Ausstellung einer Europäischen Ermittlungsanordnung durch Finanzamt

02. September 2021 -

Der Europäische Gerichtshof hat am 02.09.2021 zum Aktenzeichen C-66/20 entschieden, ob eine Europäische Ermittlungsanordnung zwingend eine gerichtliche Entscheidung sein muss und zwar in dem Sinne, dass sie entweder von einer Justizbehörde erlassen oder von einer Verwaltungsbehörde erlassen und von einer Justizbehörde validiert sein muss.

Aus der Pressemitteilung des EuGH vom 02.09.2021 ergibt sich:

Das Finanzamt Münster hat der Staatsanwaltschaft Trient (Italien) eine Europäische Ermittlungsanordnung übermittelt, mit der es in einem Ermittlungsverfahren wegen Einkommensteuerhinterziehung um Durchsuchung von Geschäftsräumen ersucht. Das Finanzamt ist der Ansicht, dass es die Europäische Ermittlungsanordnung selbst ausstellen durfte, ohne dass sie durch die Staatsanwaltschaft oder ein Gericht validiert werden müsste. Nach deutschem Recht nehme das Finanzamt in dem Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung nämlich die Rechte und Pflichten einer Staatsanwaltschaft wahr und handele somit selbst als justizielle Behörde im Sinne der Richtlinie 2014/41 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen. Die Staatsanwaltschaft Trient hat Zweifel, ob ein Mitgliedstaat tatsächlich eine Verwaltungsbehörde wie ein Finanzamt von der Pflicht befreien kann, eine Europäische Ermittlungsanordnung validieren zu lassen, indem er sie selbst als justizielle Behörde im Sinne der Richtlinie einstuft. Sie hat daher den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie ersucht. Da in Italien die Anerkennung Europäischer Ermittlungsanordnungen allein Sache der Staatsanwaltschaft ist, ohne Beteiligung eines Gerichts, sieht sie sich als berechtigt an, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof zu richten.

Generalanwalt Sánchez-Bordona hat in seinen Schlussanträgen vom 11.03.2021 die Ansicht vertreten, dass eine von einer Steuerbehörde ausgestellte Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen der Validierung durch ein Gericht oder einen Staatsanwalt bedürfe.

Der EuGH hat das Vorabentscheidungsersuchen der Staatsanwaltschaft Trient für unzulässig erklärt, da diese, wenn sie als Vollstreckungsbehörde einer Europäischen Ermittlungsanordnung tätig werde, keinen Rechtsstreit zu entscheiden habe und folglich nicht als eine Rechtsprechungsfunktion ausübend angesehen werden könne.

Die von der Staatsanwaltschaft Trient vorgelegte Frage, die dahin geht, ob ein Finanzamt, das in Bezug auf bestimmte Straftaten die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahrnimmt, eine Europäische Ermittlungsanordnung erlassen kann, ohne sie validieren zu lassen, bleibt somit unbeantwortet.