Das Oberlandesgericht Hamm hat am 08.02.2021 zum Aktenzeichen 1 RBs 2, 4-5/21 beschlossen, dass das „Ansammlungsverbot“ nach der im April 2020 geltenden Coronaschutzverordnung eine ausreichende gesetzliche Grundlage hat und nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.
Aus der Pressemitteilung des OLG Hamm vom 22.02.2021 ergibt sich:
Damit hat der 1. Senat für Bußgeldsachen im gleichen Sinne wie bereits der 4. Senat für Bußgeldsachen am 28.01.2021 entschieden (Az. 4 RBs 446/20 und 4 RBs 3/21).
Mit Bußgeldbescheiden vom 23.04.2020 bzw. 12.05.2020 hatte der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund gegen zwei Personen aus Dortmund und einer Person aus Chemnitz wegen verbotswidriger Teilnahme an einer Zusammenkunft oder Ansammlung im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen nach der Coronaschutzverordnung Bußgelder von jeweils 200 Euro verhängt. Ihnen ist vorgeworfen worden, sie hätten sich in einer Nacht im April 2020 gemeinsam in der Zeit von 23:53 Uhr bis 0:08 Uhr auf dem Wilhelmplatz in Dortmund Dorstfeld aufgehalten.
Nachdem die drei vorgenannten Personen gegen die Bußgeldbescheide Einspruch eingelegt hatten, hat sie das Amtsgericht Dortmund am 02.11.2020 (Az. 733 OWi 64/20) freigesprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass § 12 Abs. 1 der Coronaschutzverordnung gegen höherrangiges Recht verstoße.
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen diese Entscheidung hatte – zumindest vorläufig – Erfolg. Das „Ansammlungsverbot“ nach dem im April 2020 geltenden § 12 der Coronaschutzverordnung finde – so der Senat – eine ausreichende gesetzliche Grundlage in den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (§§ 32, 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG in der Fassung vom 27.03.2020); sowohl die vorgenannte Regelung in der Coronaschutzverordnung als auch das Infektionsschutzgesetz würden – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts – nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen; insbesondere sei die Verordnungsermächtigung des Infektionsschutzgesetztes hinreichend bestimmt und auch mit dem so genannten Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt vereinbar. Daher sei das Urteil des Amtsgerichts fehlerhaft und aufzuheben. Das Amtsgericht Dortmund wird sich nun erneut mit der Sache zu befassen haben, da es Feststellungen dazu, ob gegen das „Ansammlungsverbot“ in § 12 der Coronaschutzverordnung tatsächlich auch verstoßen worden ist, noch nicht getroffen hatte.
Nicht anfechtbarer Beschluss des 1. Senats für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 08.02.2021 (Az. 1 RBs 2, 4-5/21, OLG Hamm)
Hinweise der Pressestelle:
I. § 12 CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 30.03.2020 lautet wie folgt:
(1) Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als 2 Personen sind untersagt. Ausgenommen sind
1. Verwandte in gerader Linie,
2. Ehegatten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner sowie in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen,
3. die Begleitung minderjähriger und unterstützungsbedürftiger Personen,
4. zwingend notwendige Zusammenkünfte aus geschäftlichen, beruflichen und dienstlichen sowie aus prüfungs- und betreuungsrelevanten Gründen,
5. bei der bestimmungsgemäßen Verwendung zulässiger Einrichtungen unvermeidliche Ansammlungen (insbesondere bei der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs).
(2) Die nach dem Landesrecht für Schutzmaßnahmen nach § 28 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörden können generelle Betretungsverbote für bestimmte öffentliche Orte aussprechen.
(3) Das Picknicken und das Grillen auf öffentlichen Plätzen oder Anlagen sind untersagt. Die nach dem Landesrecht für Schutzmaßnahmen nach § 28 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörden können weitere Verhaltensweisen im öffentlichen Raum generell untersagen.
II. § 28 Abs. 1 IfSG in der Fassung vom 27.03.2020 lautet wie folgt:
Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.
III. § 32 IfSG in der Fassung vom 27.03.2020 lautet wie folgt:
Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ IFSG § 28 bis IFSG § 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel GG Artikel 2 Abs. GG Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel GG Artikel 11 Abs. GG Artikel 11 Absatz 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel GG Artikel 8 Grundgesetz), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel GG Artikel 13 Abs. GG Artikel 13 Absatz 1 Grundgesetz) und des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel GG Artikel 10 Grundgesetz) können insoweit eingeschränkt werden.