Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat im Zeitraum von Oktober 2019 bis Oktober 2021 das Forschungsprojekt „Experimentierwerkstatt Ländliche Verbraucherpolitik“ gefördert.
Aus der Pressemitteilung des BMJV vom 23.11.2021 ergibt sich:
Ziel des Projekts war es zu untersuchen, wie Verbraucherinnen und Verbraucher im ländlichen Raum die Beratung und Information zu Verbraucherfragen wahrnehmen und wie sie sich diese für die Zukunft vorstellen. Auf Basis von mehreren Workshops wurden Handlungsempfehlungen für die „Ländliche Verbraucherpolitik“ erarbeitet. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf digitalen Angeboten der Verbraucherinformation und -beratung.
Rita Hagl-Kehl, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, erklärt:
„Was wünschen sich Bürgerinnen und Bürger auf dem Land bei Verbraucherinformationen und –beratung? Wo sind sie bereits gut informiert? An welchen Stellen hapert es? Und vor allem: Was genau können wir tun, um Verbraucherinnen und Verbraucher im Alltag künftig besser zu unterstützen? Auf diese Fragen hat uns das Forschungsprojekt „Experimentierwerkstatt Ländliche Verbraucherpolitik“ wertvolle Antworten gegeben. Wir sehen jetzt klarer, wo wir im Bereich der Verbraucherinformation und -beratung im ländlichen Raum stehen – und wo wir künftig noch ansetzen müssen. Die dafür entwickelten Handlungsempfehlungen sind für uns eine wichtige Grundlage für die Gestaltung der Verbraucherpolitik in ländlichen Regionen.“
Im Rahmen des Projekts fanden zehn Experimentierwerkstätten in ländlichen Regionen sowie ein Vergleichsworkshop in der Stadt Erfurt statt. Pandemiebedingt wurden die Experimentierwerkstätten im Verlauf des Projektes digital durchgeführt. Dabei wurden auch die Auswirkungen des Pandemiegeschehens auf die Verbraucherinnen und Verbraucher in ländlichen Regionen untersucht.
Das Forschungsprojekt wurde von Frau Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein (Universität Siegen) zusammen mit ihrem Team von der Prof. Schramm-Klein GmbH durchgeführt. Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus den Experimentierwerkstätten, der Analysen eines externen Beirats, Expertengesprächen und begleitenden Befragungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erarbeitete das Team um Frau Prof. Dr. Schramm-Klein ein Handlungskonzept zum Ausbau und zur Verbesserung von Unterstützungsangeboten. Dieses enthält auch Best-Practice-Modelle für Verbraucherinformation und -beratung in ländlichen Regionen sowie Empfehlungen zum Ausbau dieser Angebote, um diese für Kommunen und Länder nutzbar zu machen.
Das Forschungsprojekt hat insbesondere folgende Erkenntnisse und daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen ergeben:
- Viele Verbraucherinnen und Verbraucher in ländlichen Räumen kennen die vorhandenen Möglichkeiten der Verbraucherinformation und –beratung nicht. Daher sollte vor allem die Sichtbarkeit und Bekanntheit von analogen und digitalen Informations- und Beratungsangeboten gesteigert werden.
- Infrastrukturdefizite in ländlichen Regionen verstärken die Hürden bei der Nutzung der Angebote der Verbraucherinformation und –beratung. Daher sollten vorhandene Beratungsangebote erhalten bleiben, aber auch die digitale Infrastruktur gestärkt werden. Außerdem wird empfohlen, kommerzielle Angebote der Verbraucherinformation und beratung wie z. B. Handelsunternehmen zu integrieren.
- Viele Verbraucherinnen und Verbrauchern in ländlichen Räumen steigen wegen der mangelnden Infrastruktur auf technologiegestützte Informations- und Beratungsangebote um. Dennoch existieren gerade in der älteren Bevölkerung Personengruppen, die keinen Zugang zu neuen Technologien haben. Daher sollten weiterhin physische Interaktionspunkte vorhanden sein, wie z. B. Filialen oder Einrichtungen öffentlicher Beratungsinstitutionen sowie mobile Angebote. Außerdem könnten Corona-bedingte Leerstände in ländlichen Zentrumsbereichen zu Begegnungsstätten umgewidmet werden, um den sozialen und kulturellen Raum zu erweitern.
- Verbraucherinformation und –beratung in ländlichen Regionen findet oft durch Familie und Freunde statt. Daher sollte auch die Kompetenz von Privatpersonen als Ratgeber und die Entstehung sozialer Beziehungen sowie die Vernetzung gestärkt werden.
- Zwar sind Verbraucherinnen und Verbraucher in ländlichen Regionen für technologiegestützte Angebote der Verbraucherinformation und -beratung offen, es bestehen jedoch Vorbehalte gegenüber KI-basierter Technologie wie z. B. digitale Sprachassistenten oder Smart TV. Daher empfiehlt das Forscherteam, Verbraucherinnen und Verbraucher im Hinblick auf Potenziale und Risiken KI-basierter Systeme besser zu informieren. Außerdem sollte die Nutzerfreundlichkeit und der Mehrwert KI-basierter Systeme erhöht werden.
- Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich eine einheitliche „Verbraucherplattform mit zentralem Zugang zu vielfältigen, vertrauenswürdigen und qualitativ hochwertigen Angeboten der Verbraucherinformation und -beratung. Dies sollte gefördert werden und insbesondere mit geeigneten Zertifizierungs- bzw. Qualitätssicherungssysteme etabliert werden.