Das Landesarbeitsgericht München hat mit Urteil vom 26.10.2021 zum Aktenzeichen 9 Sa 332/21 entschieden, dass die Anordnung von PCR-Tests als Maßnahme zur Leistungsbereitschaft am Arbeitsplatz rechtmäßig ist.
Die Parteien streiten über das Bestehen einer Verpflichtung zur Teilnahme an Tests auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus.
In § 4 des Arbeitsvertrages ist geregelt, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) in der jeweils gültigen Fassung bestimmt.
§ 4 Abs. 2 TVK enthält folgende Regelung:
„Der Arbeitgeber kann bei gegebener Veranlassung durch einen Vertrauensarzt (-zahnarzt) oder das Gesundheitsamt feststellen lassen, ob der Musiker arbeitsfähig und frei von ansteckenden oder ekelerregenden Krankheiten ist. Von der Befugnis darf nicht willkürlich Gebrauch gemacht werden.“
Die Bayerische Staatsoper beschäftigt knapp 1.000 feste Mitarbeiter, davon ca. 140 Orchestermusiker.
Mit Mail vom 10.08.2020 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sich alle Mitarbeiter des Bayerischen Staatsorchesters auf Corona testen lassen müssen (vgl. Mail vom 10.08.2020, Bl. 6.f. d.A.). Grundlage hierfür ist das Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper vom 11.05.2020 (vgl. Anlage B 1, Bl. 38 ff. d.A.). Bestandteil dieses Hygienekonzeptes ist eine Teststrategie, die u.a. mit Beratung des Instituts für Virologie der Technischen Universität München und des Klinikums rechts der Isar entwickelt wurde. Das Testkonzept sieht zum einen vor, dass bei Dienstantritt in der Spielzeit 2020/2021 von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein negativer Testbefund (PCR-Test) vorliegen muss. Andernfalls ist die Teilnahme an Proben und Aufführungen nicht möglich.
Die Testung wurde durch die Bayerische Staatsoper organisiert. Dabei wurden Nasen – Rachen-Abstriche durch medizinisch geschultes Personal des Klinikums rechts der Isar in gesonderten Räumlichkeiten im Umfeld der Staatsoper kostenfrei durchgeführt. Alternativ konnten die Mitarbeiter selbst Testbefunde beibringen, wenn der Zeitpunkt des Abstrichs maximal vier Tage vor dem ersten Einsatz im Haus lag (vgl. Anlage B 2, Bl. 52 ff. d.A.).
Zum anderen sah das Hygienekonzept rollierende Folgetestungen (PCR-Tests) nach dem Stichprobenprinzip vor, die entweder im Haus (kostenfrei) oder extern auf eigene Kosten durchgeführt werden können. Die Folgetestungen für die Orchestermusiker (= rote Gruppe) sollten regelmäßig alle ein bis drei Wochen stattfinden.
Neben der Teststrategie erfolgte bereits noch vor der Sommerpause ein Umbau im Bühnenbereich der Bayerischen Staatsoper dergestalt, dass der Orchestergraben überbaut wurde. Dadurch wurde eine Vergrößerung der Fläche von bislang 100 Quadratmetern auf 170 Quadratmetern ermöglicht. Zudem wurden beispielsweise Werke verändert (musikalische Kürzung, Verzicht auf Pausen), Orchesterbesetzungen verkleinert, Zu- und Abtritte der Orchestermusiker neu geregelt, Paravents und Plexiglaswände aufgestellt. Die Flötisten sitzen dabei regelmäßig mittig im Orchester mit einem Abstand von zwei Metern zu den Kollegen.
Mit Schreiben ihrer ehemaligen Prozessvertreterin vom 24.08.2020 (vgl. Bl. 8 ff. d.A.) ließ die Klägerin mitteilen, dass sie sich keinem Test unterziehen werde, da sie sich weder während ihres Urlaubs in einem Risikogebiet aufgehalten habe noch Anzeichen einer Corona-Erkrankung bei ihr bestünden. Daraufhin wurde die Klägerin nicht beschäftigt. Die Lohnzahlung an die Klägerin wurde zum 24.08.2020 eingestellt.
Das Erfordernis der Leistungsbereitschaft bezieht sich auf die vertraglich vorgesehene Tätigkeit. Es muss die Bereitschaft bestehen, die betreffende Arbeit bei dem Vertragspartner zu den vertraglichen Bedingungen zu leisten. (vgl. BAG, 13.07.2005 – 5 AZR 578/04, Rn. 34) Dazu war die Klägerin nicht bereit. Zu den vertraglichen Bedingungen gehört die vorliegend auch die Vornahme von Corona-Tests entsprechend dem Testkonzept der Staatsoper. Die Weisung bzgl. der Durchführung der Tests war wirksam.
Nach § 4 Abs. 2 TVK war der Beklagte berechtigt, von der Klägerin die Vornahme der Corona-Tests zu verlangen.
§ 4 Abs. 2 TVK findet kraft vertraglicher Inbezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
In der Rechtsprechung bereits anerkannt ist, dass Voraussetzung einer Untersuchungspflicht nach § 4 Abs. 2 TVK nicht das kumulative Vorliegen der dort genannten zwei verschiedenen Fälle ist, sondern dass es sich nach dem Sinn und Zweck der Regelung und wegen der unterschiedlichen Schutzrichtungen um zwei alternative Voraussetzungen handelt. (vgl. BAG, 25.06.1992 – 6 AZR 279/91, Rn. 35 ff.) Maßgeblich ist vorliegend § 4 Abs. 2, 2. Alternative des TVK, wonach der Arbeitgeber bei gegebener Veranlassung feststellen lassen kann, ob der Musiker frei von ansteckenden Krankheiten ist.
Die Auslegung des § 4 Abs. 2, 2. Alt. TVK ergibt, dass diese Regelung in der derzeitigen pandemischen Situation die Anordnung von Corona-Test ermöglicht auch bei Personen, die keine Krankheitssymptome zeigen.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt. (BAG, Urteil vom 12. August 2015 – 7 AZR 592/13, Rn. 16, m.w.N.)
Bei einer Auslegung nach dem Tarifwortlaut ist Voraussetzung der Anordnung einer Untersuchung eine „gegebene Veranlassung“. Hiernach muss es einen Anlass geben zu befürchten, dass ein Orchestermitglied nicht frei von einer ansteckenden Krankheit ist. Ein derartiger Anlass ist gegeben, wenn ein Orchestermitglied konkrete Symptome einer ansteckenden Krankheit zeigt. Der Wortlaut der Tarifnorm beschränkt die Untersuchungspflicht aber nicht auf die Fälle des Vorliegens eines konkreten Verdachts in einer bestimmten Person. Die Tarifnorm fordert vielmehr das Vorliegen einer konkreten Veranlassung, eines sachlichen Grundes, der die Anordnung der Untersuchung rechtfertigt. Der Wortlaut fordert das Vorliegen eines sachlichen Grundes, der die willkürliche Anordnung von Untersuchungen ausschließt. Dass willkürliche Untersuchungen ausgeschlossen werden sollen, wird auch betont durch § 4 Abs. 2 S. 2 TVK, der ausdrücklich regelt, dass von dieser Befugnis nicht willkürlich Gebrauch gemacht werden darf. Dass allein der Verdacht einer Infektion bei einem bestimmten Orchestermitglied ein gegebener Anlass sein kann, ist dem Wortlaut der Regelung deshalb jedenfalls für die hier zur Prüfung anstehende 2. Alternative des § 4 Abs. 2 TVK nicht zu entnehmen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus der Formulierung der Tarifnorm dahin, dass der Arbeitgeber feststellen lassen kann, „ob der Musiker … frei von ansteckenden … Krankheiten ist“, nicht geschlossen werden, dass beim konkret zu untersuchenden Musiker der Verdacht der ansteckenden Krankheit manifest geworden sein muss. Es liegt vielmehr in der Natur einer Erkrankung, dass diese immer nur bei einem konkreten Musiker festgestellt werden kann.
Auch der Entscheidung des BAG vom 25.06.1992 (6 AZR 279/91) ist nicht zu entnehmen, dass der Anwendungsbereich der Tarifnorm auf die Fälle beschränkt ist, in denen bei einem Arbeitnehmer ein konkreter Verdacht einer ansteckenden Erkrankung besteht. Das BAG hat lediglich festgestellt, dass es genügt, dass der Arbeitgeber Veranlassung hat anzunehmen, der Arbeitnehmer sei arbeitsunfähig krank oder er leide an einer der genannten Krankheiten (vgl. LS 2). Das BAG hatte in der damaligen Entscheidung keine Veranlassung sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Veranlassung für die Untersuchung auch in einer Pandemie liegen kann. Streitig war im dortigen Rechtsstreit, ob die beiden in § 4 Abs. 2 TVK genannten Alternativen kumulativ oder alternativ vorliegen müssen. Welche Fälle von § 4 Abs. 2, 2. Alt. TVK umfasst werden, war nicht Gegenstand der Entscheidung. Auch die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme der DOV steht der hier gefundenen Auslegung nicht entgegen. Die von einer Tarifvertragspartei vertretene Auslegung der Tarifnorm ist für das Gericht nicht bindend.
Darüber hinaus überzeugt es nicht, dass der hier gefundenen Auslegung die Anlehnung des TVK an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes entgegensteht. Zum einen gibt es, wie bereits ausgeführt, keine Rechtsprechung, die sich damit auseinandersetzt, ob § 7 BAT den Verdacht einer Erkrankung des zu untersuchenden Musikers voraussetzt. Zum anderen besteht gerade bei § 4 Abs. 2, 2. Alt. TVK ein Gleichklang mit den Regelungen des öffentlichen Dienstes nicht mehr. In der Nachfolgeregelung zu § 7 BAT ist die hier streitgegenständliche Alternative nicht mehr enthalten. § 4 TVK und die entsprechenden Regelungen im TV die Fallen hier auseinander.
Auch bei einer Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Regelung ist Voraussetzung einer Untersuchung nach § 4 Abs. 2, 2. Alt. TVK nicht eine gegebene Veranlassung in Form des Verdachts der Erkrankung eines bestimmten, zu untersuchenden Orchestermitglieds. Die Untersuchung gemäß der zweiten Alternative des § 4 Abs. 2 TVK dient dem Schutz Dritter. Insbesondere Arbeitskollegen, aber auch betriebsfremde Dritte, sollen dadurch vor ansteckenden oder ekelerregenden Krankheiten geschützt werden. (vgl. BAG, Urteil vom 25. Juni 1992 – 6 AZR 279/91, Rn. 37) Dieser Schutzzweck wird bei einer Krankheit, die auch von symptomfreien Personen übertragen werden kann, von der Regelung nur verwirklicht, wenn ihr Anwendungsbereich nicht entgegen dem Wortlaut auf Personen mit Krankheitssymptomen eingeschränkt wird.
Ein Anlass i.S.d. § 4 Abs. 2, 2. Alt. TVG für die Anordnung einer Testpflicht für die Klägerin war und ist gegeben.
Ein derartiger Anlass ist auch gegeben, wenn bei Vorliegen einer pandemischen Lage nationaler Tragweite die Gefahr besteht, dass eine ansteckende Krankheit, die auch von symptomfreien Personen übertragen wird, und die bei einem erheblichen Anteil der Erkrankten, insbesondere bei Personen mit höherem Lebensalter, zum Tod, und bei einem erheblichen Anteil der Personen mit leichteren Verläufen zu Langzeitschäden führt, der Schutz der Orchestermitglieder vor Ansteckung nicht anderweitig möglich ist.
Eine Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus ist eine ansteckende Erkrankung i.S.d. Tarifnorm und im streitgegenständlichen Zeitraum bestand die ernstzunehmende Gefahr, dass Orchestermitglieder bei Proben und Aufführungen durch symptomfreie Personen mit dem Sars-Cov-2-Virus angesteckt werden.
Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass im August 2020 die Inzidenz niedrig war und es auch zu Öffnungen z.B. der Gastronomie gekommen war. Die Gefahr einer Ansteckung mit dem Sars-Cov-2-Virus war aber weiterhin gegeben. Eine Vielzahl von Schutzmaßnahmen, wie z.B. die Pflicht zum Tragen von Masken in vielen Situation, Abstandsregeln usw. waren weiterhin in Kraft. Es bestand nach wie vor noch eine epidemische Lage nationaler Tragweite, d.h. der Bundestag ging vom Weiterbestehen einer sich dynamisch entwickelnden Ausbruchssituation aus, und von Experten wurde vor einem Wiederanstieg der Infektionszahlen durch Reiserückkehrer und vermehrte Aufenthalte in Innenräumen im Herbst gewarnt. Dass diese Prognosen nicht unberechtigt waren, konnte in der Folge sowohl an den Infektionszahlen, als auch an der Zahl der Krankenhausaufenthalte und Todesfälle von Covid-Patienten abgelesen werden.
Der Sars-Cov-2-Virus wird auch von symptomfreien Personen übertragen. Hierbei handelt es sich zum einen um Personen, die sich mit dem Virus infizieren, aber selbst nicht erkranken, gleichwohl aber den Virus an andere weitergeben können. Zum anderen handelt es sich um Personen, die an Covid erkranken, aber bereits 48 Stunden vor dem Ausbruch der Symptome andere Personen mit dem Virus infizieren können. Weder die infizierten Personen selbst noch ihr Umfeld haben in dieser Situation die Möglichkeit zu erkennen, dass im Falle eines Kontakts von diesen Personen eine Ansteckungsgefahr ausgeht. Eine derartige Situation ist ein gegebener Anlass i.S.d. § 4 Abs. 2 Alt. 2 TVK. Der Anwendungsbereich der Tarifnorm ist eröffnet auch für die Anordnung der Untersuchung von symptomfreien Personen.
Die Anordnung einer Untersuchung durch Ärzte des Klinikums Rechts der Isar ist von § 4 Abs. 2, 2. Alt. TVK gedeckt.
Nach dieser Regelung kann eine Untersuchung durch das Gesundheitsamt oder durch einen Vertrauensarzt angeordnet werden. Der Begriff des Vertrauensarztes ist weder gesetzlich noch tariflich definiert. Es handelt sich um Ärzte, die im Auftrag des Arbeitgebers untersuchend und begutachtend tätig sind, um diesem Entscheidungsgrundlagen für Maßnahmen an die Hand zu geben, für die medizinische Sachverhalte maßgebend sind. (Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Auflage 2016, § 75 BPersVG, Rn. 94) Vorliegend bedient sich der Beklagte der HNO-Ärzte des Klinikums rechts der Isar, um die Tests vorzunehmen. Diese sind somit die Vertrauensärzte.
Dass der Beklagte es den Arbeitnehmern ermöglicht, sich statt an die vom Beklagten benannten Ärzte auch an Ärzte ihres eigenen Vertrauens zur Durchführung des Tests zu begeben, steht der Anwendbarkeit der Tarifnorm nicht entgegen. Vielmehr ist die Anordnung sich alternativ von einem selbst gewählten Arzt untersuchen zu lassen, erst recht von der Tarifnorm umfasst, da dies den geringeren Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers darstellt.
Die von § 4 Abs. 2 Alt. 2 TVK ermöglichte Anordnung einer ärztlichen Untersuchung muss im Einzelfall billigem Ermessen entsprechen um wirksam zu sein. Das ist hier der Fall.
Auch soweit das Direktionsrecht nach Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag besteht, darf es nur nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB ausgeübt werden. (vgl. BAG, 07.12.2000 – 6 AZR 444/99, Rn. 12) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. (vgl. BAG, 17.08.2011 – 10 AZR 202/10, Rn. 22)
Der Beklagte hat ein erhebliches Interesse an der Durchführung der Tests, da er sowohl privatrechtlich gegenüber allen anderen Arbeitnehmern als auch öffentlichrechtlich verpflichtet ist, die Gesundheit der anderen Arbeitnehmer, insbesondere auch der Orchestermitglieder, die mit der Klägerin unmittelbar zusammenarbeiten, zu schützen. Aus § 618 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern verpflichtet, Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Dies ist Teil der Fürsorgepflicht, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern schuldet. Nach § 3 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben. Hierbei sind nach § 4 ArbSchG Gefahren an der Quelle zu bekämpfen (Ziff. 2), bei den Maßnahmen der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene zu berücksichtigen (Ziff. 3), wobei individuelle Schutzmaßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen sind (Ziff. 5).
Der Beklagte ist deshalb im Rahmen der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vor einer Ansteckung mit dem Sars-Cov-2-Virus zu ergreifen.
Die Anordnung der PCR-Tests entsprechend dem Testkonzept war eine Maßnahme, die geeignet ist, die Arbeitnehmer vor einer Ansteckung mit dem Sars-Cov-2-Virus zu schützen.
Arbeitnehmer, die im Betrieb zusammentreffen und sich gegenseitig anstecken können, auf eine Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus zu testen, ist eine geeignete Maßnahme, um Ansteckungen im Betrieb zu verhindern und so die Gesundheit der potentiell von einer Ansteckung betroffenen Arbeitnehmer zu schützen. Die Tests ermöglichen, dass die Infektion symptomfreier, aber mit dem Sars-Cov-2-Virus infizierter Personen frühzeitig erkannt werden, weitere Kontakte und damit Ansteckungen verhindert und bereits stattgefundene Kontakte zeitnah nachvollzogen werden können. Die grundsätzliche Geeignetheit von Test zur Verhinderung von Ansteckungen zeigt sich auch darin, dass sobald Tests in der Breite verfügbar waren, Testangebote in Betrieben und Testpflichten für nicht Geimpfte oder Genesene Personen in Schulen und für den Zugang zu Veranstaltungen, Museen usw. vom Gesetzgeber eingeführt wurden.
Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, der Beklagte hätte den PCR-Test nicht anordnen dürfen, da dieser nicht geeignet sei, um eine Infektion festzustellen.
Nach § 4 Ziffer 3 ArbSchG hat sich der Arbeitgeber bei seinen Maßnahmen am Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene zu orientieren. Der PCR-Test ist der Test, der deutschlandweit von allen Gesundheitsämtern zum Nachweis einer Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus anerkannt wird, und der flächendeckend in Arztpraxen und Krankenhäusern zur Anwendung kommt. Der Beklagte durfte sich deshalb darauf verlassen, dass diese vom Klinikum rechts der Isar empfohlene Testmöglichkeit dem Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene entspricht und eine geeignete Möglichkeit für den Nachweis einer Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus darstellt. Dass es auch bei den PCR-Tests in gewissen Umfang zu Fehlern kommen mag, ändert nichts daran, dass dieser Test dem Stand der Technik entspricht und somit geeignet ist.
Die Tests waren auch nicht ungeeignet, weil sie in zu geringer Frequenz durchgeführt wurden.
Zwar ist es zutreffend, dass mehr Tests in geringerem zeitlichen Abstand zu mehr Schutz führen. Das bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass weniger Tests in etwas größeren Abständen nicht geeignet sind, Infektionen im Betrieb zu verhindern. Der Beklagte hatte sich hier wissenschaftlich beraten lassen und ein Testkonzept mit einem rollierenden System je nach Berufsgruppen entwickelt. Konkreten Vortrag dazu, warum dieses mit wissenschaftlicher Hilfe entwickelte Konzept nicht geeignet sei, Infektionen festzustellen leistet die Klägerin nicht. Darüber hinaus ist das Vorbringen der Klägerin hier widersprüchlich. Sie macht geltend, dass ihr die Durchführung der Tests bereits in der vorgegebenen Frequenz nicht zumutbar sei, rügt aber gleichzeitig, dass der Beklagte zu wenige Tests vorgesehen habe.
Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Geeignetheit der Tests auch nicht entgegen, dass das RKI keine anlasslosen Massentests befürwortet hat. Der Beklagte hat bei der Staatsoper keine anlasslosen Massentests eingeführt, sondern ein mit wissenschaftlicher Beratung erarbeitetes Testkonzept für die Arbeitnehmer des Betriebs, der sich in vielfacher Hinsicht von typischen Produktions- oder Dienstleistungsbetrieben unterscheidet, und in dem, jedenfalls in dem hier interessierenden Bereich des Orchesters, die typischen Arbeitsschutzmaßnahmen wie das Tragen von Masken und Einhalten von Abständen allenfalls teilweise möglich sind. Darüber hinaus wurden, wie bereits ausgeführt, mit zunehmender Verfügbarkeit Testangebote und Testpflichten auch in anderen Bereichen stetig ausgeweitet.
Die Geeignetheit der Tests wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin rügt, die Staatsoper habe diese nicht konsequent durchgeführt. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin ist bereits unsubstantiiert. Auch wenn die Klägerin im Berufungsverfahren hier die Namen einzelner Musiker nennt, ist der Vortrag, wie der Beklagte rügte, schon nicht erwiderungsfähig, da jegliche zeitliche Einordnung fehlt. Im Übrigen kann es dahinstehen, ob der Vortrag der Klägerin, dem der Beklagte bzgl. eines von ihm als angesprochen vermuteten Konzerts auch entgegengetreten ist, tatsächlich zutrifft. Selbst wenn es in zwei Fällen im letzten Jahr zu einer Abweichung vom Testkonzept gekommen sein soll, können derartige vereinzelte Ausnahmefälle nicht die Eignung des ansonsten vollzogenen Testkonzepts in Frage stellen.
Die Durchführung der Tests war auch erforderlich für den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter im Orchester.
Alle Vorgaben zum Arbeitsschutz während der Pandemie, z.B. der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung veröffentlichte Arbeitsschutzstandard sowie die vom Arbeitsschutzausschuss beim BMAS herausgegebene Sars-Cov-2-Arbeitsschutzregel geben Maßnahmen vor, die verhindern sollen, dass ein sich unerkannt infiziert am Arbeitsplatz aufhaltender Arbeitnehmer andere Arbeitnehmer ansteckt. Im Wesentlichen wird hierbei auf 10 qm Mindestfläche je Arbeitnehmer, Abstände, Abtrennungen zwischen Arbeitsplätzen und Mund-Nasen-Bedeckung (Masken) abgestellt. Wobei betont wird, dass überall dort, wo diese Maßnahmen nicht umsetzbar sind, im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung gleichwertige alternative und gleichwertige Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen sind (Ziffer 4.2.13 der Sars-Cov-2-Arbeitsschutzregel und § 2 § 2 Abs. 5 Sars-Cov-2-Arbeitsschutzverordnung.
Der Beklagte hat die hiernach vorgegebenen Maßnahmen durchgeführt, soweit sie mit der von der Klägerin zu erbringenden Arbeitsleistung vereinbar waren, z.B. die Fläche für das Orchester und die Abstände zwischen den Musikern vergrößert, für eine bessere Belüftung gesorgt usw. Die Gewährleistung eines Schutzniveaus wie in anderen Betrieben durch Abstände, Maskentragen, Mindestflächen von 10 qm je Arbeitnehmer, Homeoffice usw. ist jedoch hier gerade wegen der Eigenart der von der Klägerin geschuldeten Arbeitsleistung nicht möglich.
Die Klägerin kann ihre Arbeitsleistung als Flötistin nicht mit Maske erbringen. Das Spielen der Querflöte ist zwangsläufig mit der Verbreitung von Tröpfchen und Aerosolen in mehrere Richtungen über einen Abstand von mehr als 1,5 m hinweg verbunden. Selbst wenn man mit der Klägerin unterstellt, dass bei einem Mindestabstand von drei Metern in alle Richtungen Gesundheitsgefahren für die anderen Mitglieder des Orchesters im Falle einer Infektion der Klägerin ausgeschlossen wären, lässt sich ein angemessener Arbeitsschutz auf diese Weise nicht umsetzten. Die Klägerin führt zwar als milderes Mittel die Möglichkeit an, die Anstände zu vergrößern, mehr Trennwände einzuziehen oder gar die Flötisten am Rand zu platzieren. Der Beklagte hat aber unbestritten vorgetragen, dass ein Abstand von jeweils drei Metern das Zusammenspiel des Orchesters beeinträchtigen würde, und die Musiker bereits bei den derzeitigen Abständen dazu neigen zusammenzurücken, um sich gegenseitig besser hören zu können. Sinn und Zweck der Proben und Aufführungen der Staatsoper ist es aber nicht, in irgendeiner Weise Partituren abspielen zu lassen, sondern Aufführungen durch einen Klangkörper von Weltrang zu bieten. Geeignet sind deshalb nur Maßnahmen, die eine Orchesterleistung auf dem Niveau ermöglichen, dem sich die Staatsoper und sicherlich auch die dort tätigen Orchestermitglieder verpflichtet fühlen. Vor diesem Hintergrund ist auch der Vorschlag der Klägerin, man möge die Sitzordnung im Orchester ändern und die Flötisten am Rand platzieren, d.h. vom üblichen Orchesteraufbau abweichen, nicht zielführend. Es sind deshalb andere Maßnahmen, wie das Ausschließen von Infektionen bei den Orchestermitgliedern durch entsprechende Tests erforderlich, um ein angemessenes Schutzniveau für die Orchestermusiker zu gewährleisten. Die Tests, die zur Bekämpfung der Infektionsgefahr an der Quelle beitragen (§ 4 Ziff. 2 ArbSchG), sind erforderlich, um in Anbetracht der Besonderheiten des Arbeitsplatzes der Klägerin nach der Gefährdungsbeurteilung zu einem gleichwertigen Schutzniveau zu kommen.
Der Erforderlichkeit der Tests steht auch nicht entgegen, dass sich die Arbeitnehmer nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in öffentlichen Verkehrsmitteln anstecken können. Vielmehr stützt dies gerade die Erforderlichkeit der Tests am Arbeitsplatz. Gerade weil auch Arbeitnehmer, die sich an die Corona-Schutzmaßnahmen halten, eine Ansteckung in Alltagssituationen wie bei einem Einkauf oder in der U-Bahn nie ganz ausschließen können, sind die Test erforderlich, um zu verhindern, dass derartige Infektionen unerkannt im Betrieb weitergegeben werden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Tests auch nicht deshalb entbehrlich, weil auch in anderen Bereichen, zum Beispiel beim Hörschutz der Arbeitsschutz nicht konsequent umgesetzt wird, und der Eigenverantwortung der betroffenen Arbeitnehmer überlassen bleibt. Selbst wenn man dies zugunsten der Klägerin als zutreffend unterstellt, so verkennt die Klägerin doch, dass es bei den Corona-Tests nicht um Eigenverantwortung, der Übernahme von Verantwortung für Risiken für die eigene Person, sondern um Solidarität, die Bereitschaft für den Schutz anderer etwas auf sich zu nehmen, geht.
Die Durchführung der Corona-Tests dient nicht dem Schutz der getesteten Person selbst, sondern dem Schutz der Kollegen. Im Falle eines negativen Tests, ist die getestete Person nicht vor einer Infektion in der Zukunft geschützt, und im Falle eines positiven Tests wird der Krankheitsverlauf bei der getesteten Person in Anbetracht der eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten eher nicht wesentlich verbessert werden. Bei der Durchführung des Tests geht es nicht um die Frage, was jemand bereit ist, für die Minimierung seines eigenen Risikos zu tun. Das kann jeder im Rahmen des rechtlich zulässigen, z.B. beim Aufsetzen eines Fahrradhelms, für sich selbst entscheiden. Im Bereich des Arbeitsschutzes ist es aber stets auch die Pflicht des Arbeitgebers für die korrekte Umsetzung des Arbeitsschutzes zu sorgen, auch um eine Aushöhlung des Arbeitsschutzes durch ein Berufen auf einen vermeintlichen Arbeitnehmerwunsch zu verhindern. Die Durchführung des Tests dient dem Schutz der möglichen Kontaktpersonen der getesteten Person, hier konkret den anderen Mitgliedern des Orchesters. Es geht um die Frage, was jemand bereit ist, für den Schutz der Kollegen zu tun, es geht um die Verantwortung nicht für die eigene Person sondern für die Risiken, denen die anderen Musiker ausgesetzt sind. Das vorliegende Verfahren zeigt, dass die Bereitschaft für den Schutz der Kollegen etwas auf sich zu nehmen, was als unangenehm empfunden wird, unterschiedlich ausgeprägt ist. Der Beklagte kann sich deshalb nicht darauf verlassen, dass alle Arbeitnehmer auch ohne Testpflicht allein zum Schutz der Kollegen, Tests durchführen lassen.
Gegen die Erforderlichkeit der Tests spricht auch nicht, dass in anderen Orchestern nicht getestet wurde oder wird, oder dass die Staatsoper gegenüber Orchestern ohne Testungen keine Privilegien erhält. Dass bei anderen Orchestern nicht getestet wurde, kann eine Vielzahl von Ursachen haben, von einer viel stärkeren Einschränkung des Proben- und Aufführungsbetriebs bis hin zur mangelnden Verfügbarkeit von Tests. Konkreten Vortrag dazu, dass in anderen Orchestern ein gleichwertiger Proben- und Aufführungsbetrieb bei milderen Mitteln zur Gewährung eines vergleichbaren Schutzniveaus möglich war, leistet die Klägerin nicht.
Auch der Umstand, dass es für andere Arbeitnehmer mit mehr Kontakten, z.B. die Mitarbeiter der Bahn, keine Testpflicht gibt, steht der Erforderlichkeit Testpflicht hier nicht entgegen. Die Risiken an einem bestimmten Arbeitsplatz hängen nicht nur von der Zahl der Kontakte ab, sondern maßgeblich auch davon, welche Schutzmaßnahmen möglich sind und wie lange die Kontakte unter welchen Rahmenbedingungen dauern. Die Situation eines Mitarbeiters bei der Bahn, der Maske tragen kann und nur kurze Kontakte an unterschiedlichen Orten hat, ist mit der Situation eines Orchesters, das sich über längere Zeit an bestimmten Sitzplätzen aufhält und indem gerade über die Blasinstrumente Tröpfchen und Aerosole ungefiltert durch Masken im Raum verteilt werden, nicht vergleichbar.
Die Einführung der Testpflicht war auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin verhältnismäßig.
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Wahrung ihrer körperlichen Unversehrtheit. Ein von einer anderen Person abgenommener Nasen- und/oder Rachenabstrich stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Dies ist jeder Eingriff in die körperliche Integrität oder Befindlichkeit, die einen von den normalen körperlichen Funktionen nicht nur unerheblich abweichenden Zustand hervorruft, also jedes Hervorrufen oder Steigern eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteiligen abweichenden Zustands unabhängig davon, ob Schmerzen oder eine tiefgreifende Veränderung der Befindlichkeit auftreten (Palandt, BGB, 76. Auflage, § 823 Rn. 4 m.w.N.).
Die Klägerin kann sich allerdings nicht darauf berufen, dass ihr der Nasen- und Rachenabstrich, wie er von der Staatsoper selbst angeboten wurde, wegen der Verletzungsgefahr für die Nasenschleimhaut nicht zumutbar war. Der Beklagte hat zu keiner Zeit verlangt, dass zwingend ein Nasen- und Rachenabstrich vorgenommen werden muss. Er hat es vielmehr akzeptiert, dass die Arbeitnehmer einen PCR-Test bei einem Arzt ihres Vertrauens in Form eines reinen Rachenabstrichs durchführen. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin ab Oktober 2020 auch Gebrauch gemacht.
Die Klägerin hat darüber hinaus ein Interesse an der Wahrung ihres Persönlichkeitsrechts, zu dem auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht bzgl. ihrer medizinischen Daten gehört. Bei der Information, ob und mit welchem Ergebnis die Klägerin auf das Sars-Cov-2-Virus getestet wurde, handelt es sich um sensible persönliche Daten.
Den Interessen der Klägerin steht das Interesse des Beklagten, und letztlich auch der anderen Orchestermitglieder gegenüber, einen Proben- und Aufführungsbetrieb aufrechtzuerhalten, der unter den speziellen Arbeitsbedingungen eines Repertoirorchesters auf höchstem Niveau für alle Ensemblemitglieder einen bestmöglichen Schutz vor Ansteckung mit einer potentiell tödlichen oder mit langfristigen Nachwirkungen verbundenen Krankheit bietet.
Bei Abwägung dieser Interessen ist der Klägerin die Durchführung der Tests zumutbar.
Der allein erforderliche Rachenabstrich war eine der Klägerin zumutbare körperliche Beeinträchtigung. Auch wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die Empfindlichkeit bzgl. eines Rachenabstrichs nicht bei allen Menschen gleich groß ist und unterstellt, dass die Klägerin in diesem Bereich besonders sensibel ist, so handelt es sich doch um einen Vorgang, der das körperlichen Wohlbefinden nur für einen sehr kurzen Zeitraum, einige Sekunden, und ohne Folgen beeinträchtigt.
Die Information über einen negativen oder positiven Test ist zwar ein sensibles persönliches Datum, aber es lässt keine Rückschlüsse auf sonstige medizinische Daten einer Person zu. Mit der Weitergabe des Testergebnisses wird somit nur eine ganz abgegrenzte Information über eine Person weitergeben.
Sowohl eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit als auch des informationellen Selbstbestimmungsrechts sind vorliegend zwar gegeben, allerdings besteht jeweils eine geringe Eingriffstiefe. Dem steht das Risiko gegenüber, dass mangels geeigneter Schutzmaßnahmen wie des Tragens einer Maske im Falle einer Infektion der Klägerin ein hohes Risiko für die Weitergabe des Sars-Cov-2-Virus an andere Ensemblemitglieder besteht, das sich ohne Testpflicht sodann im Ensemble ausbreiten könnte. In Anbetracht der ganz erheblichen Risiken für Gesundheit und Leben, die bei einer Infektion mit dem Sars-Cov-2-Virus für die anderen Ensemblemitglieder und letztlich auch für die mit diesen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen bestehen, ist der Klägerin ein Eingriff von geringer Tiefe in die körperliche Unversehrtheit und in das informationelle Selbstbestimmungsrecht zumutbar. Die Weisung entsprach deshalb billigem Ermessen.
Der Testpflicht steht auch nicht eine Verletzung des Art. 9 DSGVO entgegen. Der Klägerin stellt zwar zutreffend fest, dass es sich bei den Daten bezüglich der Tests um sensible Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO handelt. Dies macht die Durchführung der Tests aber nicht unzulässig. Art. 9 Abs. 2 DSGVO gestattet die Erhebung und Verarbeitung von Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DSGVO durch den Arbeitgeber um Pflichten aus dem Arbeitsrecht und dem Recht der sozialen Sicherheit sowie nach dem Recht der Kollektivvereinbarungen zu erfüllen. Vorliegend erhebt der Beklagte, wie oben ausgeführt, die Daten über die Tests auf der Grundlage des § 4 Abs. 2, 2. Alt. TVK, d.h. auf einer kollektivrechtlichen Grundlage um seine arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht (§ 618 BGB) und seine arbeitsschutzrechtlichen Pflichten zu erfüllen (§§ 3, 4 ArbSchG) zu erfüllen. Die Erhebung der Testdaten ist deshalb nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO gerechtfertigt.
Dazu, dass der Beklagte bei der Verarbeitung der Daten datenschutzrechtliche Vorschriften nicht beachten würde, hat die Klägerin keinen konkreten Vortrag geleistet. Allein die von der Beklagtenseite geäußerte Befürchtung, dass sich Orchestermitglieder weigern würde, an Proben oder Aufführungen teilzunehmen, wenn die Klägerin sich nicht testen ließe, lässt einen solchen Schluss nicht zu. Es kann nicht festgestellt werden, dass über den Umstand hinaus, dass der vorliegende Rechtsstreit und somit die jedenfalls zeitwillige Weiterung der Klägerin, sich testen zu lassen, im Orchester bekannt ist, bei Orchestermitgliedern oder sonstigen Arbeitnehmern der Beklagten Kenntnisse über Tests der Klägerin vorliegen.
Auch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kann sich die Klägerin nicht berufen.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. (vgl. BAG, 13.12.2016 – 9 AZR 574/15, Rn. 32)
Hier hat der Beklagte sich keine Regelung für alle Orchester oder Theater selbst gegeben, von der er im Einzelfall abgewichen ist. Vielmehr haben sehr unterschiedliche vom Beklagten zwar getragene aber unabhängig voneinander betriebene und geleitete Häuser jeweils vor dem Hintergrund ihrer örtlichen Gegebenheiten, künstlerischen Ansprüche und sonstigen Möglichkeiten Hygienekonzepte entwickelt. Dass das Hygienekonzept der Staatsoper bereits seit August 2020 ein Testkonzept umfasste, begründet dabei keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, die unterschiedlichen Räumlichkeiten würden keine unterschiedlichen Hygienekonzepte rechtfertigen, kann das nicht nachvollzogen werden.
Die Gefährdungsbeurteilung hat sich nach § 5 ArbSchG mit den Gefahren am konkreten Arbeitsplatz auseinanderzusetzen. Diese werden durch die Räumlichkeiten und technischen Möglichkeiten der einzelnen Häuser wesentlich geprägt. Dementsprechend haben auch die Hygienekonzepte jeweils den örtlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Darüber hinaus käme eine Benachteiligung der Klägerin ohne sachlichen Grund nur dann in Betracht, wenn die Hygienekonzepte ohne Testpflicht zum gleichen Schutzniveau führen würden. Auch hierzu fehlt jeder substantiierte Vortrag.