Das Landgericht Berlin hat am 29.04.2020 zum Aktenzeichen 64 S 95/19 entschieden, dass die Rückforderung einer unter Vorbehalt gezahlten überhöhten Miete nicht mehr als „eigenständige“ Inkassodienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes bewertet werden kann, wenn der Auftrag des Mieters an die für ihn handelnde Legal-Tech-Plattform darüber hinausgehend gelautet hat, für ihn die Mietpreisbremse durchzusetzen und die vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen.
Aus der Pressemitteilung des KG Nr. 29/2020 vom 29.04.2020 ergibt sich:
Zwar könne die Klägerin – eine als Inkassodienstleisterin zugelassene Legal-Tech-Plattform, die gewerblich u.a. die Rechte von Wohnraummietern aus den Vorschriften der sog. Mietpreisbremse (§§ 556d ff. BGB) geltend macht – aus dem an sie abgetretenen Recht des Mieters eine gegen die Vorschriften der Mietpreisbremse verstoßende und von dem Mieter an seine Vermieterin gezahlte überhöhte Miete zurückfordern. Da diese Tätigkeit hier jedoch als Mittel zum Zweck der Durchsetzung der Mietpreisbremse und nicht als „eigenständige“ Inkassotätigkeit im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) zu bewerten sei, könne die Klägerin dafür keine Vergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) beanspruchen und daher auch nicht von der Vermieterin einklagen, so das Landgericht.
Das AG Charlottenburg hatte eine u.a. auf Auskunft über vergangene Mieterhöhungen und Modernisierungen, auf Rückzahlung einer überhöhten Monatsmiete sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage gegen die Vermieterin abgewiesen.
Das LG Berlin hat auf die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin die Entscheidung des Amtsgerichts zu den geltend gemachten Auskunftsansprüchen bestätigt, aber der Klage auf Rückzahlung einer überhöhten Monatsmiete im Ergebnis stattgegeben.
Das Landgericht hat bereits in anderen Verfahren entschieden, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Mietpreisbremse einschließlich der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung wirksam sind und daher der überhöhte Teil der Monatsmiete zurückzuzahlen ist. Nach Auffassung des Landgerichts liegt die eigentliche Bedeutung dieses Urteils aber darin, dass der vom Mieter an die Legal-Tech-Plattform erteilte Auftrag zur Durchsetzung der Mietpreisbremse, auch wenn er die Rückforderung einer vom Mieter gezahlten überhöhten Monatsmiete umfasst, nicht mehr als „eigenständige“ Inkassodienstleistung im Sinne der aktuellen Fassung des RDG bewertet werden kann. Daher könne die Klägerin für diese Tätigkeit auch keine Vergütung nach dem RVG – im konkreten Fall vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 534,31 Euro nebst Zinsen – beanspruchen.
Das LG Berlin folge zwar der Auffassung des BGH in dessen Urteil vom 29.11.2019 (VIII ZR 285/18), wonach der Begriff der Inkassotätigkeit ausweislich der Gesetzesbegründung des RDG weit auszulegen sei, um neuen Berufsbildern nicht von vorne herein den Weg zu verstellen und den Bereich der Rechtsberufe und der freien Berufe zu entbürokratisieren und zu liberalisieren.
Im hier zu entscheidenden Fall sei aber angesichts des zur Beauftragung der Klägerin dienenden und mit den Worten „Mietsenkung beauftragen“ beschrifteten Buttons auf ihrer Homepage das Interesse des Mieters nicht darauf gerichtet gewesen, die nach Ausspruch der Rüge wegen Verstoßes gegen die Mietpreisbremse unter Vorbehalt gezahlte Miete teilweise zurück zu erlangen, also Zahlungsansprüche durchzusetzen. Vielmehr habe die Klägerin dem Mieter versprochen, seine Rechte aus den gesetzlichen Vorschriften über die Mietpreisbremse nach Kräften durchzusetzen und die Vermieterin dazu zu bringen, die vertraglich vereinbarte Miete auf das gesetzlich zulässige Maß zu reduzieren. Auch die Vergütung der Klägerin habe nicht etwa vom Gesamtbetrag der insgesamt erfolgreich zurückgeforderten Mietzahlungen, sondern vom Jahresbetrag der durchzusetzenden Mietreduzierung abhängen sollen.
Nicht anders als im Falle der Abwehr einer ungerechtfertigten Mieterhöhung, die auch nach der Gesetzesauslegung des BGH nicht mehr als Inkassodienstleistung im Sinne des RDG begriffen werden könne, könne daher – angesichts des gegenwärtigen Wortlauts des RDG und angesichts des viel weiter gehenden an die Klägerin erteilten Auftrags – die Rückforderung einer überhöhten Miete nicht als „eigenständige“ Inkassodienstleistung angesehen werden, sondern diene der Anspruchsabwehr. Es sei erforderlich, dass der Gesetzgeber durch eine Konkretisierung des RDG klarstelle, ob auch solche weiter gehenden Tätigkeiten wie die der Klägerin im hiesigen Fall noch als zulässige Inkassodienstleistung bewertet werden sollen.
Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das LG Berlin hat die Revision zum BGH mit der Begründung zugelassen, dass sie mit ihrem Urteil von der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH abweiche. Eine Revision kann beim BGH innerhalb von einem Monat ab förmlicher Zustellung des Urteils eingelegt werden.