Der Europäische Gerichtshof hat am 31.03.2022 zum Aktenzeichen C-96/21 entschieden, dass beim Online-Kauf von Eintrittskarten für Kultur- oder Sportveranstaltungen über einen Vermittler kein Widerrufsrecht besteht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter der betreffenden Freizeitbetätigung treffen würde.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 56/2022 vom 31.03.2022 ergibt sich:
Ein Konzert, das am 24. März 2020 in Braunschweig (Deutschland) stattfinden sollte, wurde wegen Einschränkungen, die die deutschen Behörden im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erlassen hatten, abgesagt. Ein Verbraucher, der für dieses Konzert über die Ticketsystemdienstleisterin CTS Eventim online Eintrittskarten gekauft hatte, war mit einem Gutschein über den Kaufpreis der Eintrittskarten, den der Konzertveranstalter ausgestellt hatte, nicht zufriedengestellt und forderte von CTS Eventim die Rückzahlung des Kaufpreises sowie der zusätzlichen Kosten. Das von dem Verbraucher angerufene AG Bremen stellte sich die Frage, ob der Verbraucher seinen Vertrag mit CTS Eventim gemäß der Verbraucherschutzrichtlinie1 widerrufen durfte.
Nach der Richtlinie steht einem Verbraucher, der mit einem Unternehmer einen Fernabsatzvertrag geschlossen hat, grundsätzlich für einen bestimmten Zeitraum2 das Recht zu, den Vertrag ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Jedoch ist nach der Richtlinie ein Widerrufsrecht u.a. in dem Fall ausgeschlossen, dass eine Dienstleistung im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen erbracht wird und der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin vorsieht. Die Richtlinie verfolgt mit diesem Ausschluss das Ziel, Veranstalter von Freizeitbetätigungen wie Kultur- oder Sportveranstaltungen gegen das Risiko im Zusammenhang mit der Bereitstellung bestimmter verfügbarer Plätze, die sie im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts möglicherweise nicht mehr anderweitig vergeben können, zu schützen.
Angesichts dessen, dass CTS Eventim nicht selbst Veranstalterin des fraglichen Konzerts war, sondern die Eintrittskarten zwar auf Rechnung des Veranstalters, aber in eigenem Namen verkaufte, möchte das AG Bremen wissen, ob diese Ausnahme in einem solchen Fall greift.
Mit seinem Urteil vom 31.03.2022 hat der EuGH dies bejaht, sofern das wirtschaftliche Risiko der Ausübung des Widerrufsrechts den Veranstalter der betreffenden Freizeitbetätigung treffen würde.
1 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64).
2 Die Frist beträgt normalerweise 14 Tage, kann sich aber verlängern, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.