Das Sozialgericht Stuttgart hat am 28.02.2020 zum Aktenzeichen S 3 AL 3965/19 entschieden, dass der Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs der Agentur für Arbeit einem Anspruch auf Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit nicht entgegen steht.
Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 03.08.2020 ergibt sich:
Die Beteiligten stritten darüber, ob dem Kläger Arbeitslosengeld für den Zeitraum einer im Ausland bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zusteht. Ende Mai 2019 erkundigte sich der im Bezug von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch stehende Kläger für den Zeitraum vom 29.05.2019 bis zum 18.06.2019 nach der Möglichkeit einer Ortsabwesenheit, um diese für eine Reise in die Türkei zu nutzen. Die Ortsabwesenheit wurde ihm von der Beklagten genehmigt. Am 17.06.2019 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, dass er arbeitsunfähig erkrankt sei. Eine hierüber ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes aus der Türkei vom 17.06.2019 wurde der Beklagten vorgelegt. Die Beklagte hob die vorangegangene Leistungsbewilligung sodann wegen Wegfalls der Verfügbarkeit auf. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht untergegangen sein könne, da er im maßgeblichen Zeitraum ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und dies auch lückenlos nachgewiesen habe, wurde durch die Beklagte zurückgewiesen. Zur Begründung führte sie an, dass nach den Geschäftsanweisungen der Beklagten die Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit während genehmigter Ortsabwesenheit mit Ablauf der genehmigten Ortsabwesenheit ende, sofern sich der Versicherte nicht in stationärer Behandlung befinde und deshalb nicht an den Wohnort zurückkehren könne. Insofern habe sich seit Juli 2016 eine Änderung der fachlichen Weisungen zu § 146 SGB III ergeben. Die Bewilligung sei wegen fehlender Erreichbarkeit aufzuheben.
Das SG Stuttgart hat der Klage stattgegeben.
Nach Auffassung des Sozialgerichts geht aus dem Wortlaut des § 146 Absatz 1 Satz 1 SGB III nicht hervor, dass die Leistungsfortzahlung spätestens mit Ablauf der genehmigten Ortsabwesenheit endet, wenn die Arbeitsunfähigkeit während genehmigter Ortsabwesenheit und während des Zeitraums mit Anspruch auf Leistungsfortzahlung eintritt.
Die Geschäftsanweisung 201607031 der Beklagten sei mit dem Wortlaut des § 146 SGB III nicht vereinbar und führe zu einer Schlechterstellung desjenigen, der während einer genehmigten Ortsabwesenheit arbeitsunfähig werde, gegenüber demjenigen, der während des „normalen“ Leistungsbezugs arbeitsunfähig werde, obwohl die in beiden Fällen fehlende Leistungsfähigkeit des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitslosen einer sofortigen Vermittelbarkeit, welche die Residenzpflicht bezwecke, ohnehin entgegenstehe.
§ 146 Absatz 1 Satz 1 1. Alt. SGB III setze keine Reiseunfähigkeit oder stationäre Behandlung des Arbeitslosen voraus. Dies ergebe sich zum einen schon aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 146 Absatz Satz 1 SGB III, wonach die erste Alternative der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit im Vergleich zur zweiten Alternative gerade nicht auf eine stationäre Behandlung abstelle.
Arbeitsunfähige Arbeitslose müssten nicht wie gesunde Arbeitslose erreichbar sein und sich im Nahbereich der Agentur für Arbeit aufhalten, da § 146 SGB III auf die Verfügbarkeit für die Leistungszahlung gerade verzichte.