Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 12.04.2021 zum Aktenzeichen 2 SaGa 1/21 entschieden, dass ein Arbeitgeber die Beschäftigung seines Arbeitnehmers im Betrieb verweigern darf, wenn es diesem belegt durch ein ärztliches Attest nicht möglich ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
Der Arbeitnehmer ist in diesem Fall arbeitsunfähig.
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob die Beklagte den Kläger ohne Mund-Nase-Bedeckung im örtlichen Rathaus tätig werden lassen muss, hilfsweise, ob die Beklagte verpflichtet ist, die vom Kläger zu erbringende Bürotätigkeit im Home Office erledigen zu lassen.
Dem Kläger steht kein Anspruch darauf zu, dass die Beklagte seine Arbeitsleistung im Rathaus ohne das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung duldet.
Zunächst einmal ergibt sich aus § 3 Abs. 1d der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltenden Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (ab 07.04.2021), dass im Rathaus der Beklagten eine Maskenpflicht besteht. Auch aus § 2 Abs. 5 Nr.3 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (vom 21.01.2021 in der Fassung vom 11-3-2021) ergibt sich die Verpflichtung von Arbeitgebern, zum größtmöglichen Schutz der Beschäftigten die Maskenpflicht anzuordnen.
Selbst ohne diese Verordnungen wäre die Anordnung zum Tragen der Maske nach § 106 Abs. 1 GewO grundsätzlich vom Direktionsrecht umfasst und im Einzelfall auch angemessen. Das Tragen einer FFP2- Maske dient dem Infektionsschutz in beide Richtungen. Sowohl andere Mitarbeiter und Besucher des Rathauses mit Termin sollen vor Aerosolen geschützt werden, die der Kläger ausstoßen könnte und die potentiell tödlich sein könnten, wenn er sich ohne Maske im Rathaus bewegen dürfte. Die Maske verringert die Anzahl der abgegebenen Aerosole und verändert deren Ausbreitungsverhalten. Die Beklagte muss aber auch den Gesundheitsschutz des Klägers im Auge behalten. Auch hier hilft das Tragen der Maske, Infektionen durch das Einatmen von krankmachenden oder potenziell tödlichen Aerosolen zu vermeiden, die selbst bei aller Sorgfalt und Hygiene vorhanden sein könnten.
Die Anordnung ist auch verhältnismäßig unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger an einer psychischen Erkrankung leidet, die es ihm unmöglich macht, der Maskenpflicht nachzukommen. Denn das Interesse der Beklagten, den Ausstoß von Aerosolen im Rathaus auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, geht in der Abwägung dem Interesse des Klägers, ohne Maske arbeiten zu können, vor. Dabei durfte die Beklagte auch berücksichtigen, dass der Kläger auf Grund einer psychischen Erkrankung die Maske nicht tragen kann und deshalb Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Krankengeld hat, der in der Regel ausreichend ist, um eine Heilung zu ermöglichen.Im Übrigen fehlt es auch an einer Eilbedürftigkeit, da der Kläger bisher noch keinerlei Anstrengungen unternommen hat, die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Erbringung der Arbeitsleistung zu beseitigen und durch Antrag auf eine Psychotherapie eine Heilung in Gang zu setzen.
Ein Anspruch des Klägers auf einem Heimarbeitsplatz, Arbeiten im Home Office oder als mobile Arbeit ist ebenfalls nicht gegeben.
Ein Anspruch des Klägers auf eine vollständige Arbeitsleistung im Home Office ergibt sich zunächst nicht aus der Dienstvereinbarung über Telearbeit der Beklagten. Denn danach ist, unabhängig davon, dass die Tätigkeit des Klägers ungeeignet ist, weil sie im Sinne des §4 den Rückgriff auf umfangreiche schriftliche Unterlagen und zentrale Dokumentationsbestände erfordert, nur alternierende Telearbeit möglich. Dies ist aber nicht das Klageziel, da hierdurch die Arbeitsunfähigkeit nicht beseitigt werden kann.
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung. Der Einrichtung eines mobilen Arbeitsplatzes stehen zwingende betriebsbedingte Gründe entgegen. Da das mobile Arbeiten nur die Bürotätigkeiten erfassen würde, die ohne Austausch von Bauakten und Plänen und ohne Besuch des Rathauses möglich sind, bliebe es für die restlichen Arbeiten bei einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Da das deutsche Entgeltfortzahlungsgesetz keine Teilarbeitsunfähigkeit kennt, wäre die Investition in den mobilen Arbeitsplatz unnütz, da sie die Arbeitsfähigkeit des Klägers nicht wieder herstellen kann.
Die dem Kläger zugeordnete Tätigkeit ist nicht vollständig durch technische und organisatorische Maßnahmen so zu ändern, dass dieser seine vollständige Arbeitsleistung von zu Hause aus erbringen könnte. Da es bei der Beklagten an der Einrichtung der elektronischen Bauakten bislang fehlt, können die erforderlichen Arbeitsmittel nicht mit zumutbarem Aufwand für die Arbeit zu Hause zur Verfügung gestellt werden. Insbesondere das Einscannen großer Karten ist bei der Beklagten noch nicht erfolgt.
Das Abholen von Bauakten mit Plänen setzt zudem den Besuch des Rathauses und damit den möglichen Kontakt mit anderen Arbeitnehmern voraus. Da die Pläne in der Zeit, in der sie der Kläger zu Hause bearbeitet, anderen Mitarbeitern nicht zugänglich sind, müssten Kopien angefertigt werden. Auch ist zu berücksichtigen, dass das nächtliche Abholen der Akten nicht mit § 5 ArbZG zu vereinbaren ist, da es Arbeitszeit darstellt und regelmäßig in der 11stündigen Ruhezeit liegen dürfte. Ebenso ist es nicht zumutbar, die Bürgerberatungen auf offener Straße durchführen zu lassen.
Letztlich ist auch das durchgeführte BEM nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Arbeit des Klägers so umorganisiert werden kann, dass eine der Beklagten zumutbare Umorganisation der Arbeit die Arbeitsfähigkeit des Klägers wiederherstellen könnte.
Sollte der Kläger vollständig arbeitsfähig werden, also auch Teiltätigkeiten mit Maske erbringen können, ist die Abwägung der Zumutbarkeit der Einrichtung eines häuslichen Teilarbeitsplatzes neu vorzunehmen.
Auf die Frage, ob die persönliche Eignung des Klägers eine enge persönliche Führung durch den Vorgesetzten erforderlich macht und digitale Konferenzen nicht in gleicher Weise zu einer brauchbaren Arbeitsleistung führen, wie die direkte Anweisung im Büro, kommt es deshalb derzeit nicht an.