Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 23.02.2018 zum Aktenzeichen 26 U 91/17 entschieden, dass ein Arzt nicht dafür haftet, wenn eine Frau ungewollt schwanger wird.
Im konkreten Fall wurde eine 45-jährige Frau, die bereits drei Kinder hatte, ein viertes Mal – aber dieses Mal ungewollt – schwanger.
Die Frau wollte die Antibabypille absetzen und begab sich zum ihrem Frauenarzt und wollte von diesem die Bestimmung des AMH-Wertes. Ein niedriger AMH-Wert führt oft dazu, dass eine Frau nicht mehr schwanger werden kann. Der Arzt wies die Frau jedoch auf die Unsicherheit dieses Tests hin. Vom Arzt erfuhr die Frau, dass ihr AMH-Wert unter 0,1 liege. Sie entschloss sich dazu, die Antibabypille abzusetzen. Eine Mitarbeiterin des Arztes soll ihr gesagt haben, dass sie bei diesem niedrigen Wert nicht mehr schwanger werden könne. Eine andere Art der Empfängnisverhütung unterließ sie und wurde in der Folgezeit – ungewollt – schwanger.
Für die aus ihrer Sicht behandlungsfehlerhaft eingetretene Schwangerschaft verlangt sie vom Frauenarzt ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro und Ersatz von Unterhaltsschäden bis zur Volljährigkeit des Kindes.
Das lehnten die Richter ab, denn der Frauenarzt sei nicht verpflichtet gewesen, die Frau von sich aus nach dem Erhalt des AMH-Wertes (erneut) über dessen geringen Aussagewert und das Erfordernis weiterer Verhütung aufzuklären. Die Aufklärung in dem ersten Gespräch darüber hielten die Richter für ausreichend. In dieser Situation sei von einem behandelnden Frauenarzt kein weiteres eigenständiges Nachfragen bei einer Patientin zu verlangen. Die Entscheidung, ob sie weiterhin Verhütung betreiben oder diese unterlassen wolle, habe allein der Frau oblegen. Es sei daher ihre Sache gewesen, dem behandelnden Frauenarzt von sich aus gegebenenfalls weitere Fragen zu stellen.
Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach, LL.M. vertritt Ärzte bei Haftungsfragen, Schadensersatzforderungen von Patienten und im Berufsrecht der Ärzte.