Das Arbeitsgericht Offenbach am Main hat mit Urteil vom 03.02.2021 zum Aktenzeichen 4 Ga 1/21 entschieden, dass die Anordnung zu Corona-Schnelltests vor dem Aufsuchen der Arbeitsstätte nicht rechtswidrig ist.
Die Parteien streiten über die Berechtigung der Verfügungsbeklagten (im Folgenden Beklagte), den Zutritt zum Werksgelände davon abhängig zu machen, dass der Verfügungskläger (im Folgenden Kläger) einen negativen Covid-19-Test vorweist.
Alle Mitarbeiter sind angewiesen, den Sicherheitsabstand von 1,5 Meter einzuhalten. Sofern dies nicht möglich ist besteht eine Verpflichtung zum Tragen von medizinischen Mund-Nasen-Schutz. Über mehrere Tage gesehen ist es so, dass jeder Mitarbeiter mit jedem anderen Kollegen Kontakt hat.
Mit E-Mail vom 6. Januar 2021 (BI. 8 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Mitarbeiter sowie Externe nur mit einem negativen Covid-Test Zutritt auf das Firmengelände erhalten. Am 13. Januar 2021 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Einführung von Corona Schnelltests (im Folgenden BV). Diese enthält folgende Regelung:
- Corona-Schnelltests
2.1 Besteht ein begründeter Verdacht, dass sich Mitarbeiter mit dem Sars-CoV-2-Virus in dem Betrieb angesteckt haben oder ist das Risiko, dass sich Mitarbeiter mit dem Sars-CoV-2-Virus im Betrieb anstecken könnten deutlich erhöht, kann die Gesellschaft verlangen, dass sich alle oder einzelnen Mitarbeiter vor Arbeitsbeginn einem Corona-Schnelltest unterziehen. Ein erhöhtes Risiko liegt beispielsweise vor, wenn in dem Landkreis, in dem der Betrieb liegt, nach den Veröffentlichungen des RKI im Durchschnitt von sieben Kalendertagen mehr als 200 Personen je 100.000 Einwohner dieses Landkreises mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert wurden. Man kann ebenfalls davon ausgehen, dass aufgrund erhöhter Kontaktfrequenzen während der Weihnachtsfeiertage und Silvester ein erhöhtes Risiko vorliegt. Um ausschließen zu können, dass infizierte Kollegen die Arbeit nach den Weihnachtsfeiertagen aufnehmen und andere Kollegen infizieren haben wir uns entschieden Schnelltests anzubieten. Aufgrund des Risikos wird eine doppelte Testung durchgeführt: der erste Test am ersten Tag der Arbeitsaufnahme nach den Feiertagen und der zweite Test 5 Tage später. Gleiches gilt für Mitarbeiter, die in 2021 aus Urlaub oder Krankenstand (ab 14 Tagen), Elternzeit etc. in den Betrieb zurückkehren.
Die Anordnung, vor Zutritt zum Werksgelände einen negativen Corona-Test vorzulegen, ist nicht offenkundig rechtswidrig.
Der Arbeitgeber hat gemäß § 618 Abs. 1 BGB sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Die entsprechende öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers ergibt sich aus § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG. Nach dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Umstände, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes treffen.
Die Anordnung der Beklagten dient dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer. Mit ihr soll vermieden werden, dass sich Mitarbeiter mit dem SARS-CoV-2 Virus im Betrieb anstecken.
Das gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bestehende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist gewahrt. Die Betriebsparteien haben am 13. Januar 2021 eine Betriebsvereinbarung geschlossen, welche regelt, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber einen Corona-Schnelltest verlangen kann. Die Voraussetzungen liegen vor. Nach der Betriebsvereinbarung besteht die Berechtigung der Beklagten, am ersten Tag der Arbeitsaufnahme nach den Feiertagen einen Corona-Schnelltest zu verlangen.
Die maßgebliche Regelung ist nicht offensichtlich unverhältnismäßig.
Anhaltspunkte dafür, dass gerade von dem Kläger kein Risiko ausgeht, sind nicht dargetan. Dabei kann dahinstehen, ob asymptomatisch Infizierte das Virus übertragen können. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts steckt sich ein relevanter Anteil von Personen bei infektiösen Personen innerhalb von 1-2 Tagen vor deren Synnptombeginn an.
Die Durchführung eines Corona-Schnelltests ist geeignet, um den Nachweis von SARS-CoV- 2 zu erbringen. Dies ergibt sich aus der Empfehlung des Robert Koch-Instituts, wonach bei Verdacht auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 Untersuchung aus den oberen Atemwegen entnommen werden sollen.
Die Testung ist auch nicht offensichtlich unangemessen. Das Übermaßverbot ist gewahrt, wenn die Regelung bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe für den Betroffenen noch zumutbar ist. Erforderlich ist dabei eine umfassende Abwägung der betroffenen Belange. Das Ergebnis hängt im vorliegenden Zusammenhang weitgehend von den Gegebenheiten des Betriebes und seiner Belegschaft ab. Diese zu beurteilen und zu gestalten, ist in erster Linie Sache von Arbeitgeber und Betriebsrat. Die Mitwirkung des Betriebsrats sichert die gleichberechtigte Teilhabe der von ihm repräsentierten Arbeitnehmer an einer Entscheidung und damit grundsätzlich auch eine angemessene Vertretung ihrer Interessen. Den Betriebspartnern steht bei der Bewertung und beim Ausgleich der zu berücksichtigenden betrieblichen Belange und der einander widerstreitenden Interessen ein breiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BAG vom 19. Januar 1999, 1 ABR 499/98, zitiert nach juris). Die für die Testung angeführten Gründe des Gesundheitsschutzes sind beachtlich. Die weltweite Ausbreitung von CO-VID-19 wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. Nach der Bewertung des Robert Koch-Instituts handelt es sich weltweit, in Europa und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Dagegen ist die Beeinträchtigung des Getesteten von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität. Mit einem Abstrich wird der Körper lediglich berührt, ohne die Substanz zu beeinträchtigen. Es ist nicht eindeutig feststellbar, dass andere Maßnahmen gleich geeignet sind. Die vorliegende epidemische Lage ist durch erhebliche Ungewissheiten und sich ständig weiterentwickelnden fachlichen Erkenntnissen geprägt.
Ein gesteigertes Abwehrinteresse ist nicht dargetan.
Schließlich geht auch die gebotene Folgenabwägung zu Lasten des Klägers aus. Ergeht die begehrte einstweilige Verfügung nicht, kann der Kläger gleichwohl seine Arbeitsleistung erbringen, wenn er sich testen lässt. Dies stellt zwar eine Beeinträchtigung der körperlichen Integrität dar. Sie ist jedoch, wie bereits dargelegt, von kurzer Dauer und niederschwelliger Intensität. Erginge die einstweilige Verfügung, könnten durch den dadurch ermöglichten Zutritt des Klägers ohne negativen Covid-19 Test auf das Werksgelände hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben der dort tätigen Personen gefährdet werden. Auch von einzelnen nicht getesteten Personen kann ein Ansteckungsrisiko ausgehen. Es ist nicht dargetan, dass gerade von dem Kläger ein zu vernachlässigendes Risiko ausgehen soll. Bei Gegenüberstellung dieser jeweils zu erwartenden Folgen muss das Interesse des Klägers, sich keinem Test unterziehen zu müssen, gegenüber dem Interesse der Beklagten an der Eindämmung und Kontrolle des Infektionsgeschehens mit dem SARS-CoV-2-Virus zurücktreten. Die Nachteile, die für den Kläger mit einer Testung verbunden sind, überwiegen in Ausmaß und Schwere nicht die Nachteile, die im Fall seiner Ausnahme aus der Testpflicht potentiell für hohe Rechtsgüter andere Personen eintreten könnten (vgl. BVerfG vom 25. August 2020, 1 BA 1981/20 zur Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten).