Das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 23.06.2020 zum Aktenzeichen 4 L 487/20.KO und 4 L 494/20.KO entschieden, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) bei wiederholten einfachen Verkehrsverstößen im Einzelfall rechtswidrig sein kann, die Verpflichtung eines Fahrerlaubnisinhabers bei nachgewiesenem gelegentlichen Cannabis-Konsum zur Durchführung einer MPU sei hingegen rechtmäßig.
Aus der Pressemitteilung des VG Koblenz Nr. 25/2020 vom 08.07.2020 ergibt sich:
Die beiden Antragsteller aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis und dem Landkreis Birkenfeld wandten sich gegen Fahrerlaubnisentziehungen, die sich jeweils auf die nicht fristgerechte Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens stützten. Bringt ein Kraftfahrer trotz Anordnung einer MPU durch die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten nicht fristgerecht bei, so kann daraus auf seine fehlende Eignung zum Führen von Kfz geschlossen werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Anordnung der MPU rechtmäßig erfolgte.
Der Antragsteller aus dem Rhein-Hunsrück-Kreiswar wegen zweimaliger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, eines Überholvorgangs ohne Beachtung des Gegenverkehrs sowie einer Fahrt unter Alkoholeinfluss (im Zeitraum von September 2017 bis Februar 2019) zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert worden.
Das VG Koblenz hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung und der Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins wiederhergestellt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Anordnung der MPU nicht rechtmäßig erfolgt. Zwar könnten wiederholte Verstöße gegen verkehrsrechtliche Vorschriften ausnahmsweise zu einer solchen Anordnung berechtigen, dies gelte aber nur, sofern Maßnahmen nach dem sog. Fahreignungs-Bewertungssystem (früheres Punktsystem) nicht ausreichten. Hierbei handele sich um ein abgestuftes System, das erst ab acht Punkten einen Fahrerlaubnisentzug vorsehe. Eine vorherige Entziehung der Fahrerlaubnis sei nur in eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller (dessen Fahreignungsregister fünf Punkte aufwies) nach dem Durchlaufen von präventiven Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu verkehrsordnungsgemäßem Verhalten zurückfinde.
Im Fall aus dem Landkreis Birkenfeld war durch eine Blutprobe anlässlich einer Polizeikontrolle ein zumindest gelegentlicher Cannabis-Konsum des Antragstellers nachgewiesen worden.
Das VG Koblenz hat den Eilantrag abgelehnt.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts verbiete sich zwar auch in Fällen eines Cannabis-Konsums die Anordnung einer MPU, wenn der Fahrzeugführer zwischen Konsum und Fahren zu trennen wisse. Hiervon könne im Fall des Antragstellers aber nicht die Rede sein. Er habe zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle unter akutem Einfluss von Cannabis gestanden. Zudem habe seine Blutprobe einen so hohen Wert ausgewiesen, dass schon nach statistischen Erhebungen von Beeinträchtigungen wie Antriebssteigerungen, erhöhter Risikobereitschaft sowie einer Herabsetzung der Sehschärfe mit verzögerten Reaktionen auszugehen sei. Der Antragsteller habe auch entsprechende Ausfallerscheinungen (Augenlidflattern und starkes Zittern der Hände) gezeigt.
Gegen die Entscheidungen können die Beteiligten Beschwerde zum OVG Koblenz erheben.