Versicherte, die auf eine außerklinische Intensivpflege angewiesen sind, sollen künftig besser versorgt werden.
Aus der Pressemitteilung des G-BA vom 19.11.2021 ergibt sich:
Entsprechend seines gesetzlichen Auftrags hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in einer neuen Richtlinie festgelegt, wie dies erreicht werden soll. Der G-BA listet in seiner Richtlinie zur außerklinischen Intensivpflege (AKI-RL) eine Auswahl von Therapieleistungen auf, die verordnet werden können, konkretisiert, welche Voraussetzungen dabei gelten und wie die Zusammenarbeit der verschiedenen betreuenden Berufsgruppen koordiniert werden soll. Eine wesentliche Neuerung im Vergleich zum bisherigen Leistungsanspruch besteht darin, dass bei beatmungspflichtig eingestuften Patientinnen und Patienten sehr frühzeitig und regelmäßig überprüft wird, ob eine Entwöhnung von der Beatmung in Frage kommt. Vier Jahre nach dem Inkrafttreten evaluiert der G-BA, wie die Richtlinie umgesetzt wird und wie sie sich auf die Versorgung auswirkt.
Dazu Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA: „Derzeit befinden sich in Deutschland viele tausend Menschen in außerklinischer Intensivpflege, d. h. sie werden außerhalb von Krankenhäusern betreut, und die meisten davon werden beatmet. Allein für 2019 weisen Statistiken der Krankenkassen über 22 000 Fälle aus. Der Gesetzgeber zielte mit seinen neuen Regelungen richtigerweise darauf ab, die professionelle Versorgung zu stärken und damit fragwürdige und unethische Geschäftspraktiken mit sogenannten Beatmungs-WGs zu unterbinden. In diesen WGs ging es oft nicht um eine gute und fachlich qualifizierte Versorgung schwerstkranker Menschen, sondern um Profitmaximierung, denn eine Beatmung bringt einer Einrichtung sehr viel Geld. Der G-BA hätte sich deshalb gewünscht, in seiner Richtlinie auch qualitätssichernde Vorgaben zu pflegerischen, technischen und baulichen Anforderungen an die neuen sogenannten Wohneinheiten machen zu können, in denen beatmungspflichtige Patientinnen und Patienten betreut werden. Diese Regelungskompetenz haben wir auch im Gesetzgebungsverfahren gefordert, der Gesetzgeber hat aber diesem Wunsch nicht entsprochen. Diese Anforderungen sollen künftig über Rahmenempfehlungen festgeschrieben und in Verträgen verankert werden. Qualitätsanforderungen für betreuende Ärztinnen und Ärzte durfte der G-BA jedoch sehr wohl regeln. Mit dieser Widersprüchlichkeit zwischen dem Auftrag, bedarfsgerechte Regeln zu definieren, und dem engen zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum musste der G-BA umgehen. Ob die Umsetzung gelungen ist, werden wir überprüfen: Sollte sich bei der Evaluation zeigen, dass es Nachbesserungsbedarf gibt, setzen wir uns damit auseinander.“
Hecken weiter: „Gesetzlich neu festgelegt ist auch, dass der Medizinische Dienst mindestens einmal im Jahr die Versorgung in der Umgebung überprüft, in der die Patienten versorgt werden. Einerseits soll dies eine gute Betreuung sicherstellen, andererseits löst es aber bei vielen Betroffenen und ihren Familien, die bereits eine sehr gut funktionierende Versorgung erleben, Ängste aus, nicht mehr selbst ihr Lebensumfeld bestimmen zu können. Hier sollte der Gesetzgeber genau beobachten, ob er mit seinen strikten Vorgaben, die der G-BA zu beachten hatte, nicht ungewollt Hürden für eine funktionierende und gute Versorgung in der Häuslichkeit aufgebaut hat. Er müsste dann gegebenenfalls auch aktiv werden und das Gesetz ändern. Im Zuge der von uns beschlossenen sehr kurzfristigen Evaluation haben wir auch für den Gesetzgeber die Chance geschaffen, eventuelle Fehlentwicklungen und Beeinträchtigungen selbstbestimmter Lebensführung, die niemand möchte, schnell zu erkennen.“
Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Veranlasste Leistungen: „Der G-BA stand vor einer eigentlich unmöglich zu lösenden Aufgabe: Er sollte in einem extrem knapp bemessenen Zeitrahmen den neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege regeln, differenziert und bedarfsgerecht für eine sehr heterogene Patientengruppe. Denn so vielfältig wie die Patientengruppe selbst ist auch ihre Lebens- und Betreuungssituation. Es gibt beatmungspflichtige Patientinnen und Patienten, die in ihrer Selbstständigkeit stark eingeschränkt sind; andere wiederum nicht. Es gibt Kinder und Jugendliche mit angeborenen oder fortschreitenden Erkrankungen, die mit Unterstützung ihrer Angehörigen ein selbstbestimmtes Leben führen. Es gibt Erwachsene, die beispielsweise nach einem Unfall oder Schlaganfall voraussichtlich nur kurzzeitig Leistungen der außerklinischen Intensivpflege brauchen. Und es gibt Menschen, die aufgrund ihrer Grunderkrankung regelmäßig in lebensbedrohliche Krisen kommen. Im bewusst sehr breit angelegten Stellungnahmeverfahren zur neuen Richtlinie haben wir sehr wichtige Hinweise zu diesen unterschiedlichen Bedarfen und den damit zu verbindenden Reglungen bekommen. So hat der G-BA nun beispielsweise vorgegeben, dass das Entwöhnungspotenzial nicht vorrangig in Kliniken, sondern dort erhoben wird, wo die Patientinnen und Patienten versorgt werden. Ist dies nicht möglich, weil dafür zum Beispiel vor Ort qualifizierte Ärztinnen und Ärzte fehlen, und ist auch ein Transport zu Spezialisten den Betroffenen nicht zuzumuten, kann eine telemedizinische Einschätzung erfolgen. Ich bin sicher, damit haben wir für alle Seiten eine gute Lösung gefunden.“
Hintergrund – Auftrag des Gesetzgebers zur Regelung der außerklinischen Intensivpflege
Mit dem Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-IPReG) überführte der Gesetzgeber die bisherigen Regelungen zum ambulanten intensivpflegerischen Versorgungsbedarf in einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege (§ 37c SGB V). Ziel ist es, die individuelle bedarfsgerechte Versorgung zu stärken. Zudem soll besser gegen kriminelle Geschäftspraktiken im Bereich der außerklinischen Intensivpflege vorgegangen werden können.
Auf der Basis von neuen Verträgen zwischen dem GKV-Spitzenverband und Leistungserbringern soll die bisherige Versorgungslandschaft der außerklinischen Intensivpflege neugestaltet und sektorenübergreifende Versorgungspfade eröffnet werden (gemäß § 132l Absatz 5 SGB V). Die bisherigen Verträge nach § 132a Absatz 4 SGB V gelten bis zu ihrer entsprechenden Ablösung fort, längstens jedoch für zwölf Monate nach Vereinbarung der Rahmenempfehlungen nach § 132l Absatz 1 SGB V.