Die Regelungen über die Bestandsdatenauskunft sollen nach dem Willen der Koalition an die Vorgaben aus der Entscheidung des BVerfG vom 27.05.2020 (1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13) angepasst werden.
Aus hib – heute im bundestag Nr. 1397 vom 16.12.2020 ergibt sich:
Dies geht aus einem Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/25294 – PDF, 1,2 MB) hervor, den die Fraktionen von CDU/CSU und SPD vorgelegt haben.
Das BVerfG hatte mit seinem Beschluss vom 27.05.2020 (1 BvR 1873/13, 1 BvR 2618/13 „Bestandsdatenauskunft II“) § 113 des Telekommunikationsgesetzes und mehrere Fachgesetze des Bundes, die die manuelle Bestandsdatenauskunft regeln, für verfassungswidrig erklärt. Sie verletzten die beschwerdeführenden Inhaber von Telefon- und Internetanschlüssen in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses.
Die manuelle Bestandsdatenauskunft ermöglicht es Sicherheitsbehörden, von Telekommunikationsunternehmen Auskunft insbesondere über den Anschlussinhaber eines Telefonanschlusses oder einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen IP-Adresse zu erlangen. Mitgeteilt werden personenbezogene Daten der Kunden, die im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Durchführung von Verträgen stehen (sog. Bestandsdaten). Nicht mitgeteilt werden dagegen Daten, die sich auf die Nutzung von Telekommunikationsdiensten (sog. Verkehrsdaten) oder den Inhalt von Kommunikationsvorgängen beziehen.
Wie die beiden Fraktionen in der Vorlage ausführen, bleiben die für verfassungswidrig erklärten Vorschriften nach Maßgabe der Gründe der Entscheidung längstens bis Ende 2021 anwendbar. Zugleich verweisen die Koalitionsfraktionen auf die Feststellung des BVerfG, dass die Erteilung einer Auskunft über Bestandsdaten grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig ist. Die gesetzlichen Regelungen müssten jedoch von Verfassungs wegen mehrere Grundsätze beachten.
Danach bedarf es sowohl für die Übermittlung der Bestandsdaten durch die Telekommunikationsanbieter als auch für den Abruf dieser Daten durch die Behörden jeweils verhältnismäßiger Rechtsgrundlagen. Ferner müssen die Übermittlungs- und Abrufregelungen die Verwendungszwecke der Daten hinreichend begrenzen, „indem sie insbesondere tatbestandliche Eingriffsschwellen und einen hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz vorsehen“.
Auch stellte das BVerfG klar, dass die allgemeinen Befugnisse zur Übermittlung und zum Abruf von Bestandsdaten trotz ihres gemäßigten Eingriffsgewichts für die Gefahrenabwehr und für die Tätigkeit der Nachrichtendienste grundsätzlich einer im Einzelfall vorliegenden konkreten Gefahr und für die Strafverfolgung eines konkreten Anfangsverdachts bedürfen. Findet eine Zuordnung dynamischer IP-Adressen statt, müsse diese im Hinblick auf ihr erhöhtes Eingriffsgewicht darüber hinaus „auch dem Schutz oder der Bewehrung von Rechtsgütern von zumindest hervorgehobenem Gewicht dienen“. Bleiben die Eingriffsschwellen im Bereich der Gefahrenabwehr oder der nachrichtendienstlichen Tätigkeit hinter dem Erfordernis einer konkreten Gefahr zurück, müssten im Gegenzug erhöhte Anforderungen an das Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter vorgesehen werden.
Die Koalitionsfraktion verweisen in ihrer Vorlage zugleich darauf, dass die von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Gesetze „zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes“ sowie „zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ Regelungen enthalten, die inhaltlich vollständig einzelnen Normen entsprechen, die das BVerfG für verfassungswidrig erklärt hat. Noch vor Ausfertigung „der beiden Gesetze durch den Bundespräsidenten sollten sämtliche Vorschriften zur Bestandsdatenauskunft mit der Rechtsprechung des BVerfG in Einklang gebracht werden“.
Dazu sind der Vorlage zufolge Änderungen der Übermittlungsbefugnisse des § 15a des Telemediengesetzes und des § 113 des Telekommunikationsgesetzes erforderlich. Ebenfalls geändert werden müssen den Angaben zufolge die polizeilichen Abrufregelungen des Bundespolizeigesetzes, des Bundeskriminalamtgesetzes, des Zollfahndungsdienstgesetzes und des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes sowie die nachrichtendienstlichen Abrufregelungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes, des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst und des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst. Darüber hinaus seien Änderungen des § 100j der Strafprozessordnung erforderlich. Die Anpassung der entsprechenden Landesgesetze liege in der Verantwortung der Länder.