Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 09.07.2020 zum Aktenzeichen 19 A 11909/17 entschieden, dass die Europäische Menschenrechtskonvention einer Abschiebung eines afghanischen Staatsangehörigen entgegenstehen kann.
Aus der Pressemitteilung des VG Hannover vom 09.07.2020 ergibt sich:
Der im Jahre 2000 geborene afghanische Staatsangehörige wuchs im Iran auf. 2016 reiste er in die Bundesrepublik ein und stellte einen Asylantrag. Gegen den ablehnenden Bescheid hat er im Oktober 2017 Klage erhoben.
Die Klage hatte vor dem VG Hannover teilweise Erfolg.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts steht die Europäische Menschenrechtskonvention einer Abschiebung des Klägers nach Afghanistan entgegen. Angesichts der weiteren Verschlechterungen der Situation in der jüngeren Vergangenheit in Afghanistan lägen so außergewöhnlich schlechte humanitäre Bedingungen vor, dass ausnahmsweise auch für einen alleinstehenden, gesunden und arbeitsfähigen jungen Mann wie den Kläger eine reale Gefahr bestehe, dass er weder in Kabul noch an anderen Orten in Afghanistan in der Lage sein werde, auf legalem Wege seine elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung und Unterkunft zu befriedigen. Es fehle ihm sowohl an einem leistungsfähigen und -bereiten Netzwerk in Afghanistan als auch an nachhaltiger Unterstützung aus dem Ausland oder einem nennenswerten Vermögen. Der Arbeitsmarkt für Tagelöhner, auf den der Kläger deshalb angewiesen wäre, habe bereits vor dem Ausbruch von Covid-19 massiv unter Druck gestanden, weil in den vergangenen Jahren insgesamt mehrere Millionen Personen aus dem Iran und Pakistan zurückgekehrt oder in Afghanistan zu Binnenvertriebenen geworden seien. Durch die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Pandemie sei der Tagelöhnerarbeitsmarkt zudem stark eingebrochen, während die Kosten für Lebensmittel deutlich gestiegen seien.
Der Kläger begehrte zunächst auch Flüchtlingsschutz und berief sich auf die Gefahren, die für ihn als „verwestlichte“ Person ohne Bezug zu Afghanistan dort drohten. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung nahm der Kläger insoweit seine Klage zurück.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig und kann vor dem Oberverwaltungsgericht angegriffen werden.