Abschiebung nach Afghanistan vorläufig gestoppt

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 09. Februar 2021 zum Aktenzeichen 2 BvQ 8/21 entschieden, dass eine Abschiebung nach Afghanistan vorläufig gestoppt wird.

Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts den Anforderungen aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG an die Sachverhaltsaufklärung nicht genügt.

Die Verfassungsrichter monieren, dass das Verwaltungsgericht sich nicht damit beschäftigt, wie sich die COVID-19-Pandemie auf das afghanische Gesundheitssystem auswirkt, auf das es den Antragsteller bezüglich seiner Drogen- und Substitutionstherapie verweist. Die Entscheidung enthält darüber hinaus keinerlei Ausführungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Afghanistan; die aktuelle Situation wird lediglich indirekt durch einen Hinweis auf die Möglichkeit von „Corona-Beihilfen“ angesprochen. Das Verwaltungsgericht setzt sich jedoch nicht damit auseinander, ob es dem Antragsteller unter den aktuellen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Bedingungen in Afghanistan selbst nach erfolgreicher Durchführung einer Drogen- und Substitutionstherapie überhaupt möglich sein wird, sich dauerhaft durch eigene Arbeit ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Soweit das Verwaltungsgericht den Antragsteller für den Fall der fehlenden Erwerbsfähigkeit auf sein familiäres Netzwerk in Afghanistan verweist, fehlt es ebenfalls an Ausführungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die afghanische Bevölkerung. Das Verwaltungsgericht hat es versäumt, sich mit den aktuellen – vom Antragsteller in das Verfahren eingebrachten – Erkenntnissen zur aktuellen Lebenssituation in Afghanistan zu befassen. Der Beschluss lässt eine Auseinandersetzung mit dem möglicherweise bereits erfolgten Zusammenbruch der wirtschaftlichen Grundlage für arbeitsfähige Rückkehrer ohne realisierbare Anbindung an Familie oder andere Netzwerke – informeller Arbeitsmarkt für Ungelernte und Angelernte – nicht ansatzweise erkennen.

Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht sich nicht damit auseinandergesetzt, ob es dem Antragsteller praktisch überhaupt möglich sein wird, nach seiner Ankunft in Kabul auf sein familiäres Netzwerk zuzugreifen. Da für den Antragsteller im Bundesgebiet zuletzt eine Betreuung unter anderem für die Bereiche Vermögens- und Gesundheitssorge eingerichtet war, liegt es nahe, dass er für eine geordnete Lebensführung einer persönlichen Unterstützung durch Familienangehörige bedarf. In diesem Zusammenhang wäre zu klären gewesen, wo er eine solche erhalten kann und ob es ihm möglich sein wird, diesen Ort gefahrlos zu erreichen.