Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 3.7.2019 zum Aktenzeichen 8 AZN 233/19 entscheiden, dass Rechtsanwälte einen elektronischen Fristenkalender so führen, dass er dieselbe Überprüfungssicherheit bietet wie ein herkömmlicher Kalender. Es muss sichergestellt sein, dass keine versehentlichen oder unzutreffenden Eintragungen oder Löschungen erfolgen, die später nicht mehr erkennbar sind.
Im konkreten Fall hat ein Rechtsanwalt eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht rechtzeitig begründet; seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lehnte das Bundesarbeitsgericht ab, denn er war nicht ohne sein Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten (§ 233 ZPO). Die Fristversäumung beruht auf einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers, dass dieser sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, ua. die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Dabei steht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Partei ihrem Verschulden gleich.
Dies ist nicht erfolgt. Dem Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht zu entnehmen, wodurch sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor einer fehlerhaften Eintragung und der irrtümlichen Löschung der Fristen, wie sie hier nach der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin S vom 7. Mai 2019 erfolgt ist, geschützt hat.
Ein elektronischer Fristenkalender muss so geführt werden, dass er dieselbe Überprüfungssicherheit bietet, wie ein herkömmlicher Kalender. Es muss sichergestellt sein, dass keine versehentlichen oder unzutreffenden Eintragungen oder Löschungen erfolgen, die später nicht mehr erkennbar sind. Die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung darf keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten.
Bei der Eingabe von Fristen in den elektronischen Fristenkalender bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten. Dazu zählen nicht nur Datenverarbeitungsfehler der EDV, sondern auch Eingabefehler, insbesondere durch Vertippen. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt, der laufende Fristen in einem elektronischen Fristenkalender erfasst, durch geeignete Organisationsmaßnahmen die Kontrolle der Fristeingabe gewährleisten muss.
Die Kontrolle der Fristeingabe in den elektronischen Fristenkalender kann durch einen Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge oder eines Fehlerprotokolls erfolgen. Werden die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert, ist darin nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen.
Da für die Ausgangskontrolle ein Fristenkalender unabdingbar ist, muss der Prozessbevollmächtigte sicherstellen, dass die im Kalender vermerkten Fristen erst gestrichen werden (oder ihre Erledigung sonst kenntlich gemacht wird), wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht und somit die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Das ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach des Rechtsanwalts eingelegt wird und die abgehende Post von dort unmittelbar zum Briefkasten oder zur maßgeblichen gerichtlichen Einlaufstelle gebracht wird, das Postausgangsfach also die „letzte Station“ auf dem Weg zum Adressaten ist.
Dem Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht zu entnehmen, dass sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor einer unbeabsichtigten Fehleintragung von Fristen und einer irrtümlichen Löschung bzw. Eintragung von Erledigungen im elektronischen Fristenkalender hinreichend geschützt hat. Der Umstand, dass es sich um Massenverfahren handelt, ändert nichts an den den Prozessbevollmächtigten des Klägers treffenden Organisationsverpflichtungen. Denn gerade in Massenverfahren trifft den Bevollmächtigten – wegen der gefahrgeneigten routineartigen Tätigkeit gerade für seine Beschäftigten – eine besondere Organisationspflicht, die das Kontrollieren von Fehlern ermöglicht. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Beschwerdebegründung kommt deshalb nicht in Betracht.
Eines vorherigen Hinweises an den gewerkschaftlich durch eine Rechtsanwältin vertretenen Kläger auf den vorerwähnten Mangel des Wiedereinsetzungsantrags bedurfte es nicht. Eine Hinweispflicht besteht nur bezogen auf erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die organisatorischen Maßnahmen bei der elektronischen Kalenderführung stellt, sind bekannt und müssen einem Prozessbevollmächtigten auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag in dem Wiedereinsetzungsgesuch dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären oder zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben.