Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg in Stuttgart hat mit Beschlüssen vom 21.01.2019 zu den Aktenzeichen 1 GR 1/19 und 1 GR 2/19 entschieden, dass zwei AfD-Politiker auch für die nächste Landtagssitzung am 23.01.2019 gesperrt bleiben, weil sie nach einem Sitzungsausschluss nicht den Sitzungssaal verlassen hatten und daher für drei Sitzungen gesperrt sind.
Aus der Pressemitteilung des VerfGH Stuttgart vom 21.01.2019 ergibt sich:
Die beiden Antragsteller wurden am 12.12.2018 von der Präsidentin des Landtags aus der laufenden Sitzung ausgeschlossen. Sie kamen jeweils einer Aufforderung der Präsidentin, den Sitzungssaal unverzüglich zu verlassen, nicht nach. Nach der Geschäftsordnung des Landtags (§ 92 Abs. 1 Satz 4) sind die Antragsteller aufgrund dieses Verhaltens für die nächsten drei Sitzungstage von der Sitzung ausgeschlossen. Einen hiergegen gerichteten Einspruch der Antragsteller hatte der Landtag in seiner Sitzung am 19.12.2018 jeweils zurückgewiesen. Die zweite Sitzung, an der die Antragsteller ebenfalls nicht teilnehmen durften, fand am 20.12.2018 statt. Die Antragsteller streben nun mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 30. bzw. 31.12.2018 in erster Linie an, an der nächsten Sitzung am 23.01.2019 teilnehmen zu dürfen.
Der VerfGH Stuttgart hat die Anträge der beiden Landtagsabgeordneten auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Abgeordneten dürfen deshalb nicht an der Sitzung des Landtags am 23.01.2019 teilnehmen.
Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes sind die Anträge unbegründet. Die im Rahmen eines verfassungsgerichtlichen Eilverfahrens zu treffende Interessenabwägung falle zulasten der Antragsteller aus, weil die anhängigen Hauptsacheverfahren, soweit sie den nach der Geschäftsordnung des Landtags eintretenden Sitzungsausschluss für die nächsten drei Sitzungstage betreffen, aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben werden. Es spreche alles dafür, dass der Ausschluss der Antragsteller für die nächsten drei Sitzungstage nicht ihr Abgeordnetenrecht aus Art. 27 Abs. 3 der Landesverfassung verletze.
Bei dem Ausschluss für die nächsten drei Sitzungstage handele es sich um eine eigenständige Sanktion für ein vom Landtag als besonders schwerwiegend eingestuftes Fehlverhalten – das Nichtverlassen der Sitzung nach Sitzungsausschluss. Auch die Antragsteller bestreiten nicht, dass die in der Geschäftsordnung des Landtags vorausgesetzte Situation in der Sitzung des Landtags am 12.12.2018 eingetreten ist.
Der Ausschluss von drei Sitzungstagen führe zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Abgeordnetenrechts der Betroffenen. Trotz der Schwere sei die Beeinträchtigung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die in Rede stehende Regelung der Geschäftsordnung des Landtags verfolge ein legitimes Ziel. Die Regelung wolle offensichtlich mit ihrer Sanktionsanordnung verhindern, dass ein Abgeordneter, der Adressat eines Sitzungsausschlusses nach § 92 Abs. 1 Satz 1 LTGO geworden sei, im Sitzungssaal mit dem Präsidenten des Landtags über die Rechtmäßigkeit des Sitzungsausschlusses zu debattieren versuche oder in anderer Weise, auch durch die „bloße“ Nichtbeachtung der Aufforderung, den Sitzungssaal unverzüglich zu verlassen (§ 92 Abs. 1 Satz 2 LTGO), zum Ausdruck bringe, den Sitzungsausschluss nicht zu akzeptieren, und damit noch vor Ort die Autorität des Präsidenten in Frage stelle und unter Umständen die Fortsetzung der Sitzung blockiere.
Den Sitzungssaal nach einem Sitzungsausschluss unverzüglich zu verlassen sei dem Abgeordneten ohne weiteres zumutbar. Denn er habe hinreichende sonstige Möglichkeiten, sich gegen den Sitzungsausschluss – nicht nur durch Äußerungen des Unmuts darüber – zur Wehr zu setzen. So sehe die Geschäftsordnung des Landtags vor, dass der Abgeordnete einen Einspruch einlegen könne (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 1 LTGO). Gegebenenfalls stehe ihm zur Feststellung, ob der Sitzungsausschluss verfassungsgemäß war, der Gang zum Verfassungsgerichtshof mittels eines Organstreitverfahrens (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LV) offen, wie ihn die Antragsteller auch beschritten hätten. Im Interesse eines ungestörten Fortgangs der laufenden Sitzung fordere die Geschäftsordnung daher von dem Abgeordneten, der von dieser Sitzung ausgeschlossen worden sei, seinem Ausschluss zunächst sofort und unbedingt Folge zu leisten, selbst wenn er ihn inhaltlich nicht für berechtigt halte.
Über die Hauptsacheverfahren, die auch die Ordnungsrufe und die Sitzungsausschlüsse in der Sitzung am 12.12.2018 zum Gegenstand haben, werde der Verfassungsgerichtshof zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.
Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 22.07.2019 bestätigt, dass der Ausschluss nicht verfassungswidrig ist.