Das Bundessozialgericht hat am 19.03.2020 zum Aktenzeichen B 1 KR 20/19 R entschieden, dass eine fehlende ordnungsgemäße Aufklärung eines Patienten über Chancen und Risiken einer möglichen Behandlung auch Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegen die Krankenkasse des Versicherten haben kann.
Aus der Pressemitteilung des BSG Nr. 6/2020 vom 16.04.2020 ergibt sich:
Die Beteiligten, ein Hamburger Krankenhaus und die beklagte Krankenkasse, streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. In dem Vergütungsstreit blieb offen, ob eine ordnungsgemäße Aufklärung des Versicherten stattgefunden hatte. Der damals 60-jährige Versicherte war an einem Mantelzelllymphom, einer Form des Lymphdrüsenkrebses, erkrankt. Nach mehr als einjährigem Stillstand der Krankheit wurden ihm Stammzellen eines Fremdspenders (allogene Stammzelltransplantation) übertragen. Der Versicherte starb rund einen Monat nach Durchführung der Behandlung an den Folgen einer Sepsis mit Multiorganversagen.
Das Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 45.351,04 Euro nebst Zinsen verurteilt und das Landessozialgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Das BSG hat das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Nach Auffassung des BSG sind Patienten schon aus Haftungsgründen über Chancen und Risiken einer möglichen Behandlung ordnungsgemäß aufzuklären. Eine ordnungsgemäße Aufklärung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung diene aber auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Denn im Sachleistungssystem entscheide letztlich der Versicherte, ob er die ihm ärztlich angebotene, medizinisch notwendige Leistung abrufe. Fehle die ordnungsgemäße Aufklärung, könne das Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegen die Krankenkasse des Versicherten haben. Das BSG hat damit seine bisherige Rechtsprechung fortentwickelt (BSG, Urt. v. 08.10.2019 – B 1 KR 3/19 R). Eine ordnungsgemäße Aufklärung sei danach kein bloßer Formalismus. Zwar könne bei Routinebehandlungen im Sinne einer widerlegbaren Vermutung davon ausgegangen werden, dass die Aufklärung ordnungsgemäß stattgefunden habe und Versicherte ihre Entscheidung für die Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen auf der Grundlage von ausreichenden Informationen getroffen haben. Das gelte jedoch nicht, wenn mit der Behandlung ein hohes Risiko schwerwiegender Schäden, insbesondere ein hohes Mortalitätsrisiko verbunden sei. In diesen Situationen sei regelmäßig nicht auszuschließen, dass Versicherte bei ordnungsgemäßer Aufklärung von dem Eingriff Abstand genommen hätten. Dies gelte in besonderem Maße, wenn es sich bei der beabsichtigten Behandlung um einen noch nicht dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechenden Therapieansatz handelt. Versicherte müssten wissen, auf was sie sich einlassen, um abwägen zu können, ob sie die Risiken einer solchen Behandlung um deren Erfolgsaussichten willen eingehen wollen.
Das BSG könne aufgrund der vom Landessozialgericht festgestellten Tatsachen nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch in Höhe von 45.351,04 Euro nebst Zinsen gegen die Beklagte zusteht. Das Landessozialgericht müsse nun prüfen, ob der Versicherte, über Chancen und Risiken der bei ihm – nach mehr als einjährigem Stillstand der Krankheit – durchgeführten Übertragung der Stammzellen eines Fremdspenders ordnungsgemäß aufgeklärt worden war.