Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 06.06.2023 zum Aktenzeichen 65 S 39/23 entschieden, dass ein Mieter gegen seinen Vermieter einen Anspruch auf Untervermietung aus humanitären Gründen hat.
Die Klägerin mietete mit Mietvertrag vom … die von ihr inne gehaltene Wohnung mit einer Fläche von 85,17 qm, bestehend aus 3 Zimmern, Küche, Bad und Balkon von der Beklagten.
Mit E-Mail vom … erbat die Klägerin von der Beklagten die Erlaubnis, an die im Klageantrag benannte Frau …, geboren am … ab dem 1. Mai 2022 ein Zimmer der von ihr gemieteten Wohnung untervermieten zu dürfen.
Sie teilte mit, dass sie selbst weiterhin in der Wohnung wohnen werde und mit der Untervermietung einer Geflüchteten aus dem ukrainischen Kriegsgebiet Unterstützung anbieten möchte.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2022 lehnte die Beklagte über ihre Hausverwaltung deren Erteilung erneut mit der Begründung ab, dass weder die Klägerin noch der Mieterverein ein berechtigtes Interesse substantiiert dargelegt hätten. Sie wies darauf hin, dass für den Fall, dass die Klägerin seit der Anfrage „den Flüchtling bereits ohne Genehmigung des Vermieters bei sich aufgenommen“ habe, dies eine fristlose Kündigung begründen könne und riet der Klägerin, die Untervermietung umgehend zu beenden.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Untervermietung eines Zimmers der von der Klägerin gemieteten Wohnung mit einer Größe von mehr als 85 qm aus § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die Voraussetzungen des § 553 Abs. 1 BGB liegen vor; der Anspruch ist nicht nach Satz 2 der Vorschrift ausgeschlossen.
Nach § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse dafür entsteht. Nach Satz 2 gilt das nur dann nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Interesse des Mieters im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB schon dann anzunehmen, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen. Als berechtigt im Sinne der Vorschrift ist jedes – auch höchstpersönliche – Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht. Hierzu gehört grundsätzlich die Entscheidung des Mieters, sein Privatleben „innerhalb der eigenen vier Wände“ nach seinen Vorstellungen zu gestalten, dies auch dann (nicht etwa nur dann), wenn er mit Dritten eine auf Dauer angelegte Wohngemeinschaft bilden möchte.
Der Entschluss, in Gemeinschaft mit anderen zu leben, genießt – so der BGH – als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts den Schutz der Grundrechte (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), solange er nicht die Schranken überschreitet, die die Verfassung selbst der Ausübung des allgemeinen Freiheitsrechts setzt. Zu dieser Feststellung sah der BGH sich veranlasst, weil die Vorinstanzen im Rahmen der Vorlagefrage auch geklärt sehen wollten, ob die Absicht des Zusammenlebens unverheirateter Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts in einer eheähnlichen oder einer Wohngemeinschaft die Annahme eines berechtigten Interesses unter dem Gesichtspunkt des gegen das nach Art. 2 Abs. 1 GG zu beachtende Sittengesetz ausschließen könne, was der BGH klar verneinte.
Soweit das Amtsgericht meint, nur bei der beabsichtigten Bildung einer auf Dauer angelegten Wohn- bzw. Verantwortungsgemeinschaft könne ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung angenommen werden, so lässt sich diese Anforderung weder der Rechtsprechung des BGH noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Es ist vielmehr nicht einmal erforderlich, dass der Mieter überhaupt beabsichtigt, mit dem Untermieter eine Wohngemeinschaft zu bilden
Dies zugrunde gelegt, beanstandet die Klägerin zu Recht, dass das Amtsgericht ihren Wunsch, ein Zimmer der von ihr inne gehaltenen Wohnung an eine (konkret benannte) Person unterzuvermieten, die die „Besonderheit“ aufweist, dass sie aus dem ukrainischen Kriegsgebiet geflüchtet ist, dies, um diese Person zu unterstützen, nicht als berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen hat.
Zu Recht macht sie geltend, dass wohl kaum ein Interesse als höchstpersönlicher angesehen werden kann als das, sein (Privat-)Leben und Handeln nach den eigenen ethischen Grundüberzeugungen auszurichten und zu gestalten, dies auch und gerade in dem geschützten Bereich der „eigenen vier Wände“.
Dass die Motivation der Klägerin mit der Rechts- und Sozialordnung im Einklang steht, stellt wohl auch die Beklagte nicht in Frage.
Der BGH betont in seiner Grundentscheidung aus dem Jahr 1984, dass es geboten sei, bei der Ausfüllung des Begriffs des berechtigten Interesses in besonderem Maße die Wertordnung der Grundrechte zu berücksichtigen, die die Auslegung des Bürgerlichen Rechts beeinflusse, wo dieses sich – wie im Fall der Untervermieterlaubnis – unbestimmter Rechtsbegriffe bediene.
Dass der Wunsch der Klägerin, mit einem aus einem Kriegsgebiet geflüchteten Menschen eine häusliche Gemeinschaft zu begründen, um ihn zu unterstützen, nicht unter den Schutz der nach der BGH-Rechtsprechung maßgeblichen Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG fallen soll, lässt sich auch deshalb nicht begründen, weil das unsere Rechtsordnung prägende Grundgesetz aus der Erfahrung (und dem Leid) zweier Weltkriege mit gigantischen Flüchtlingsströmen entstanden und diese in die im Grundgesetz getroffenen Wertentscheidungen eingeflossen ist.
Soweit in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten wird, dass „allgemeine humanitäre Erwägungen“ oder „Interessen“ nicht ausreichen (sollen), weil es sich immer um ein Interesse gerade des Mieters selbst handeln müsse, mag dem zuzugeben sein, dass sich bezüglich humanitärer Gesichtspunkte ein Bezug zu dem Mieter ergeben muss, der die Untervermieterlaubnis begehrt, etwa dadurch, dass er sich diese Erwägungen und Interessen zu eigen macht, diese seine konkrete Motivation im Sinne der BGH-Rechtsprechung begründen.
Der Auffassung ist – jedenfalls in einem Fall wie dem hier gegebenen – entgegenzuhalten, dass sich der Bezug zum Mieter ohne Weiteres daraus ergibt, dass sein Wunsch auf eigenen (höchst)persönlichen ethischen Grundüberzeugungen beruht.
Hinzu kommt, dass das Argument, § 553 Abs. 1 BGB verfolge den Zweck, dem Mieter die Wohnung zu erhalten, in einer Fallkonstellation wie der hier gegebenen zu kurz greift. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen kann, danach zu unterscheiden, ob der beabsichtigten Untervermietung der Wunsch des Mieters zugrunde liegt, in der Wohnung nicht (mehr) allein zu leben oder der Wunsch, in der angemieteten Wohnung sein Leben nach den eigenen Wertvorstellungen und ethischen Grundüberzeugungen zu gestalten, ohne gezwungen zu sein, das Mietverhältnis zu beenden, um diesen Wunsch in einer anderen Wohnung zu realisieren. In beiden Fällen würde der „Verlust“ der Wohnung nicht auf einer wirtschaftlichen Notlage beruhen, sondern auf der dem Mieter versagten Möglichkeit der Gestaltung seines Privatlebens nach eigenen Vorstellungen, wozu auch Überzeugungen gehören.
Soweit das Amtsgericht die Darlegung einer (bereits bestehenden) engen persönlichen Beziehung zwischen der Klägerin und der in Aussicht genommenen Untermieterin vermisst, ergibt sich nicht, woraus es dieses Erfordernis herleitet.
Weder dem Gesetz noch seinen Materialien, der Rechts- und Sozialordnung oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung lässt sich ein Anhaltspunkt entnehmen, dass eine bereits bestehende persönliche Beziehung zum Untermieter in das Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses „hineinzulesen“ wäre.
Das berechtigte Interesse der Klägerin ist (offenkundig) auch zeitlich nach Vertragsschluss entstanden.
Maßgeblich ist insoweit, ob nach Vertragsschluss Umstände eintreten, die den Entschluss des Mieters zur Aufnahme des Dritten gerechtfertigt erscheinen lassen.
Die zeitliche Einschränkung soll (allein) verhindern, dass der Mieter, der einen – zumindest latent – vorhandenen Wunsch zur Überlassung eines Teils des Wohnraums mit Dritten bei Vertragsabschluss verschweigt, die durch den Vertrag gesetzten Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs unter Berufung auf eine zu gestattende Untervermietung unterläuft.
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die hier gegenständliche Wohnung bei Mietvertragsschluss im Mai 2014 mit dem Motiv angemietet hat, sie unterzuvermieten, sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Nach fast 10 Jahren Mietzeit ist der nach der BGH-Rechtsprechung einen Verdacht begründende enge zeitliche Zusammenhang zum Vertragsschluss ersichtlich nicht (mehr) gegeben.
Ganz anders lag der Fall in der vom Amtsgericht zitierten Entscheidung des Amtsgerichts München.
Das AG München hat das vom dortigen Kläger geltend gemachte Interesse, geflüchtete Personen unterstützen zu wollen, als nicht nach Mietvertragsschluss entstanden angesehen, weil zwischen dem Abschluss des Mietvertrages über ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von ca. 240 qm für einen Erwachsenen und zwei Kinder (sowie einen Hund) und der Anfrage zur Erteilung einer Untervermieterlaubnis lediglich 3 Monate lagen.
Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der – insoweit darlegungs.- und beweisbelasteten – Beklagten, dass die Gestattung der Gebrauchsüberlassung nicht zumutbar wäre, § 553 Abs. 1 Satz 2 BGB.