Das Bundesverwaltungsgericht hat am 13.10.2020 zum Aktenzeichen 2 C 41.18 entschieden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz einem Journalisten Auskunft aus einem abgeschlossenen Disziplinarverfahren erteilen muss.
Aus der Pressemitteilung des BVerwG Nr. 58/2020 vom 13.10.2020 ergibt sich:
Der Kläger, ein Journalist, beansprucht von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Auskunft zu einem abgeschlossenen Disziplinarverfahren, das gegen einen ehemaligen Referatsleiter beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) geführt wurde. Dem Beamten wurde vorgeworfen, nach Bekanntwerden der rechtsterroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) die Vernichtung von Akten angeordnet zu haben.
Das neun Punkte umfassende Auskunftsbegehren hatte vor dem Verwaltungsgericht zum überwiegenden Teil Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hatte das Oberverwaltungsgericht das Auskunftsbegehren teilweise zurückgewiesen.
Das BVerwG hat die Revision der Beklagten zum ganz überwiegenden Teil und die Anschlussrevision des Klägers vollständig zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BVerwG findet der Auskunftsanspruch des Klägers seine Rechtsgrundlage im Personalaktenrecht. Die danach gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBG erforderliche Interessenabwägung zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Beamten und dem Informationsinteresse der Presse falle zugunsten der Presse aus, soweit der Kläger die Fragen hinreichend konkret bezeichnet habe. Eine journalistische Relevanzprüfung finde dabei nicht statt; es sei Sache der Presse zu entscheiden, welche Informationen sie für erforderlich halte, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer Berichterstattung aufzubereiten. Dem Auskunftsanspruch stünden das disziplinarrechtliche Verwertungsverbot und die Pflicht zur Vernichtung der Disziplinarakte gemäß § 16 Abs. 1 und 3 BDG nicht entgegen. Sie führten nicht zu einem absoluten, abwägungsresistenten Schutzanspruch des betroffenen Beamten. Es sei nicht möglich, diesen sich durch Zeitablauf verdichtenden Schutzanspruch unter schematischer Übernahme solcher einfachrechtlichen Regelungen zu bestimmen. Die Fristen des Bundesdisziplinargesetzes seien jedoch ein bedeutsamer Faktor, der auf Seiten des Rechts der informationellen Selbstbestimmung zu Gunsten des betroffenen Beamten in die Interessenabwägung einzustellen sei.
Hier sei dem pressespezifischen Informationsinteresse angesichts der hohen Bedeutung der Aufarbeitung der Verbrechen des NSU für das Gemeinwesen ein derart überragend großes Gewicht beizumessen, dass auch unter Berücksichtigung des disziplinarrechtlichen Verwertungsverbots und der daraus folgenden Pflicht zur Vernichtung der Disziplinarakte eine andere Entscheidung als die Auskunftserteilung ausgeschlossen sei.