Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Urteil vom 12.02.2021 zum Aktenzeichen 1 Sa 1173/20 entschieden, dass sich eine Versetzung individualrechtlich als die schuldrechtliche Befugnis des Arbeitgebers darstellt, dem Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit zuzuweisen. Sie unterscheidet sich in tatsächlicher Hinsicht von der Erstzuweisung einer Tätigkeit dadurch, dass ihr auf der Grundlage eines bestehenden Arbeitsvertrages eine ehemalige Tätigkeit vorausgehen und eine neu zugewiesene Tätigkeit nachfolgen muss.
Die Parteien streiten um eine Fahrgelderstattung.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.09.2010 als Sicherheitskraft tätig. War er zunächst als Springer an verschiedenen Objekten im Objektwachschutz auf der Basis einer geringfügigen Beschäftigung im Einsatz, bewarb er sich Ende des Jahres 2014 bei der Beklagten um den Abschluss eines Arbeitsvertrages für die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit im mobilen Wachdienst als Revierfahrer. Dem folgte der Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 12.12.2014 mit einem Tätigkeitsbeginn zum 02.01.2015. Der Arbeitsvertrag von 12.12.2015 nimmt auf den „Manteltarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen vom 16.01.2017“ Bezug.
Dort ist in § 4 zur Fahrgelderstattung u.a. Folgendes geregelt:
Wird ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers in ein Objekt versetzt, das mehr als 30 km von seinem Wohnsitz entfernt ist, schuldet der Arbeitgeber für die Fahrten zwischen Arbeitspatz und Wohnung einen Fahrgeldzuschuss. Die Kosten der ersten 30 km im Umkreis um den Arbeitsplatz trägt der Arbeitnehmer jedoch selbst.
(…)
Sofern der Arbeitnehmer auf Wunsch des Arbeitgebers seinen privaten PKW zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einsetzt, erhält er je Entfernungskilometer (einfache Entfernung) ein Kilometergeld von 0,27 €.
Im Rahmen des Arbeitsvertrages wurde dem Kläger von Anbeginn keine Vollzeittätigkeit im mobilen Wachdienst als Revierfahrer zugewiesen, sondern eine überwiegende und sodann ausschließliche Vollzeittätigkeit als Wachmann an einem Objekt der Beklagten in C. Hintergrund war der unvorhergesehene Ausfall eines dortigen Mitarbeiters. Nach einem vom Kläger an einen Bereichsleiter der Beklagten erteilten Hinweis zahlte die Beklagte ab März 2015 eine Fahrgelderstattung, zunächst in Höhe eines Pauschalbetrags und sodann entsprechend den tariflichen Bestimmungen. Die Beklagte stellte die Zahlungen mit Ablauf des Jahres 2020 ein.
Der Kläger, der von dem ihm zugewiesenen Objekt der Beklagten in C 89 km entfernt wohnt, fordert für die Monate Januar bis Mai 2020 die zwischen den Parteien in rechnerischer Höhe unstreitigen monatlichen Fahrgelderstattungen ein, die er jeweils in nicht verfallener Zeit nach Eintritt der Fälligkeit am 15. Kalendertag des Folgemonats eingeklagt hat.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei auf Veranlassung der Beklagten mit Wirkung vom 02.01.2015 in deren Objekt in C tätig geworden. Zuvor sei er – insoweit unstreitig – an verschiedenen Objekten der Beklagten im Einsatz gewesen. Diese Zuweisung der Tätigkeit in C stelle eine Versetzung dar. Angesichts der über einen langen Zeitraum erfolgten gleichförmigen Gewährung des Fahrgeldes gehe er davon aus, dass eine betriebliche Übung entstanden sei.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus den §§ 5 Abs. 4 S. 1, 4 Abs. 1 S. 1 TVG, 4 Ziff. 1 des Manteltarifvertrages für Sicherheitsdienstleistungen in Nordrhein-Westfalen vom 16.01.2017 (im Folgenden: MTV NRW) zu. Der ausweislich der am 05.07.2017 erfolgten Veröffentlichung allgemeinverbindliche MTV NRW erfasst in seinem Geltungsbereich die Parteien dieses Rechtsstreits entsprechend § 5 Abs. 4 S. 1 TVG und damit bereits unabhängig von einer etwaigen Tarifbindung der Parteien oder der im Übrigen auch gegebenen arbeitsvertraglichen Inbezugnahme.
Nach § 4 Ziff. 1 MTV NRW steht dem Kläger ein Anspruch auf Fahrgeldzuschuss für die in der Strecke 30 km überschreitenden Entfernungskilometer von seinem Wohnort zum Objekt der Beklagten in C zu, weil er auf Veranlassung der Beklagten in dieses Objekt versetzt worden ist.
Individualrechtlich stellt sich die Versetzung als die schuldrechtliche Befugnis des Arbeitgebers dar, dem Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit zuzuweisen, also seinen Aufgabenbereich nach Art, Ort oder Umfang der Tätigkeit zu verändern. Dabei kann sich der rechtliche Umfang dieser Befugnis aus dem Arbeitsvertrag und einem dort enthaltenen Versetzungsvorbehalt, aus einseitiger Ausübung der in § 106 GewO geregelten Direktionsbefugnis, aus einer einvernehmlichen Vertragsänderung oder aber aus dem Ausspruchs einer Änderungskündigung und der damit herbeigeführten einseitigen Vertragsänderung ergeben.
In tatsächlicher Hinsicht ist für eine Versetzung erforderlich, dass ein Vergleich zwischen einer ehemals ausgeübten, arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit und einer künftigen, neu zugewiesenen und auf der Grundlage desselben Arbeitsvertrages verrichteten Tätigkeit möglich ist. Aus dem Vergleich muss sich ergeben, dass sich der Aufgabenbereich – z.B. örtlich – geändert hat. Ein solcher Tätigkeitsvergleich setzt denklogisch voraus, dass in ihn eine vergangenheitsbezogene Tätigkeit überhaupt einbezogen werden kann, weil sie auf der Grundlage des Arbeitsvertrages geschuldet war, der auch die nach der neuen Aufgabenzuweisung verrichtete Tätigkeit bestimmt. Damit unterscheidet sich eine Versetzung in tatsächlicher Hinsicht von der Erstzuweisung einer Tätigkeit dadurch, dass ihr auf der Grundlage eines bestehenden Arbeitsvertrages eine ehemalige Tätigkeit vorausgehen und eine neu zugewiesene Tätigkeit nachfolgen muss.