus der zu § 5 ERVV ergangenen Bekanntmachung (Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2019 – ERVB 2019) vom 20. Dezember 2018. Demnach müssen hinsichtlich der zulässigen Dateiversionen PDF alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte in der Datei enthalten sein (s. dazu: BAG Beschluss vom 12. März 2020 – 6 AZM 1/20 – NZA 2020, 607, Rz. 2).

Der Schriftsatz vom 23. April 2020 war formfehlerhaft, denn die für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte waren nicht vollständig in der Datei selbst enthalten.

Zu den für eine Darstellung notwendigen Inhalten zählen die Schriftarten, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 ERVV i.V.m. ERVB 2019, Nr. 1, Satz 1. Ist eine verwendete Schrift nicht eingebettet, werden Datenströme aus externen Quellen nachgeladen. Dies ist nach ERVB 2019, Nr. 1, Satz 2 nicht zulässig. Das Erfordernis, dass Schriften eingebettet sein müssen, stellt sicher, dass ein Schriftsatz sowohl bei dem Gericht als auch bei der einreichenden und bei der anderen Partei stets in gleicher Form vorliegt und dargestellt wird. Insbesondere wird dadurch auch sichergestellt, dass der Schriftsatz noch nach Jahren in gleicher Weise vorhanden und lesbar ist (vgl. Arbeitsgericht Lübeck Urteil vom 9. Juni 2020 – 3 Ca 2203/19 – NZA 2020, 970, Rz. 29).

Es ist ausgeschlossen, auf diese Anforderung nach Maßgabe des Justizgewährungsanspruchs (Art. 19 Abs. 4 GG) zu verzichten, solange dass das Dokument empfangende Gericht noch mit einer führenden Papierakte arbeitet und der zur Papierakte genommene Schriftsatz nach Ausdruck der auf dem Server des Gerichts eingegangenen Datei vollständig ist. Denn es nicht sichergestellt, dass nach Veränderung oder Verbesserung der Software- oder Hardwareausstattung die in der Datei nicht selbst eingebetteten Schriften bei einem künftigen elektronischen Lesen oder Ausdrucken eines Dokuments noch identisch dargestellt werden. Die dadurch bestehende Beschränkung des Zugangs zum Gerichts durch verfahrensrechtliche Vorgaben wird durch die Heilungsmöglichkeit nach § 46c Abs. 6 ArbGG bzw. § 130a Abs. 6 ZPO noch zumutbar ausgeglichen (vgl. Oltmanns/Fuhlrott, Die Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs: Unverhältnismäßige Einschränkung des Justizgewährungsanspruchs? NZA 2020, 897, 900 f.).

Die Beklagte argumentiert unter Bezugnahme auf den Beschluss des BAG vom 12. März 2020 (- 6 AZR 1/20 – NZA 2020, 607, Rz. 2), dass die Anforderungen an die Darstellung eines Dokuments sich nur auf die „notwendigen Inhalte“ eines solchen beziehen könnten. Dabei übersieht sie, dass sich der Begriff der „notwendigen Inhalte“ auf die technischen Anforderungen nach ERVB 2019, Nr. 1 Satz 1 bezieht und keine inhaltliche Differenzierung trifft zwischen dem notwendigen Inhalt eines Schriftsatzes und lediglich zusätzlichen, gestalterischen Elementen des Schriftstücks.

Für die Prüfung, ob ein eingereichtes Dokument nach § 2 Abs. 1 Satz 3 ERVV i.V.m. ERVB 2019, Nr. 1, Satz 1 nur eingebettete Schriften enthält, kann auch nicht zwischen dem als Schriftsatz i.S.d. §§ 129, 130 ZPO zu qualifizierenden Inhalt eines Dokuments und im Dokument enthaltenen „Beiwerk“ differenziert werden, welches für den Inhalt eines vorbereitenden oder bestimmenden Schriftsatzes nicht erforderlich wäre und wegfallen könnte.

Das Dokument geht als eine Datei (im PDF-Format) auf dem Server eines Gerichts ein. Die Kontrolle der verwendeten Schriften ist nur für die PDF-Datei als Ganzes möglich, nicht für Teile davon.

Versucht man diese Kontrollmöglichkeit zu erweitern, indem man Text aus dem PDF-Dokument kopiert und den Text zur möglichen Zuordnung der verwendeten Schriften des PDF-Dokuments in ein Word-Dokument einfügt, hilft dies nicht weiter. Es kommt, soweit feststellbar, zur Anzeige unterschiedlicher Schrifttypen, möglicherweise auch abhängig von einer Voreinstellung unter „Word“. So wurde konkret ein aus der Begründung der Berufung vom 23. April 2020 kopierter beliebiger Absatz bei Versuchen durch die Kammervorsitzende wiederholt in zwei Schriften dargestellt, nämlich im Text wechselnd von „Arial“ zu „Calibri“. Dies hat zu keiner Klärung geführt, da in dem Dokument vom 23. April 2020 eingebettete und nicht eingebettete „Arial“-Schriften verwendet wurden, nicht jedoch der Schrifttyp „Calibri“. Die Darstellung eines Absatzes in unterschiedlichen Schriften ist auch erfolgt, als zu Kontrollzwecken andere Textteile des Schriftsatzes kopiert wurden.

Zudem ist festzustellen, dass die Beklagte ihre Behauptung nicht belegt hat, nur die Kopf- und Fußzeilen des am 23. April 2020 übermittelten Dokuments seien in nicht eingebetteten Schriften dargestellt. Es dürfte zutreffen, dass häufiger Kanzleibriefköpfe und Signaturzeilen in nicht eingebetteten Schriften dargestellt werden (vgl. Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2020, 897, 899). Dies ließ sich jedoch in Bezug auf die Berufung mit Begründung vom 23. April 2020 nicht feststellen, worauf die Beklagte hingewiesen wurde.

b)

Da die begründete Berufung vom 23. April 2020 formal fehlerhaft eingegangen ist, hat nur die Möglichkeit der rückwirkenden Korrektur nach § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO bestanden. Sie war nicht obsolet.

Durch das am 29. Juni 2020 auf den Hinweis vom 25. Juni 2020 eingegangene Dokument konnte die Wahrung der Fristen für die Berufung und die Berufungsbegründung nicht fingieren. Der am 29. Juni 2020 erneut übermittelte Schriftsatz hat seinerseits nicht den Anforderungen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 ERVV i.V.m. ERVB 2019, Nr. 1, Satz 1 genügt. Er wurde in der nicht eingebetteten Schrift „Helvetica“ übermittelt. Darüber hinaus fehlte es an einer Glaubhaftmachung gemäß § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO.

Eine Glaubhaftmachung ist erst am 13. Juli 2020 übermittelt worden, also zwei Wochen später. Damit hat die Beklagte nicht mehr unverzüglich reagiert. Schließlich war auch die Glaubhaftmachung formatfehlerhaft, da auch dieses elektronische Dokument in der nicht eingebetteten Schrift „Helvetica“ übermittelt wurde.

 

Das OLG Koblenz hat mit Beschluss vom 09.11.2020 – 3 U 844/20 ausgeführt:

Die Berufung ist zulässig. Zwar entspricht die Berufungsbegründung des Klägers vom 30.07.2020 nicht vollständig den formellen Vorgaben gemäß § 520 Abs. 5, § 130a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. § 5 Nr. 1 ERVV sowie Nr. 1 ERVB 2019 (a), denn die Vorgaben in Nr. 1 ERVB 2019 sind, soweit sie im vorliegenden Verfahren entscheidungsrelevant sind, unwirksam, weil sie gegen die Mindestgültigkeit der Formatfreigaben in Nr. 1 ERVB 2018 verstoßen und zudem nicht von der Ermächtigungsgrundlage in § 5 Nr. 1 ERVV gedeckt sind (b).

Nach Nr. 1 ERVB 2019 müssen bei elektronischer Einreichung als PDF-Datei alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte (insbesondere Grafiken und Schriftarten) in der Datei selbst enthalten sein. Dies wird bei Dateien im PDF-Format dadurch gewährleistet, dass sämtliche verwendeten Schriftarten in die PDF-Datei eingebettet werden (vgl. Mardorf, jM 2020, 266, 267; jurisPK-ERV/Biallaß, § 5 ERVV Rn. 8).

Die in der Berufungsbegründung von den Prozessbevollmächtigten des Klägers verwendeten Schriftarten sind jedoch nur teilweise in die übermittelte Datei im Format PDF (Version 1.7) eingebettet, namentlich die Schriftarten Arial, Arial-MT, Calibri, Cambria, CambriaMath, MicrosoftYaHeiLight, MicrosoftYaHeiUiLight, SymbolMT und Verdana. Darüber hinaus verwenden die Prozessbevollmächtigten des Klägers in der Berufungsbegründung jedoch auch die Schriftart TimesNewRoman-PSMT in den Auszeichnungen Standard und Fett. Diese Schriftart ist entgegen der Vorgaben in Nr. 1 ERVB 2019 nicht in die Datei eingebettet.

Der Senat hält die Berufungsbegründung gleichwohl für formwirksam eingereicht. Zwar wird in der Rechtsprechung teilweise vertreten, dass ein Verstoß gegen das Gebot sämtliche verwendeten Schriftarten in die PDF-Datei einzubinden, das Verfahren nach § 130a 6 ZPO auslöse und mithin ggf. zur Formunwirksamkeit der elektronischen Einreichung führen könne (vgl. LAG Hessen, Beschluss vom 07.09.2020, 18 Sa 485/20, juris Rn. 30 ff.; ArbG Lübeck, Urteil vom 09.06.2020, 3 Ca 2203/19, juris Rn. 22 ff.). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung aber nicht an.

Es kann dabei offenbleiben, ob ein Verstoß gegen die gemäß § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO durch ERVV und ERVB bestimmten technischen Rahmenbedingungen stets zur „rechtlichen Nichtgeeignetheit“ für die gerichtliche Bearbeitung im Sinne des § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO führt (in diese Richtung neben LAG Hessen und ArbG Lübeck wohl auch das BAG, Beschluss vom 12.03.2020, 6 AZM 1/20, juris Rn. 2 ff.; Urteil vom 03.06.2020, 3 AZR 730/19, juris Rn. 28 f.) oder ob dies – wofür einiges spricht – mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes, wegen der der Zugang zu Gericht nicht durch unverhältnismäßige formelle Anforderungen erschwert werden darf, nur dann der Fall ist, wenn das eingereichte elektronische Dokument wegen der technischen Mängel tatsächlich nicht für die Bearbeitung durch das jeweilige Gericht geeignet ist (so: LG Mannheim, Urteil vom 04.09.2020, 1 S 29/20, juris Rn. 22 ff.).

Denn soweit Nr. 1 ERVB 2019 die in Nr. 1 lit. a) ERVB 2018 zugelassenen Dateiversionen des Formats PDF weitergehend einschränkt, lässt dies bereits die Mindestgültigkeit der Formatfreigaben in Nr. 1 ERVB 2018 bis zum 31.12.2020 außer Acht und ist daher wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 ERVV unbeachtlich (vgl. Mardorf, jM 2020, 266, 269).

Darüber hinaus erlaubt die Ermächtigungsgrundlage in § 5 Nr. 1 ERVV der Bundesregierung ohnehin lediglich die zugelassenen Versionen des Dateiformats PDF bekanntzumachen, nicht jedoch diese Versionen mit weitergehenden Anforderungen oder Einschränkungen zu versehen. Nr. 1 ERVB 2019 ist daher jedenfalls insoweit nichtig, als darin konkrete Anforderungen oder Einschränkungen bestimmt werden, die über die Definition bestimmter Versionen des Dateiformats PDF hinausgehen. Eine solche Einschränkung stellt die Vorgabe dar, sämtliche Schriftarten in die PDF-Datei einzubetten, da die zulässigen PDF-Versionen bis einschließlich PDF 2.0 – anders als die ebenfalls zugelassenen PDF/A und PDF/UA-Versionen – eine solche Anforderung nicht enthalten.

 

Das OLG Koblenz führt im Beschluss vom 23.11.2020 – 3 U 1442/20 aus:

Die Berufung ist zulässig. Dem steht weder entgegen, dass sowohl in der Berufungsschrift als auch in der Berufungsbegründung, die jeweils vom Kläger eingescannt und als elektronisches Dokument im Dateiformat PDF (Version 1.4) eingereicht wurden, die verwendeten Schriftarten nicht entsprechend § 519 Abs. 4 bzw. § 520 Abs. 5 ZPO jeweils i. V. m. § 130a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. § 5 Nr. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24.11.2017 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung -, im Folgenden: ERVV) sowie Nr. 1 der Bekanntmachung zu § 5 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung vom 20.12.2018 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2019 -, im Folgenden: ERVB 2019) in das Dokument eingebettet waren (a.) noch dass beide Dokumente bei Einreichung nicht durchsuchbar im Sinne des § 2 Abs. 1 ERVV gewesen sind (b.).

Durch die Regelungen in Nr. 1 ERVB 2019 werden für die Einreichung elektronischer Dokumente technische Vorgaben gemacht, durch die die gemäß § 5 Abs. 1 ERVV in Verbindung mit Nr. 1 der Bekanntmachung zu § 5 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung vom 19.12.2017 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2018 – ERVB 2018) zugelassenen Versionen des Dateiformats PDF mit weitergehenden Einschränkungen (insb. Einbettung sämtlicher verwendeter Schriftarten) versehen werden. Wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 09.11.2020, 3 U 844/20 (BeckRS 2020, 30105), dargelegt hat, ist dies weder von der Ermächtigungsgrundlage gemäß § 130a 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 ERVV gedeckt noch mit der von § 5 Abs. 2 ERVV verlangten Mindestgültigkeit technischer Bekanntmachungen vereinbar. Nr. 1 ERVB 2019 ist daher jedenfalls insoweit nicht anzuwenden, als darin für Einreichungen im Dateiformat PDF bis Version 2.0 vorgegeben wird, dass sämtliche verwendeten Schriftarten in die Datei eingebettet werden müssen. Diese Auffassung wird, soweit es sich – wie hier – um eingescannte Schriftsätze handelt, auch vom Arbeitsgericht Lübeck geteilt (vgl. NZA 2020, 970 Rn. 35).

Entspricht ein bestimmender Schriftsatz mangels Einbettung sämtlicher verwendeter Schriftarten nicht den Vorgaben in Nr. 1 ERVB 2019 führt dies daher unabhängig von § 130a Abs. 6 ZPO jedenfalls dann nicht zur Formunwirksamkeit, wenn dieser Schriftsatz im Übrigen den formellen Vorgaben des § 130a Abs. 2 ZPO i. V. m. der ERVV entspricht und auf einem nach § 130a Abs. 3 ZPO zugelassenen Weg ordnungsgemäß übermittelt wurde.

Ob die entgegen § 2 Abs. 1 ERVV fehlende Durchsuchbarkeit von elektronisch eingereichten bestimmenden Schriftsätzen stets dazu führt, dass diese elektronischen Dokumente als nicht zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet im Sinne des § 130a 2 Satz 1 ZPO – und damit vorbehaltlich einer Heilung nach § 130a Abs. 6 ZPO als unzulässig – anzusehen sind, ist umstritten:

Nach teilweise vertretener Auffassung in Rechtsprechung (BAG, NZA 2020, 607, 608 Rn. 7) und Literatur (Bacher, MDR 2019, 1,5; jurisPK-ERV/Biallaß, 1. Aufl. 2020, § 2 ERVV Rn. 19; Tiedemann, jurisPR-ArbR 20/2020 Anm. 6; Radke, jM 2020, 461; Socha, FamRZ 2020, 1017, 1018 f.) führt ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 ERVV stets dazu, dass ein Dokument nicht zur Bearbeitung durch jedes Gericht geeignet ist. Die ERVV konkretisiere gemäß § 130a 2 Satz 2 ZPO die Anforderungen an ein zur Bearbeitung geeignetes Dokument bundeseinheitlich für jedes Gericht. Wegen der Heilungsmöglichkeiten des § 130a Abs. 6 ZPO bestünden auch keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser Regelungen mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes.

Demgegenüber darf nach anderer Ansicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 22.10.2004, 1 BvR 894/04), wonach der Zugang zu den Gerichten durch Anforderungen des formellen Rechts nicht in unverhältnismäßiger Weise erschwert werden darf, nicht stets bei einem Verstoß gegen die Formvorgaben der ERVV von der Nichtgeeignetheit des Dokuments zur Bearbeitung durch das Gericht ausgegangen werden. Vielmehr bedürfe es einer Abwägung im Einzel-fall, bei der stets der Zweck der verletzten Regelung (vgl. jurisPK-ERV/H. Müller, 1. Aufl. 2020, § 130a ZPO, Rn. 41 ff.; jurisPK-ERV/Rieke, 1. Aufl. 2020, § 158 SGG Rn. 15; in diese Richtung auch Mardorf, jM 2020, 266, 269) und die Folge des Verstoßes für die Bearbeitbarkeit durch das jeweilige Gericht (vgl. LG Mannheim, Urteil vom 04.09.2020, 1 S 29/20, juris) zu berücksichtigen seien.

Der Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an. Zwar darf nicht außer Acht bleiben, dass die Regelungen der ERVV neben dem Individualrechtsschutz zugleich auch der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit dienen und deshalb einen einzelfallunabhängigen Geltungsanspruch erheben (vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2019, XII ZB 573/18, Rn. 20 zur Unzulässigkeit der Container-Signatur gemäß § 4 ERVV), dies bedeutet aber nicht zugleich, dass jeder Verstoß gegen die ERVV zur starren Rechtsfolge der (nach § 130a 6 ZPO heilbaren) Formunwirksamkeit führt. Denn § 130a Abs. 2 ZPO, den die ERVV näher ausgestaltet, soll lediglich gewährleisten, dass eingereichte elektronische Dokumente für das Gericht lesbar und bearbeitungsfähig sind (siehe BT-Drucks. 17/12634, Seite 25). Vor dem Hintergrund dieses Zwecks ist auch die Rechtsfolge eines Verstoßes zu bestimmen. Formunwirksamkeit tritt aus Sicht des Senats dann ein, wenn der Verstoß dazu führt, dass eine Bearbeitung durch das Gericht nicht möglich ist, z. B. weil sich die eingereichte Datei nicht öffnen bzw. der elektronischen Akte nicht hinzufügen lässt oder weil sie schadcodebelastet ist. Demgegenüber führen Verstöße gegen die ERVV dann nicht zur Formunwirksamkeit des Eingangs, wenn sie lediglich einen bestimmten Bearbeitungskomfort sicherstellen sollen, nicht aber der Lesbarkeit und Bearbeitbarkeit als solches entgegenstehen (jurisPK-ERV/H. Müller, 1. Aufl. 2020, § 130a ZPO, Rn. 43). Diese Differenzierung ergibt sich teilweise auch aus der ERVV selbst, die neben Muss-Vorschriften auch Soll-Bestimmungen enthält (z. B. § 2 Abs. 2 ERVV, § 3 ERVV). Dasselbe gilt nach Auffassung des Senats aber auch für Regelungen, die zwar nach dem Wortlaut der ERVV zwingend zu beachten sind, der Sache nach aber nicht die Lesbarkeit und/oder Bearbeitbarkeit durch das Gericht sicherstellen, sondern lediglich einen bestimmten Bearbeitungskomfort ermöglichen sollen.

Dies ist für das Kriterium der Durchsuchbarkeit in § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV der Fall. Hierfür spricht schon, dass der Verordnungsgeber selbst die Durchsuchbarkeit nicht für unverzichtbar erachtet, sondern sie nur fordert, soweit sie technisch möglich ist, was nach der Verordnungsbegründung z. B. dann nicht der Fall sein soll, wenn das Ausgangsdokument handschriftliche oder eingeschränkt lesbare Aufzeichnungen enthält (vgl. BR-Drucks. 645/17, Seite 12).

Auch aus dem Zweck der Regelung ergibt sich, dass es sich der Sache nach nicht um eine zwingende Anforderung, sondern lediglich um eine Komfortfunktion im Rahmen der Bearbeitung elektronischer Akten handelt. Durch die Einreichung durchsuchbarer Dokumente soll nämlich zum einen das maschinelle Vorlesen für blinde und sehbehinderte Personen und zum anderen die elektronische Weiterbearbeitung durch die Gerichte (insb. Volltextsuche) erleichtert werden (vgl. BR-Drucks. 645/17, Seite 12). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Möglichkeit des barrierefreien Zugangs und der Volltextsuche bei elektronischer Aktenführung nicht nur für Dokumente bestehen sollte, die nach § 130a ZPO elektronisch eingereicht wurden, sondern auch für durch das Gericht selbst erstellte elektronische Dokumente (§ 130b ZPO) sowie für Dokumente, die in Papierform eingereicht und durch das Gericht in die elektronische Form übertragen wurden (§ 298a Abs. 2 ZPO). Aus diesem Grund muss die Justiz ohnehin technische Lösungen vorhalten, die die Durchsuchbarkeit von Dokumenten herstellen (vgl. Insoweit auch § 298 Abs. 1a Satz 2 ZPO). Berücksichtigt man ergänzend, dass bei elektronischer Aktenführung ohnehin das Erfordernis besteht zur Vereinheitlichung und Qualitätssicherung nicht mit den auf verschiedenen Wegen eingegangenen „Originaldokumenten“ zu arbeiten, sondern mit sogenannten Repräsentatsdateien (siehe dazu ausführlich jurisPK-ERV/Gomm, 1. Aufl. 2020, Kapitel 7.1 Rn. 128 ff.; vgl. auch § 3 Abs. 3 BGAktFV), die in einem einheitlichen technischen Verfahren aufbereitet werden, das auch die Durchsuchbarkeit sicherstellt, besteht auch tatsächlich kein Erfordernis, die Durchsuchbarkeit elektronisch eingereichter Dokumente als zwingende Formvorschrift anzusehen. Denn die Durchführung des Verfahrens nach § 130a Abs. 6 ZPO würde auf dieser Grundlage einen bloßen Formalismus darstellen, durch den die Bearbeitbarkeit des Dokuments (bzw. des Repräsentats) nicht verändert wird. Es handelt sich bei der Vorgabe der Durchsuchbarkeit in § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV mithin lediglich um eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung nicht zur Unwirksamkeit des Eingangs führt.

Im Übrigen halten sowohl die Berufungsschrift als auch die Berufungsbegründung die Formvorgaben des § 130a ZPO ein, sodass die Berufung wirksam eingelegt und begründet wurde.

 

Das OLG Rostock hat mit Beschluss vom 02.12.2020 – 4 U 70/20 entschieden:

Der elektronische Eingang vom 20.08.2020 in Form einer pdf-Datei war formatfehlerhaft; er war damit unwirksam, weil er nicht den Anforderungen an ein elektronisches Dokument gemäß § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO genügte.

Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen im Sinne von § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO sind in der ERVV geregelt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV ist das elektronische Dokument in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat pdf zu übermitteln. Die Durchsuchbarkeit bezieht sich auf eine texterkannte Form und dient der Weiterbearbeitung im Gericht. Die technischen Anforderungen an das zulässige Dateiformat ergeben sich aus der zu § 5 ERVV ergangenen ERVBen; nach diesen müssen hinsichtlich der zulässigen Dateiversionen pdf alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte in der Datei enthalten sein.

Der elektronische Eingang vom 20.08.2020 war nach diesen Vorgaben formatfehlerhaft, denn die für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte waren nicht vollständig in der Datei selbst enthalten. Zu den für eine Darstellung notwendigen Inhalten zählen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 ERVV i. V. m. Nr. 1 Satz 1 ERVB 2019 die Schriftarten. Ist eine verwendete Schrift nicht eingebettet, werden Datenströme aus externen Quellen nachgeladen, weshalb bei Aufruf der hier behandelten Datei der Hinweis auf das Erfordernis des Downloads eines Schriftpakets als Add-On angezeigt wird; dies ist nach Nr. 1 Satz 2 ERVB 2019 nicht zulässig. Das Erfordernis, dass Schriften eingebettet sein müssen, stellt sicher, dass ein Schriftsatz sowohl bei dem Gericht als auch bei der einreichenden und bei der anderen Partei stets in gleicher Form vorliegt und dargestellt wird. Insbesondere wird dadurch auch sichergestellt, dass der Schriftsatz noch nach Jahren in gleicher Weise vorhanden und lesbar ist. Es ist ausgeschlossen, auf diese Anforderung nach Maßgabe des Justizgewährungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 GG zu verzichten, solange das das Dokument empfangende Gericht noch mit einer führenden Papierakte arbeitet und der zur Papierakte genommene Schriftsatz nach Ausdruck der auf dem Server des Gerichts eingegangenen Datei vollständig ist. Denn es ist nicht sichergestellt, dass nach Veränderung oder Verbesserung der Software- oder Hardwareausstattung die in der Datei nicht selbst eingebetteten Schriften bei einem künftigen elektronischen Lesen oder Ausdrucken eines Dokuments noch identisch dargestellt werden. Die dadurch bestehende Beschränkung des Zugangs zum Gerichts durch verfahrensrechtliche Vorgaben wird durch die Heilungsmöglichkeit nach § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO zumutbar ausgeglichen (vgl. LAG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.09.2020, Az.: 18 Sa 485/20, – zitiert nach juris -, Rn. 30 ff. m. w. N.).

Allerdings greift hier diese letztgenannte rückwirkende Eingangsfiktion (vgl. Rauscher/Krüger-Fritsche, MüKo ZPO, 6. Aufl., 2020, § 130a Rn. 23) zu Gunsten der Beklagten ein, nach welcher das Dokument als zum Zeitpunkt der früheren (unwirksamen) Einreichung eingegangen gilt, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Einer Wiedereinsetzung bedarf es dann nicht, und auf ein Verschulden kommt es nicht an (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 130a Rn. 15 m. w. N.). Nach dem Regelungsgefüge des § 130a Abs. 6 ZPO ist das Ereignis, im Verhältnis zu welchem sich die Unverzüglichkeit der Reaktion des Absenders bemisst, der nach Satz 1 der Vorschrift seitens des Gerichts zu erteilende Hinweis auf die Unwirksamkeit des (ursprünglichen) Eingangs und die geltenden technischen Rahmenbedingungen.

Die Beklagte hat mit dem Telefax vom 02.09.2020 die Berufungsbegründung in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form bereits nachgereicht, bevor sie einen (ausreichenden) Hinweis auf die Unwirksamkeit des Einganges vom 20.08.2020 erhalten hatte. Zutreffend geht die Beklagte nämlich davon aus, dass die Mitteilung der Geschäftsstelle vom 26.08.2020 den insoweit zu stellenden Anforderungen nicht genügte, weil angesichts der Formulierung, die Nachricht könne „nicht geöffnet werden“, ein technisches Problem (nur) seitens der Justiz wohl in der Tat nicht auszuschließen war. Insbesondere kann eine Risikoverlagerung auf die Beklagte wegen des zitierten Hinweises aber deshalb nicht angenommen werden, weil die Ursache der Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der Datei am 26.08.2020 durch das Eingangsgericht selbst noch nicht ermittelt worden war und es an dem (eigenen) Schluss auf eine Unwirksamkeit des Einganges im rechtlichen Sinne fehlte. Damit die in § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO vorgesehene Mitteilung die beabsichtigte Möglichkeit einer (rückwirkenden) Rechtswahrung durch den Absender überhaupt effektiv erfüllen kann sowie unter dem Gesichtspunkt des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden allgemeinen Begründungserfordernisses, müsste sich ihr nicht zuletzt entnehmen lassen, warum eine Bearbeitung des eingereichten elektronischen Dokumentes durch das Gericht ausscheidet. Weitere Ausführungen des Gerichts gegenüber der Beklagten erfolgten erst mit der ihr am 23.09.2020 zugestellten Verfügung.

Im Weiteren hat die Beklagte die Übereinstimmung des elektronischen Einganges vom 20.08.2020 mit dem am 02.09.2020 nachgereichten Telefax ebenfalls unverzüglich glaubhaft gemacht. Obwohl sich § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO so lesen ließe, dass sich die Unverzüglichkeit nur auf die Nachreichung des Dokumentes in einer zur Bearbeitung geeigneten Form bezieht, ist davon auszugehen, dass sie ebenfalls für die Glaubhaftmachung der Identität der Dokumente gefordert ist (vgl. so auch LAG Hessen, a. a. O., Rn. 42). Dies folgt etwa aus einem Vergleich mit § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO; eine vergleichbare Formulierung zu der dortigen Einschränkung, dass die eine Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen bei der Antragstellung „oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen“ sind, enthält § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO nicht.

Die Beklagte hat mit der anwaltlichen Versicherung der Richtigkeit des Vortrages zu einer Übereinstimmung der am 20.08.2020 übermittelten Datei mit der am 02.09.2020 per Telefax nachgereichten Berufungsbegründung in ihrem am 08.10.2020 eingegangenen Schriftsatz unverzüglich auf die ihr am 23.09.2020 zugestellte Verfügung reagiert. Maßgeblich dafür ist die zweiwöchige Stellungnahmefrist, welche der Beklagten in letzterem Zusammenhang eingeräumt worden war. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, wie sich die Unverzüglichkeit ohne eine solche Fristsetzung beurteilte; da eine Überlegungsfrist in Fällen der hier erörterten Art nicht erforderlich erscheint, könnten dann eventuell schon mehr als zwei oder drei Tage zu lang sein (vgl. so etwa im Falle der Rüge eines entdeckten Mangels nach § 377 HGB Baumbach/Hopt-Baumbach, HGB, 39. Aufl., 2020, § 377 Rn. 35 m. w. N.). Es würde aber nicht den Grundsätzen eines fairen Verfahrens entsprechen, wenn das Gericht einer Partei eine bestimmte Frist zur Stellungnahme gewährt, anschließend deren (volle) Ausnutzung jedoch zu Lasten der Partei wertet, weil sie nicht schon – früher – vor dem Fristablauf reagiert habe. Abzustellen ist nach den Umständen des vorliegenden Falles im Übrigen nicht zwangsläufig auf das ganz korrekte Ende der für die Beklagte gesetzten Frist am 22.09.2020 um 24.00 Uhr; denn auch bei dessen Wahrung wäre eine Vorlage des Schriftsatzes gerichtsintern erst am folgenden Morgen nach Beginn der Dienstzeit erfolgt, sodass ein schuldhaftes Zögern der Beklagten sich nicht darauf stützen lässt, das ein Eingang (erst) am 08.10.2020 um 04:25 Uhr zu verzeichnen war.

Die anwaltliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu der Richtigkeit seines Vortrages hinsichtlich der Übereinstimmung des elektronischen Einganges vom 20.08.2020 mit dem am 02.09.2020 nachgereichten Telefax ist zum Zwecke der Glaubhaftmachung gemäß § 294 ZPO ausreichend, nachdem es keine konkreten Anhaltspunkte gibt, welche es ausschließen, den geschilderten Sachverhalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für zutreffend zu erachten (vgl. BGH, Beschluss vom 12.11.2014, Az.: XII ZB 289/14, – zitiert nach juris -, Rn. 14 m. w. N.).

 

Das LAG Baden-Württemberg führt im Urteil vom 04.03.2021 – 3 Sa 45/20 aus:

Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender nach § 130 a Abs. 6 Satz 1 ZPO unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt gem. § 130 a Abs. 6 Satz 2 ZPO als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Damit soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers einer Partei der „Zugang zu den Gerichten durch Anforderungen des formellen Rechts wie etwa Formatvorgaben nicht in unverhältnismäßiger Weise“ erschwert werden (BAG 12. März 2020 – 6 AZM 1/20 – NZA 2020, 607). Die Fehlermeldung über ein falsches Dateiformat muss unverzüglich zugehen, damit der Absender das Dokument ohne Zeitverzögerung auf ein zugelassenes Dateiformat umstellen kann (vgl. Bundestagsdrucksache 17/12634, 26 f. (37)).


Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Beklagte wurde mit gerichtlicher Verfügung vom 21. September 2020, die ihm am 23. September 2020 zuging, darauf hingewiesen, dass die elektronische Übermittlung der Berufungsschrift am 16. September 2020 nicht in einem zugelassenen Dateiformat erfolgte. Es wurde auf die technischen Zulässigkeitsvoraussetzungen und die Heilungsmöglichkeit des § 130 a Abs. 6 Satz 2 ZPO hingewiesen.


Der Beklagtenvertreter hat daraufhin noch am 23. September 2020 und somit unverzüglich im Sinne des § 130 a Abs. 6 ZPO (LAG Hessen 11. November 2020 – 14 Sa 982/20 – juris) die Berufungsschrift im Format PDF nachgereicht und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass die am 23. September 2020 als PDF-Datei nachgereichte Berufungsschrift mit der zuerst über beA am 16. September 2020 eingereichten Berufungsschrift übereinstimmt.

 

Das ArbG Kiel führt im Urteil vom 11.3.2021 – 6 Ca 1912 c/20 aus:

Gem. § 46c Abs. 2 S. 1 ArbGG muss ein elektronisches Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Eignung wird konkretisiert durch die auf Grundlage von § 46c Abs. 2 S. 2 ArbGG ergangene Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronische-Rechtsverkehr-Verordnung-ERVV vom 24. November 2017 (BGB L. I S. 3803) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der ERVV vom 9. Februar 2018 (BGB l. I S. 200), im Folgenden: „ERVV“. Gem. § 2 ERVV ist das elektronische Dokument u.a., soweit technisch möglich, in durchsuchbarer Form zu übermitteln.Die im PDF-A Format eingegangene Datei der Klagschrift ist jedoch auf der ersten Seite am rechten grau unterlegten Rand mit den Kanzleidaten nicht durchsuchbar. Es kann hier offenbleiben, ob eine Datei mit nicht durchsuchbarem Briefkopf § 2 Abs. 1 S. 1 ERVV entspricht.

Das Gericht hält § 46c Abs. 2 S. 1 ArbGG bzw. § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht lediglich für eine Ordnungsvorschrift. Ein Verstoß führt zur Unwirksamkeit des Eingangs (wie hier: BAG 12. März 2020 – 6 AZM 1/20 – Rn. 2 ff., juris; BAG 3. Juni 2020 – 3 ARZ 37/19 – 28 f., juris; LAG Hessen 7. September 2020 -18 SA 485/20 – 31 ff., juris; Arbeitsgericht Lübeck 9. Juni 2020 – 3 Ca 2203/19 – 22 ff., juris).

Hierfür spricht bereits der Wortlaut von § 46c Abs. 2 Satz1 ArbGG: Das Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein.

Soweit das Landgericht Mannheim (4. September 2020 – 1 S 29/20 – Rn. 22 ff., juris) dies mit Blick auf die Garantie des effektiven Rechtsschutzes auf den Fall einschränkt, wenn das eingereichte elektronische Dokument für das jeweilige Gericht tatsächlich nicht zur Bearbeitung geeignet ist, folgt dem das Gericht nicht. Es gilt gerade kein individueller für jedes Gericht unterschiedlicher Maßstab.

Dies ergibt sich bereits aus § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG. Es sind nicht die individuellen Gegebenheiten vor Ort, die die Bearbeitbarkeit bestimmen, sondern die Bundesregierung, die trotz regional völlig unterschiedlicher EDV-Konzepte und Digitalisierungsstände einheitlich durch Rechtsverordnung die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmt. Hinzu kommt, dass § 2 ERVV in Abs. 1 Satz 1 überhaupt keinen Spielraum lässt („ist, soweit technisch möglich, in durchsuchbarer Form zu übermitteln“).

Gegen einen individualisierten Maßstab spricht das in § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG konkretisierte Gebot der Rechtsklarheit. Die ERVV gilt insbesondere bereits zum jetzigen Zeitpunkt, obwohl die Gerichte aktuell bundesgesetzlich bislang noch keine Verpflichtung zur digitalen Akte trifft. Wird die Akte bei Gericht in Papierform geführt, so hätten sich die ERVV und § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG/§ 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO allein auf die Ausdruckbarkeit beschränken können. Der weitergehende Regelungsinhalt macht deutlich, dass § 2 ERVV durch § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG/§ 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO legitimiert und intendiert einen allgemeingültigen Standard für die Qualität der einzureichenden Schriftsatzdatei begründet.

Soweit mit dem Justizgewährungsanspruch argumentiert wird, begründet dieser nicht den Ausschluss formeller Anforderungen an die Qualität eines Schriftsatzes.

Das Unterschriftserfordernis unter analoge Schriftsätze ist ebenfalls eine zulässige und verfassungskonforme formelle Voraussetzung.

Das Erfordernis der Durchsuchbarkeit eines Schriftsatzes oder auch die Einbettung der Schriften in einem nicht gescannten Schriftsatz stellt nach nunmehr zweijähriger Erfahrung mit der elektronischen Akte und dem elektronischen Rechtsverkehr lediglich eine anfängliche Herausforderung für die Einreichenden dar. Mittlerweile sind weit mehr als 95 % aller eingehenden Schriftsätze formal ordnungsgemäß. In fast allen Fällen wird nach entsprechendem Hinweis ein etwaiger Formfehler unverzüglich korrigiert. Der Einwand von Natter in juris PK – ERV Band 2, § 46c Rn. 57, dass die Gerichte – insbesondere bei nur begrenzter Digitalisierung der Akte – die formelle Überprüfung des eingehenden Schriftsatzes nur mit unverhältnismäßigem Aufwand vornehmen können, ist zwar sehr gut nachvollziehbar, aber aus Sicht des Gerichts kein hinreichendes Argument, die Vorgaben des § 2 ERVV nicht anzuwenden. Dies mag ein gewichtiges Argument, und so versteht das Gericht die Auffassung von Natter, für die zukünftige Änderung der ERVV sein bzw. für die fortschreitende Digitalisierung der Gerichte.

Im Übrigen können die Formfehler über § 46c Abs. 6 ArbGG/§130a Abs. 6 ZPO noch folgenlos auf – gebotenen – Hinweis des Gerichts korrigiert werden.

Gleichwohl ist in jedem Fall bei allen formellen Voraussetzungen – wie hier die komplette Durchsuchbarkeit – bei der Auslegung auf Gesetz basierender Vorschriften stets eine Abwägung zwischen den formellen Voraussetzungen einerseits, die einen für alle geltenden Standard und damit Rechtssicherheit begründen, und der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes und eines fairen Verfahrens nach Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG andererseits vorzunehmen. Der Gesetzgeber darf zwar Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken. Solche Einschränkungen müssen aber mit den Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den Rechtsuchenden nicht unverhältnismäßig belasten. (BVerfG 22. Oktober 2004 – 1 BvR 894/04 – unter II.2.a) der Gründe, juris; vgl. auch: BVerfG 2. Dezember 1987 – 1 BvR 1291/85 – unter C I der Gründe, juris, LG Mannheim 4. September 2020 – 1 S 29/20 – Rn. 29, juris, Arbeitsgericht Lübeck 9. Juni 2020 – 3 Ca 2203/19 – 29, juris).

§ 2 ERVV unterscheidet in Bezug auf die Durchsuchbarkeit nicht zwischen wichtigen und weniger wichtigen Teilen des Schriftsatzes. Aus dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit wäre es vorzuziehen, wenn der gesamte Schriftsatz einschließlich des Briefkopfes durchsuchbar sein müsste. Die Zulässigkeit der Schriftsatzeinreichung würde dann nicht von Wertungen des Gerichts abhängig sein. Für die Parteien und für Gerichte in verschiedenen Instanzen wäre objektiv klar, ob der Schriftsatz durchsuchbar ist oder nicht.

Hiergegen spricht, dass der Briefkopf jedenfalls dann, wenn die Kanzleiadresse im Aktivrubrum in durchsuchbarer Form vorhanden ist, rechtlich völlig überflüssig ist. Die Angabe der Kontoverbindung oder der Sprechzeiten ist für die Zulässigkeit einer Klageerhebung erkennbar ohne Belang. Dies gilt, anders als bei der Frage der Bearbeitbarkeit, für alle Gerichte unabhängig vom Digitalisierungsgrad.

Im Übrigen dürfte es ohnehin immer einen Restanteil von Wertungen geben, da die Briefbögen oft den Namenszug der Kanzlei in lesbarer, aber grafisch-künstlerischer Weise umgestalteter Form enthalten. Diese Anteile sind ohnehin nicht durchsuchbar, da sie digital als Bild dargestellt werden.

Insofern spricht aus Gründen des Übermaßverbots viel dafür, den nicht durchsuchbaren Briefkopf in Gänze als Grafik ohne zu lesenden bzw. zu durchsuchenden Inhalt zu behandeln. Dies hätte allerdings jedenfalls für bestimmende Schriftsätze zur Folge, dass im zu lesenden Teil des Schriftsatzes das volle eigene Rubrum in Bezug auf den Prozessvertreter erforderlich wäre, was vorliegend der Fall war.