Anhörung des Digitalausschusses im Bundestag: djb fordert entschiedene Maßnahmen gegen digitale Gewalt

Anlässlich der Anhörung des Digitalausschusses des Bundestages am 24.03.2021 zum Thema „Digitale Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ mahnt der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) überfällige Gesetzesreformen und weitere Maßnahmen an.

Aus der Pressemitteilung des djb vom 24.03.2021 ergibt sich:

„Durch die Digitalisierung erfolgt Gewalt gegen Frauen und Mädchen in einer neuen Qualität und mit einer bis dahin unvorstellbaren Dynamisierung, die adäquate Antworten des Rechtsstaates verlangt. Es geht nicht nur um schwere individuelle Rechtsverletzungen, insbesondere durch Hassrede ist auch unsere Demokratie bedroht!“, so die Präsidentin des djb Prof. Dr. Maria Wersig. Noch immer werde Frauenhass bagatellisiert; dabei stelle Antifeminismus oft die „Einstiegsdroge“ für Rechtsextremismus dar und sei ebenso gefährlich wie Rassismus oder Antisemitismus.

Prof. Dr. Maria Wersig verweist auf die ausführlichen Stellungnahmen des djb zu zwei noch immer nicht rechtsgültig abgeschlossenen Gesetzesvorhaben – zu dem Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (www.djb.de/presse/pressemitteilungen/detail/st20-01) sowie zu dem Gesetzentwurf zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st20-14/) – und betont die Dringlichkeit neuer Regelungen.

Bei beiden rechtlichen Vorstößen geht es um wichtige Neuerungen, wie sie vom djb und anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen schon lange gefordert werden. Allerdings sieht der djb die Notwendigkeit der Präzisierung und weitergehender Maßnahmen. So ist es zwar erfreulich, wenn eine Transparenzpflicht den Austausch zwischen Wissenschaft und Plattformen befördern und zu mehr Datenauswertungen führen soll. Es ist aber zu befürchten, dass die Plattformen ohne entsprechende Berichtspflichten nur wenige oder gar keine Daten offenlegen. Auch wäre die Pflicht der Plattformen zur Offenlegung von Algorithmen, mit deren Hilfe automatisiert unzulässige Inhalte aufgespürt werden, ein wichtiger Fortschritt. Da aber Algorithmen mit vorhandenen Daten „trainiert“ werden, die in der Regel eine strukturelle Benachteiligung von Frauen enthalten, muss der dadurch entstehenden Potenzierung von Diskriminierung entgegengewirkt werden. Der djb sieht sich bei diesen Einschätzungen durch das neue Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung bestätigt (https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/de/topic/73.gutachten.html).

Neben den notwendigen Gesetzesänderungen ist es zwingend erforderlich, flächendeckend Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Straftaten im Zusammenhang mit digitaler Gewalt einzurichten und diese angemessen auszustatten. Gleichzeitig sind verpflichtende Fortbildungen für Justiz, Staatsanwaltschaft und Polizei unumgänglich. Dabei ist insbesondere die geschlechtsspezifische Dimension von digitaler Gewalt in den Blick zu nehmen. Die Sensibilisierung der Rechtsanwender*innen für diese Thematik ist unerlässlich, um zu gewährleisten, dass Hasskriminalität im Netz als solche erkannt und entsprechend verfolgt wird.

Erforderlich ist es zudem, die Datenlage weiter zu verbessern. Der djb fordert, die polizeiliche Definition von sogenannter Hasskriminalität um das Merkmal „Geschlecht“ zu ergänzen. Damit einhergehen muss die entsprechende Schulung der Strafverfolgungsbehörden, die in der Lage sein müssen, die geschlechtsspezifische Dimension im Einzelfall zu erkennen.

Die Statistiken zur politisch motivierten Kriminalität sind zudem insgesamt, also auch bezüglich aller anderen Vorurteilsmotive, um Aufschlüsselungen nach Geschlecht zu ergänzen; und zwar sowohl bezogen auf die Täter*innen, als auch bezogen auf die Opfer von Vorurteilskriminalität. Dabei ist eine Abkehr von der binären Aufteilung erforderlich, die auch für die Polizeiliche Kriminalstatistik insgesamt durchgeführt werden muss.

Um einen Selbstschutz gegen Hassattacken zu gewährleisten, müssen rechtliche Möglichkeiten geschaffen werden, eine private Adresse im Netz nicht angeben zu müssen, sondern sie z.B. bei einer öffentlichen Stelle zu hinterlegen. Hierfür sind die geltenden Impressumspflichten neu zu regeln und ein durch staatliche Schutzstellen vermittelter anonymisierter virtueller Raum zu garantieren. Der djb schließt sich entsprechenden Forderungen im Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht ausdrücklich an.