Das Landgericht Aachen hat mit Urteil vom 30.11.2020 zum Aktenzeichen 69 KLs 5/18 den Anwalt eines erfundenen NSU-Opfers vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen.
Aus der Pressemitteilung des LG Aachen vom 30.11.2020 ergibt sich:
Dem 53 Jahre alten Rechtsanwalt aus Eschweiler waren Betrug, versuchter Betrug, Urkundenfälschung und Anstiftung zur falschen Versicherung an Eides statt, zum Teil in Form der Beihilfe, im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit in den sog. NSU- und Loveparade-Verfahren zur Last gelegt worden.
Der Angeklagte war für die vermeintliche Geschädigte im Staatsschutzverfahren vor dem OLG München (6 St 3/12) als Nebenklagevertreter aufgetreten und hatte hierfür in der Zeit zwischen dem 06.06.2013 und 17.08.2015 aus der Justizkasse Bayerns Zahlungen von insgesamt mehr als 200.000 Euro erhalten. Aufgrund eines rechtskräftigen Bescheids des OLG München leistete er hierauf seit geraumer Zeit Rückzahlungen. Zudem hatte der Angeklagte für das erfundene Opfer eine pauschale Härteleistung als Opfer eines extremistischen Übergriffs beim Bundesamt für Justiz in Höhe von 5.000 Euro geltend gemacht, die er an den Attila Ö. auszahlte.
Das LG Aachen hat entschieden, dass der Angeklagte sich bei der anwaltlichen Vertretung eines vermeintlichen Opfers des Nagelbombenanschlages vom 09.06.2004 in der Keupstraße in Köln nicht strafbar gemacht hat.
Es hat festgestellt, dass der zwischenzeitlich verstorbene Nebenkläger Attila Ö. – selbst ein Opfer des Anschlags – das Opfer erfunden hatte. Dass der Angeklagte in ihre Erfindung eingebunden gewesen wäre oder Kenntnis davon erlangt hätte, habe die umfangreiche Beweisaufnahme nicht ergeben. Anhaltspunkte, die in der heutigen Rückschau ohne Weiteres Zweifel an der Existenz und Nebenklageberechtigung begründeten, seien als Nachlässigkeiten in der anwaltlichen Berufsausübung zu sehen. Sie ließen unter Berücksichtigung der jeweiligen Begleitumstände aber nicht den Rückschluss darauf zu, dass der Angeklagte vorsätzlich und in betrügerischer Absicht gehandelt habe. Insbesondere ergebe sich auch nicht aus einer Gesamtschau der Indizien, dass der Angeklagte schon im Jahr 2013 bösgläubig gewesen wäre, als er die Zulassung der Nebenklage und seine Beiordnung gegenüber dem OLG München beantragte. Ob diese Nachlässigkeiten berufsrechtliche Sanktionen erfordern, werde ggf. in einem gesonderten Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer bzw. dem Anwaltsgerichtshof geprüft werden.
Das Landgericht hat den Angeklagten auch von dem Vorwurf des versuchten Betruges im Zusammenhang mit dem sog. Loveparade-Verfahren freigesprochen. Es sei nicht festzustellen gewesen, dass der Angeklagte vorsätzlich versucht habe, unberechtigt die Zulassung als Nebenklägervertreter für einen potentiell Geschädigten vor dem LG Duisburg (35 KLs 112 Js 23/11 – 5/14) zu betreiben. Ebenso wenig habe das Landgericht feststellen können, dass der Angeklagte ein im November 2014 übernommenes Mandat ohne Zustimmung seiner Mandantin an einen Rechtsanwalt aus Köln weitergegeben hätte.
Die Staatsanwaltschaft Aachen hatte in ihrem Schlussvortrag beantragt, den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zu verurteilen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Weiterhin hatte sie beantragt, ein auf den Bereich der Strafrechtspflege beschränktes Berufsverbot von zwei Jahren zu verhängen. Die Verteidigung hatte beantragt, den Angeklagten freizusprechen.
Gegen das Urteil steht der Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der Revision zu.