Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 02.09.2020 zum Aktenzeichen 4 U 46/19 entschieden, dass die außerordentliche Kündigung des Dienstvertrages des ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) unwirksam war.
Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt Nr. 66/2020 vom 02.09.2020 ergibt sich:
Es fehle sowohl an einer rechtzeitig von dem hierfür zuständigen Hauptvorstand ausgesprochenen Kündigungserklärung als auch an einem wichtigen Grund für die Kündigung, so das Oberlandesgericht.
Der Kläger war stellvertretender Bundesvorsitzender der beklagten GDL. Er begehrte u.a. Vergütung für die Jahre 2013-2017. Der Kläger war seit 2008 bei der Beklagten tätig und im Mai 2012 zum weiteren stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Beklagten gewählt worden. Zugleich beschloss der Hauptvorstand der Beklagten den Abschluss von Dienstverhältnissen vom 01.06.2012 bis 31.12.2017 für den geschäftsführenden Vorstand. Vergleichbar etwa einem Geschäftsführer einer GmbH bestand für den Kläger damit zum einen eine Amtsbeziehung zur Beklagten und zum anderen ein Dienstvertrag.
Nachfolgend kam es innerhalb des geschäftsführenden Vorstands zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundesvorsitzenden und dem Kläger sowie dem weiteren stellvertretenden Bundesvorsitzenden. Hintergrund war u.a. ein Antrag des weiteren stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf Darlehensgewährung, den der Kläger – anders als der Bundesvorsitzende – unterstützte. In der außerordentlichen Hauptvorstandsitzung im April 2013 wurden der Kläger sowie das weitere stellvertretende Vorstandsmitglied ihres Amtes enthoben. Über das Dienstverhältnis erfolgte keine Beschlussfassung.
Nachfolgend wurde dem Kläger durch den Bundesvorsitzenden mitgeteilt, dass sein Dienstverhältnis infolge der Amtsenthebung ende. Vorsorglich wurde das Dienstverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt.
Der Kläger begehrte mit der Klage u.a. seine Bruttovergütung für die Zeit Juli 2013 bis Dezember 2017 abzüglich erhaltener Sozialleistungen und anderweitig erzielten Verdienstes.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.
Das OLG Frankfurt hat der hiergegen gerichteten Berufung zu einem großen Teil stattgegeben. Die Beklagte wurde zur Zahlung von knapp 170.000 Euro verurteilt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stehen dem Kläger die geltend gemachten Vergütungsansprüche aufgrund des geschlossenen Dienstvertrages zu. Dieser Dienstvertrag endete nicht mit der Amtsenthebung im April 2013. Die Dienstverträge der Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands der Beklagten seien nicht an den Fortbestand des Wahlamtes gebunden gewesen. Es liege keine „Zweckbefristung“ vor.
Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung habe das Dienstverhältnis ebenfalls nicht beendet. Die Erklärung sei unwirksam, weil sie nicht von dem hierfür nach der Satzung der Gewerkschaft zuständigen Hauptvorstand ausgesprochen worden sei. Es liege zudem kein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vor. Auch unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten stelle der Umstand, dass der Kläger den Antrag des stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf Darlehensgewährung in die Sitzung des geschäftsführenden Vorstands eingebracht und unterstützt habe, keinen wichtigen Grund dar. Die Vorlage des Darlehensantrages sei entgegen der Ansicht der Beklagten insbesondere nicht auf eine strafrechtliche Untreue oder Beihilfe zum Betrug gerichtet gewesen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Abschluss eines Darlehensvertrages zu einem Vermögensnachteil oder einer -gefährdung der Beklagten geführt hätte. Der Antrag habe vielmehr eine drohende Insolvenz des stellvertretenden Bundesvorsitzenden gerade abwenden sollen.
Das Verhalten des Klägers sei auch nicht unter Compliance-Aspekten geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere habe es nicht auf die Gewährung einer Sondervergünstigung eines Mitglieds der Leitungsebene abgezielt. Die Einbringung des Kreditantrags habe für die Beklagte unter gewerkschaftspolitischen Aspekten zwar problematisch erscheinen können, bilde aber unter Abwägung der Interessen beider Parteien keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung.
Für eine ordentliche Kündigung sei im Hinblick auf die Fünfjahresbefristung kein Raum.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision vor dem BGH begehren.