Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 01.03.2022 zum Aktenzeichen 5 A 1575/21 die Klage eines montenegrinischen Staatsangehörigen gegen seine Ausweisung bzw. das Verbot einer Wiedereinreise zur medizinischen Behandlung in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) abgewiesen.
Aus der Pressemitteilung des VG Hannover vom 07.03.2022 ergibt sich:
Der Kläger hielt sich im Frühjahr 2020 in Begleitung seiner Ehegattin zur medizinischen Behandlung multipler Schussverletzungen in Hannover auf. Die niedersächsische Polizei überwachte den Klinikaufenthalt. Sie ging davon aus, dass der Kläger die Verletzungen im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden kriminellen Vereinigungen erlitten hatte und schrieb ihm nach Auswertung der polizeilichen Erkenntnislage die Mitgliedschaft in einem der beteiligten Clans zu.
Die beklagte Landeshauptstadt Hannover wies den Kläger daraufhin aus, drohte ihm die Abschiebung an und verfügte ein auf fünf Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot. Zur Begründung führte sie an, dass sich durch den Aufenthalt des Klägers die gewaltsame Clan-Auseinandersetzung in die Bundesrepublik verlagern könnte. Es bestünde die konkrete Gefahr weiterer Angriffe auf den Kläger, durch die auch unbeteiligte Dritte gefährdet werden könnten.
Der Kläger reiste am 21. Februar 2020 aus der Bundesrepublik aus. Sein gegen diese Entscheidung gerichteter Eilantrag (Az. 19 B 2910/20; Pressemitteilung vom 1. Juli 2020 ) und Abänderungsantrag (Az. 5 B 1817/21; Pressemitteilung vom 30. März 2020 ) blieben auch vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht erfolglos (Az. 8 ME 68/20 und 8 ME 63/21).
Im Einvernehmen mit den Beteiligten entschied die Kammer ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Sie hielt an ihrer Einschätzung fest, dass die offengelegten Erkenntnisse und Begleitumstände eine hohe Wahrscheinlichkeit begründeten, dass der Kläger einem der verfeindeten Clans angehört oder ihm die Mitgliedschaft zumindest von Angehörigen eines verfeindeten Clans zugeschrieben wird.
Der Kläger sei das Ziel eines Mordversuchs gewesen, der in seiner konkreten Planung und Durchführung für eine Auseinandersetzung zwischen kriminellen Vereinigungen typisch sei und eine Verwechslung des Opfers ausschließe. Die behauptete Verwechslung sei nicht plausibel, weil der Kläger gleichzeitig geltend mache, dass er aus Neid auf seinen Wohlstand angegriffen worden sei. Der Kläger habe zu einer weiteren Aufklärung der Hintergründe der gegen ihn gerichteten Tat nicht beigetragen. Die ärztlichen Berichte würden die Notwendigkeit einer Behandlung ausgerechnet in der MHH und durch den vormals operierenden Arzt nicht aufzeigen. Außerdem haben weder die MHH noch der Arzt ihre Bereitschaft zu einer weiteren Behandlung ausdrücklich bekundet. Vielmehr ist der Arzt mittlerweile im Ruhestand und hat in einer Erklärung gegenüber dem Gericht geäußert, dass er die Operation deshalb nicht mehr durchführen könne.
Dem öffentlichen Interesse daran dem Kläger die Wiedereinreise zu verwehren stehe kein gleichwertiges Bleibeinteresse des Klägers gegenüber. Der Kläger sei nur für die ärztliche Behandlung in das Bundesgebiet eingereist und in der Bundesrepublik nicht verwurzelt. Die ärztliche Behandlung begründe zudem kein (dauerhaftes) Bleibeinteresse, sondern nur ein vorübergehendes Interesse am zweckgebundenen Aufenthalt im Bundesgebiet (Betretensinteresse). Auch dieses vorübergehende Interesse trete gegenüber dem Ausweisungsinteresse zurück. Der Kläger habe offensichtlich die Mittel und das Netzwerk, eine sachgerechte Behandlung in einem Land außerhalb des Schengen-Raumes zu organisieren. Weitere Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden unterlägen einer Sperrerklärung des Niedersächsischen Innenministeriums, seien aber nicht entscheidungserheblich.
Die Klage der Ehegattin gegen ihre Ausweisung wies das Gericht als unzulässig ab, nachdem bereits die Beklagte den Bescheid während des Verfahrens aufgehoben hat.