AGG-Hopping – eine strafrechtliche Subsumtion (Rechtsauffassung des LG München I)

Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 23.11.2015 zum Aktenzeichen 12 KLs 231 Js 139171/12 entschieden, dass AGG-Hopping keine Betrugsstraftat darstellt

A. Betrug

Für die Annahme eines Betrugs bzw. versuchten Betrugs müsste zunächst das Tatbestandsmerkmal der Täuschung gegeben sein.

I. Täuschung

Dabei kommen verschiedene Handlungen in Betracht, aus denen sich eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB ergeben könnte.

Zunächst könnte bereits in der Bewerbung eine Täuschung enthalten sein, nämlich über die Ernsthaftigkeit der Bewerbung.

Weiterhin könnte eine Täuschung in der Geltendmachung von Entschädigungen nach § 15 Abs. 2 AGG (außergerichtlich oder gerichtlich) vorliegen.

1. Bewerbung

Eine bloße (nicht ernst gemeinte) Bewerbung führt noch nicht zu einer Strafbarkeit wegen versuchten Betrugs, weil sie – ohne weitere Zwischenschritte – nicht zu einer Vermögensverfügung auf Seiten des Arbeitgebers führt.

Zwar mag eine solche Bewerbung zu der irrigen Annahme beim Arbeitgeber – sofern sich dieser im konkreten Fall überhaupt Gedanken über die Ernsthaftigkeit der Bewerbung macht – führen, dass Ziel der Bewerbung auch tatsächlich die Erlangung der ausgeschriebenen Arbeitsstelle ist.

Jedoch führt dieser Irrtum nicht kausal zu einer Vermögensverfügung. In den konkreten Fällen führten die Bewerbungen lediglich zu einer Absage ohne vermögensschädigende Wirkung.

Insoweit steht dies auch in Einklang mit der Einordnung der Bewerbung durch die Staatsanwaltschaft als straflose Vorbereitungshandlung und der aus diesem Grund erfolgten Einstellung der Fälle, in denen lediglich eine Bewerbung abgeschickt wurde.

2. Forderungsschreiben

a. Aktive Täuschung

Als weiterer Anknüpfungspunkt für eine betrugsrelevante Täuschung käme das
Schreiben mit einer Entschädigungsforderung an den Arbeitgeber und die damit verbundene Geltendmachung von Ansprüchen aus dem AGG in Betracht.

Beim Einfordern einer Leistung liegt eine Täuschung über Tatsachen nur dann vor, wenn entweder ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt oder die rechtliche Wirksamkeit des Anspruchs wahrheitswidrig als – etwa durch Gerichtsentscheidungen – als gesichert dargestellt wird., während das Einfordern einer Leistung bei unsicherer Rechtslage als solches nicht genügt.

Beides ist vorliegend nicht der Fall:

aa) Behauptung eines gesicherten Anspruchs

Durch die jeweiligen Forderungsschreiben wird bereits das Bestehen eines Anspruchs durch den Bewerber nicht als sicher dargestellt, sondern vermeintliche Ansprüche lediglich geltend
gemacht.

Der Bewerber stellt in den Forderungsschreiben die Ansprüche gerade nicht als gesichert dar.

Vielmehr behauptet ein Bewerber, der sich diskriminiert fühlt, dass er lediglich von dem Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund der insoweit möglicherweise fehlerhaft (weil diskriminierend) ausgeschriebenen Stellenbeschreibung ausgehen.

Hierbei macht sich der Bewerber die Vermutungswirkung des § 22 AGG zu Nutze.

Danach hat der Anspruchsteller das Vorliegen einer Benachteiligung und den Verstoß gegen ein Merkmal aus § 1 AGG darzulegen und zu beweisen.

Für das Beruhen der Benachteiligung auf dem Merkmal gilt dann eine herabgesetzte Beweislast bis hin zu einer Beweislastumkehr.

Insofern hat der Anspruchsteller Indizien für einen Verstoß darzulegen.

Sodann trägt der Anspruchsgegner nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass ein Verstoß tatsächlich nicht vorgelegen hat.

Dabei ist nach der Gesetzeslage der Geltendmachung des Anspruchs aus § 15 AGG immanent, dass der Bewerber / Anspruchsteller eine Diskriminierung nur behauptet, da es sich um eine innere Tatsache handelt.

Es kann daher in der Regel nur eine Vermutung aufgestellt werden, dass eine Diskriminierung stattgefunden hat.

Diese muss mit Indizien belegt werden.

Diese Indizien werden in den jeweiligen Forderungsschreiben vorgetragen und ergeben sich aus dem jeweiligen Wortlaut der Stellenausschreibungen.

bb) Bezug zu unzutreffender Tatsachenbasis

Als unzutreffende Tatsachenbasis kommt hier lediglich eine subjektiv fehlende Ernsthaftigkeit der jeweiligen Bewerbung in Betracht.

Eine solche lässt sich dem Gesetzeswortlaut jedoch nicht als Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs aus § 15 AGG entnehmen.

Vielmehr ergibt sich ein Anspruch aus § 15 AGG, wenn eine Benachteiligung aufgrund eines der in § 1 AGG genannten Merkmale vorliegt.

Wie oben bereits ausgeführt, trägt der Bewerber die Darlegungslast für das Vorliegen einer Benachteiligung.

Deren Voraussetzungen ergeben sich dabei aus § 3 AGG: Dem Anspruchsteller darf nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung widerfahren sein, als einer Person in einer vergleichbaren Lage.

Eine strafrechtlich relevante Täuschung über die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung käme jedoch nur dann in Betracht, wenn es sich dabei um eine Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs aus § 15 AGG handelt, was wiederum nur dann der Fall wäre, wenn bei fehlender subjektiver Ernsthaftigkeit bereits der persönliche Anwendungsbereich des AGG nach § 6 Abs. 1 AGG nicht eröffnet wäre.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts führte die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung bislang jedoch nicht zur Versagung der Bewerbereigenschaft und damit dem Anwendungsbereich des Gesetzes.

Mit Beschluss vom 18.06.2015 hat das Bundesarbeitsgericht genau diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Bislang ging das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass einer nicht ernstgemeinten Bewerbung der Einwand unzulässigen Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden könne (so u.a. BAG, Urteil vom 16.02.2012, 8 AZR 697/10 und BAG Urteil vom 13.10.2011, 8 AZR 608/10 m.w.N.).

In der Entscheidung vom 23.08.2012 (BAG – 8 AZR 285/11) führte das Bundesarbeitsgericht weiter aus: „Für den Bewerberstatus ist zudem die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung keine Voraussetzung. Vielmehr kann die fehlende subjektive Ernsthaftigkeit allenfalls den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB begründen.“

Hieraus wird deutlich, dass die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung auch bei einer nicht ernsthaften Bewerbung davon ausgeht, dass zunächst ein Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG entstanden sein kann.

Dabei liegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen beim Bewerber, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Bewerbung ernst gemeint war oder nicht.

Einem solchen entstandenen Anspruch kann dann der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegengesetzt werden.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich der Bewerber nicht ernsthaft beworben hat und der Anspruch aus § 15 AGG sonach ausnahmsweise ausgeschlossen ist, trägt der Arbeitgeber.

Er muss dafür Indizien vortragen, die geeignet sind, den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen (BAG, Urteil vom 23.08.20112, 8 AZR 285/11 Rn. 37).

Die Frage, ob diese Rechtsprechung mit der Richtlinie vereinbar ist, wird mit dem Vorlagebeschluss des BAG vom 28.06.2015 ebenfalls zur Entscheidung vorgelegt, sofern der EuGH hinsichtlich der oben bereits erörterten Frage zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass am Bewerberstatus auch bei nicht ernst gemeinter Bewerbung keine Zweifel bestehen.

Aus der Vorlage auch dieser Frage ergibt sich weiterhin, dass aufgrund der Vorgaben der Richtlinie möglicherweise auch diese Handhabung der deutschen Rechtsprechung nicht richtlinienkonform sein könnte, was in der Literatur bereits diskutiert wird.

Nach dieser Ansicht ist der Richtlinie ein Ausschluss wegen Rechtsmissbrauchs fremd, so dass im Falle einer diskriminierenden Auswahl bei richtlinienkonformer Auslegung des § 15 AGG bei nicht ernsthaften Bewerbern dies lediglich zu einer Beschränkung der Entschädigungshöhe auf drei Monatsgehälter führe und nicht zum Ausschluss des Entschädigungsanspruchs. Gerade die Möglichkeit von Entschädigungsansprüchen nicht ernsthafter Bewerber trage maßgeblich zu der abschreckenden Wirkung bei, die nach der Vorgabe der Richtlinie von der Entschädigungszahlung ausgehen solle (vgl. Ina Ebert in Schulze u.a. Bürgerliches Gesetzbuch, AGG § 15 Rn. 7).

b. Täuschung durch Unterlassen

Eine Täuschung durch Unterlassen kommt ebenfalls nicht in Betracht, da es an der erforderlichen Garantenstellung im Sinne einer Aufklärungspflicht fehlt.

Die nicht ernst gemeinte Bewerbung stellt kein pflichtwidriges Vorverhalten dar, welches zu einer Garantenstellung aus Ingerenz führen würde.

Da nach den obigen Ausführungen aufgrund der derzeitigen Rechtsprechung zunächst von der Entstehung des Anspruchs aus § 15 AGG auszugehen ist, besteht auch keine Verpflichtung des Bewerbers zur Aufklärung darüber, dass seine Bewerbung nicht ernst gemeint war.

Insofern muss der Arbeitgeber Indizien vortragen, die auf eine solche subjektive Einstellung des Bewerbers schließen lassen.

Eine Aufklärungspflicht auch solcher Tatsachen ist dem deutschen Recht fremd.

Die Gefahr, sich Entschädigungsansprüchen auch solcher Bewerber ausgesetzt zu sehen, die an der ausgeschriebenen Stelle gerade kein Interesse haben, ergibt sich aus der
Beweislastverteilung des § 22 AGG, der dem Arbeitgeber einen weiten Verantwortungs- und Risikobereich zuweist.

3. Klageerhebung

Auch hinsichtlich der Klageerhebung ergeben sich im Hinblick auf die obigen Ausführungen keine Änderungen.

Eine Täuschung könnte auch hier nur in der Geltendmachung eines tatsächlich nicht bestehenden Anspruchs liegen, so dass die Ausführungen unter 2.aa) und bb) auch für den Fall der Klageerhebung uneingeschränkt gelten.

Exkurs: Vergleich

Da vor dem Arbeitsgericht regelmäßig Vergleiche geschlossen werden, ist auch darauf hinzuweisen, dass nicht das jeweilige Arbeitsgericht in einem solchen Fall als der vermeintliche Täuschungsadressat eine Vermögensverfügung vornimmt, sondern die Arbeitgeber selbst im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches, so dass eine Strafbarkeit wegen vollendeten Betrugs in diesen Fällen wegen fehlender Identität zwischen Getäuschtem und Verfügendem ausscheidet.

Eine Täuschung über die oben genannten in Betracht kommenden Tatsachen liegt bei Abschluss des Vergleiches auf Seiten der Geschädigten nach Aktenlage jedenfalls nicht mehr vor, da sich diese ausdrücklich auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs berufen haben und daher selbst von einer fehlenden Ernsthaftigkeit der Bewerbung ausgehen.

Der Irrtum wirkt sich insoweit nicht mehr aus.

Der Abschluss des Vergleiches erfolgt in diesen Fällen ausweislich des Akteninhalts entweder zur Vermeidung einer negativen Gerichtsentscheidung aufgrund der Beweislast oder jedenfalls zur Vermeidung weiterer Instanzen.

Exkurs: Ende

4. strafbefreiender Rücktritt

Bei unterstelltem Vorliegen einer strafrechtlich relevanten Täuschung, jedenfalls im Absehen von der (weiteren) Forderungsgeltendmachung entgegen dem ursprünglichen Tatplan ein strafbefreiender Rücktritt vom unvollendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 StGB vorläge.

Ein Rücktritt ist nicht etwa wegen Vorliegens eines fehlgeschlagenen Versuchs ausgeschlossen. Fehlgeschlagen ist ein Versuch dann, wenn der Taterfolg aus Sicht des Täters mit den bereits eingesetzten Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird.

Bei einem mehraktigen Geschehen (wie hier: Bewerbungsschreiben und spätere Forderungsgeltendmachung – auch durch Klageerhebung) ist nach der Gesamtbetrachtungslehre der Rücktritt nur ausgeschlossen, wenn dieser bereits als fehlgeschlagener Versuch zu werten ist.

Wenn die Einzelakte untereinander und mit der letzten Tathandlung Teile eines durch die subjektive Zielrichtung des Täters verbundenen einheitlichen Geschehens bilden, kommt es für die Beurteilung, ob der Versuch fehlgeschlagen ist, allein auf die subjektive Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (vgl. Fischer, StGB, Rn. 7, 7a zu § 24).

Grundsätzlich ist bei vorsätzlichen AGG-Hoppern von folgendem Tatplan auszugehen:

Bewerbung – Ablehnung – Forderungsschreiben – Klage und ggf. Rechtsmittel gegen ein klageabweisendes Urteil mit dem Ziel ein stattgebendes Urteil zu erwirken oder einen Vergleichsabschluss herbeizuführen

Es kann nicht angenommen werden, dass ein Bewerber davon ausgeht, dass bereits die Absendung des Forderungsschreibens zum Erfolg seines Handelns führt.

Zum einen wird hier lediglich die Geltendmachung angekündigt, insbesondere auch im Hinblick auf das Fristerfordernis des § 15 Abs. 4 AGG, und der Empfänger des Schreibens aufgefordert, die nach Ansicht des Bewerbers eingetretene Vermutung einer Diskriminierung nach § 22 AGG zu widerlegen.

Für den Fall, dass dies nicht erfolgen sollte, werden sodann Ansprüche geltend gemacht und die Durchsetzung mittels Klageerhebung angekündigt.

Darüber hinaus führt das Forderungsschreiben sehr selten zur Zahlung, also zu einem von dem vorsätzlichen AGG-Hopper angestrebten Erfolg, geführt, sondern war lediglich notwendiger Zwischenschritt.

Vielmehr ist aufgrund des Vorgehens des Bewerbers davon auszugehen, dass sich der Tatplan bereits auf die gerichtliche Geltendmachung durch Erhebung einer Zahlungsklage richtet und sie diesen Plan von Anfang an verfolgten.

Ein Rücktritt ist daher bis zu einem rechtskräftigen klageabweisenden Urteil in der Sache jederzeit möglich.

Von einem fehlgeschlagenen Versuch kann insbesondere für den Fall, dass der Arbeitgeber den geltend gemachten Anspruch ablehnt, nicht ausgegangen werden, weil – unabhängig davon, auf welchen Zeitpunkt man abstellt – bis zu einem rechtskräftigem klageabweisenden Urteil jeweils weitere Schritte zur Anspruchsdurchsetzung ergriffen werden können.

So kann bei Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs Klage erhoben werden, bzw. bei klageabweisendem Urteil erster Instanz Berufung eingelegt werden.

Diese Möglichkeiten sind dem Bewerber, wie sich aus der Vorgehensweise ergibt, auch bewusst, so dass – soweit Forderungen nicht weiter verfolgt wurden – jeweils von einem strafbefreienden Rücktritt auszugehen ist, zumal nicht davon auszugehen ist, dass sich die Erfolglosigkeit der Bemühungen Ansprüche nach § 15 AGG geltend zu machen aus anderen Umständen ergeben würde.

B. Nötigung & Erpressung

Strafbarkeit wegen (versuchter) Nötigung bzw. versuchte Erpressung

Auch eine Strafbarkeit wegen (versuchter) Nötigung gem. §§ 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23 StGB bzw. (versuchter) Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23 StGB kommt vorliegend nicht in Betracht.

Nötigung und Erpressung unterscheiden sich strukturell dadurch, dass bei einer Erpressung durch die abgenötigte Handlung, Duldung oder Unterlassung dem Vermögen des Geschädigten oder ein anderer Nachteil zugefügt wird, was bei der Nötigung nicht der Fall ist.

Für beide Tatbestände gilt, dass in den Fällen, in denen keine Forderung geltend gemacht wurde oder die Forderung nicht weiterverfolgt wurde, zumindest ein strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch vorliegt.

(Versuchte) Nötigung und Erpressung setzen voraus, dass die Nötigenden verwerflich handeln, also ein erhöhter Grad sozialethischer Missbilligung der für den erstrebten Zweck angewandten Mittel besteht.

Dies ist aufgrund einer umfassenden Abwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und einer darauf aufbauenden Gesamtwürdigung des sachlichen Zusammenhangs von Mittel und Zweck zu beurteilen (Eser/Eisele in Schönke/Schröder, Rz. 17 zu § 240 StGB).

Dabei können sowohl unrechte Mittel zum gebilligten Zweck als auch erlaubte Mittel zu einem unrechten Zweck letztlich zur Verwerflichkeit führen.

Ebenso kann ein Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck bestehen, was Fälle betrifft, in denen sich sowohl das angewandte Mittel erlaubt als auch ein Anspruch auf das abgenötigte Verhalten auf Seiten des Täters begründet ist (Eser/Eisele, Rz. 23 zu § 240).

Vorliegend sind die von dem Bewerber eingesetzten Mittel (Forderungsschreiben, gerichtliche Geltendmachung und Vergleichsabschluss) zulässige und legitime Mittel, zunächst bestehende Forderungen geltend zu machen, auch wenn weitere Anwalts- und Gerichtskosten anfallen.

Soweit der von dem Bewerber verfolgte Zweck (womit die subjektive Zielsetzung der Täter gemeint ist) in der Verschaffung wirtschaftlicher Vorteile auf der Grundlage von „AGG-Hopping“ bestehen sollte, erscheint dieser missbilligenswert.

Allerdings ist bei dieser Beurteilung und ebenso bei der Prüfung der Zweck-Mittel-Relation die oben bereits erörterte richtlinienkonforme Auslegung und der Zweck der Vorschrift des § 15 AGG, den der Bewerber in ihre Vorstellung aufgenommen haben, in die vorzunehmende Gesamtwürdigung mit einzubeziehen, wonach ein Schwerpunkt der Anspruchsnormen gegen den jeweiligen Arbeitgeber auf dem Gesichtspunkt der Prävention durch die Androhung einer Sanktion liegt.

Eine solche Wirkung wird, wie der Bewerber wusste, auch dann erreicht, als sie eigene finanzielle Vorteile erstrebten. Insofern machten sie sich die für Arbeitgeber strukturell ungünstige Rechtslage zunutze, ohne dass einem solchen etwaigen rechtsmissbräuchlichen Verhalten der zur Strafbarkeit führende erhöhte Grad sozialethischer Missbilligung zukommt.

(Versuchte) Nötigung und (versuchte) Erpressung scheitern auch daran, dass die Ankündigung einer arbeitsgerichtlichen Klage und Verfahrensdurchführung keine Androhung eines empfindlichen Übels darstellen, weil dem Arbeitgeber ein „gewisses Standhalten in besonnener Selbstbehauptung“ zuzumuten ist (Eser/Eisele, Rz. 17 zu § 240 StGB).

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass aufgrund der Zielsetzung des AGG und des pönalen Charakters des § 15 AGG bzw. nach den Vorgaben der zugrundeliegenden Richtlinie der jeweilige Arbeitgeber aufgrund gesetzgeberischer Entscheidung in einem weiten Verantwortungs- und Risikobereich steht.

 

HIER >>> Beitrag „AGG-Hopping – Betrug? (Rechtsauffassung des OLG München)