Das Sozialgericht Stuttgart hat am 23.02.2020 zum Aktenzeichen S 11 AY 458/20 ER entschieden, dass die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 1, 2 AsylbLG ein individuelles Fehlverhalten des Leistungsberechtigten erfordert.
Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 03.08.2020 ergibt sich:
Die Antragstellerin und ihr im Jahr 2013 geborenes Kind besitzen die iranische Staatsangehörigkeit. Nachdem sie den Iran verlassen hatten, beantragten sie Flüchtlingsschutz in Griechenland, der ihnen auch zuerkannt wurde. Im November 2019 reisten beide in die Bundesrepublik ein und stellten hier erneut Anträge auf Flüchtlingsschutz. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid schränkte der Antragsgegner die Leistungen nach dem AsylbLG gemäß § 1a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 3 AsylbLG ein. Die Antragsteller seien in die Bundesrepublik eingereist, obwohl ihnen internationaler Schutz bereits in Griechenland gewährt worden sei und dieses Aufenthaltsrecht weiter fortbestehe. Die Einreise bzw. Nichtausreise trotz Kenntnis des Aufenthaltsrechts in Griechenland stelle ein pflichtwidriges Verhalten dar.
Das SG Stuttgart hat dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattgegeben.
Nach Auffassung des Sozialgerichts kann den Antragstellern die Einreise in die Bundesrepublik nicht zum Vorwurf gemacht werden, da ihnen in Griechenland unter Berücksichtigung der Bestimmung des Art. 3 ERMK unmittelbar eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung drohen würde. Das Sozialgericht orientierte sich hierbei an die zahlreiche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu den vulnerablen Personenkreisen, nach der einer Überstellung nach Griechenland die Minderjährigkeit eines Kindes entgegenstehen kann. Daher könne die Einreise in die Bundesrepublik den Antragstellern nicht zum Vorwurf gemacht werden.