Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 24.01.2023 zum Aktenzeichen 4 SaGa 16/22 entschieden, dass die Weigerung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, an sich geeignet sein kann, den Ausspruch einer außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers zu rechtfertigen.
Die Parteien streiten im einstweiligen Rechtsschutz über die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit für die Dauer der Kündigungsfrist und dabei insbesondere darüber, ob eine von der Verfügungsbeklagten erklärte fristlose Kündigung unwirksam ist.
Die Verfügungsklägerin produziert u.a. für verschiedene Fernsehsender Formate aus dem Bereich Factual Entertainment. Die Verfügungsbeklagte wurde bei der Verfügungsklägerin am 08.01.2007 als Creative Director eingestellt. In § 2 ihres Arbeitsvertrags vereinbarten die Parteien eine beiderseitige Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende und in § 5 ein Monatsgehalt von 7.500 € brutto, welches sich zuletzt auf 12.500 Euro brutto belief. Zuletzt war sie fachlich und disziplinarisch für 20 bis 30 Mitarbeiter verantwortlich.
§ 9 des Vertrags lautet:
„§ 9 Vertragliches Wettbewerbsverbot
Während der Dauer dieses Arbeitsvertrages unterliegt der ARBEITNEHMER einem umfassenden Wettbewerbsverbot. Insbesondere ist es dem ARBEITNEHMER untersagt, als ARBEITNEHMER, freier Mitarbeiter oder in irgendeiner sonstigen Form für einen Wettbewerber des ARBEITGEBERS oder eines mit dem ARBEITGEBER im Sinne von § 15 AktG verbundenen Unternehmens tätig zu werden oder ein solches Wettbewerbsunternehmen zu gründen oder sich an einem solchen Wettbewerbsunternehmen zu beteiligen.“
Seit 01.03.2022 war die Verfügungsbeklagte stellvertretende Geschäftsführerin. Im Juli 2022 bestellte die Gesellschafterin der Verfügungsklägerin eine neue Geschäftsführerin, zwischen der und der ehemaligen Geschäftsführerin sowie der Verfügungsbeklagten es zu Konflikten über die inhaltliche Ausrichtung kam.
11.08.2022 wurde die Verfügungsbeklagte darüber informiert, dass die Firmengründerin und ehemalige Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin abberufen und freigestellt worden sei und aus dem Unternehmen ausscheiden werde. Sie meldete sich sodann arbeitsunfähig krank.
In einer Dienstanweisung der neuen Geschäftsführerin vom 19.08.2022 an die Verfügungsbeklagte heißt es:
„Leider haben wir auf verschiedenen Wegen von nicht abgestimmter Kommunikation gehört, die möglicherweise ihren Grund in Unklarheiten bei der Aufgabenverteilung und des weiteren Vorgehens hat.
Aus diesem Grund und im Interesse der sicheren Fortplanung aller laufenden Projekte müssen wir Dir deswegen heute folgende Dienstanweisung geben:
- Die Zuständigkeiten für die laufenden Projekte wurden bereits von der neuen Geschäftsführung intern neu geregelt und werden auch von der Geschäftsführung an alle betroffenen Kunden kommuniziert. Insofern bist Du mit sofortiger Wirkung für kein Projekt mehr verantwortlich.
- Sämtliche Kommunikation Deinerseits zu laufenden Projekten und den aktuellen Entwicklungen bei G T vor allem mit Kunden und Dienstleistern, aber auch mit freien und festen Mitarbeitern der G T muss unterbleiben. Höchst vorsorglich weisen wir darauf hin, dass sich das auch aus den vertraglichen und gesetzlich normierten Geheimhaltungs- und Treuepflichten ergibt.
- Bitte melde Dich sobald Du wieder genesen bist bei der neuen Geschäftsführung. Mit dieser wird Deine Rolle in der Zukunft der G T besprochen.“
In einer E-Mail an den Geschäftsführer der alleinigen Gesellschafterin der Verfügungsklägerin beschwerte sich die Verfügungsbeklagte über die Behandlung durch die neue Geschäftsführerin S F u.a. mit den Worten:
„Meine Projekte wurden neu verteilt, meine externen Ansprechpartner entsprechend informiert und mir jegliche Verantwortung entzogen. Gleichzeitig wurde mir sämtliche Kommunikation mit Kunden, Dienstleistern und Mitarbeitern der G T untersagt. Inzwischen bin ich offensichtlich auch aus allen E-Mail-Verteilern gelöscht.
Ich erwarte daher, dass Ihr dafür sorgt, dass diese systematische persönliche und fachliche Anfeindung, Missachtung und Diskreditierung von Seiten S ab sofort aufhört und dass Ihr mir eine konkrete Perspektive aufzeigt, wie ich nach meiner Genesung an verantwortlicher Stelle in der neuen G T weitermachen kann.“
Darauf antwortete die Verfügungsklägerin mit einer E-Mail vom 01.09.2022, in der es u.a. heißt:
Festhalten wollen wir allerdings, dass uns mitgeteilt wurde, dass Du gegenüber Verantwortlichen eines unserer Kunden gesagt hast, ,,…sollte S nicht weiter Geschäftsführerin der G T bleiben, mache ich krank“. Genau diese Ankündigung hast Du dann in die Tat umgesetzt und warst zudem für notwendige Projektabsprachen für die Geschäftsführung der G T nicht mehr zu erreichen.
Aufgrund Deiner angekündigten Krankmeldung (wobei die rechtliche Bewertung dieses Vorgangs noch nicht abgeschlossen ist) und der Weigerung, mit der neuen Geschäftsführung zu kommunizieren, ist zwischenzeitlich (und hier möchte ich betonen, dass die neue Geschäftsführung bei Amtsantritt eigentlich sehr gerne mit Dir zusammen gearbeitet hätte) das Vertrauensverhältnis derart zerstört, dass auch aus der Sicht der neuen Geschäftsführung eine weitere Zusammenarbeit nicht denkbar erscheint. Bevor die Dinge hier vollständig aus dem Ruder laufen, sollten wir überlegen, wie eine Lösung gefunden werden kann.
Ab dem 01.09.2022 verhandelten die Parteien über die Konditionen für eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Nach Ende der Arbeitsunfähigkeit der Verfügungsbeklagten am 06.09.2022 stellte die neue Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin sie widerruflich frei und erklärte: „somit solltest du ab jetzt nicht mehr ins Büro.“ Diese Freistellung wiederholte die Verfügungsklägerin in einer E-Mail vom gleichen Tage an den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten. Gleichzeitig teilte sie ihr Einverständnis mit einer Turboklausel im verhandelten Aufhebungsvertrag mit.
Am 12.09.2022 übersandte die Verfügungsklägerin den Entwurf eines Aufhebungsvertrags, der eine Beendigung zum 31.03.2023 und eine Freistellung der Verfügungsbeklagten bis dahin sowie folgende Turboklausel vorsah:
„Die Arbeitnehmerin ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis auch vor dem Beendigungstermin durch einseitige schriftliche Erklärung innerhalb einer Ankündigungsfrist von zwei Wochen jeweils zum Schluss eines Kalendermonats zu beenden (nachfolgend „vorzeitiger Beendigungstermin“ genannt). In diesem Fall werden zum vorzeitigen Beendigungstermin sämtliche ursprünglich bis zum Beendigungstermin noch zu zahlenden Gehälter einmalig als Abfindung gern. §§ 9, 10 KSchG gezahlt.
Eine vorzeitige Beendigung entspricht dem Willen des Arbeitsgebers.“
Noch am gleichen Tag teilte der Justitiar der Verfügungsklägerin dem Prozessbevollmächtigten mit, die Verfügungsklägerin halte an diesem Vertragsangebot nicht mehr fest, weil die neue Geschäftsführerin anlässlich eines Kündigungsgesprächs von einer ausscheidenden Mitarbeiterin erfahren habe, dass die Verfügungsbeklagte Mitarbeiter der Verfügungsklägerin zur F W GmbH abwerbe.
Mit E-Mail ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.09.2022 mahnte die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin wie folgt ab:
„Da von Ihnen der Abschluss eines Aufhebungsvertrags nun wieder in Frage gestellt worden ist, fordern wir die Geschäftsführung der G T daher einstweilen auf, nunmehr unverzüglich, spätestens bis zum
- die rechtswidrige Freistellung vom 06.09.2022 zurück zu nehmen.
- Die Dienstanweisung vom 19.08.2022 zurück zu nehmen und Frau L
- mitzuteilen, welche Projekte sie zukünftig in welcher Position konkret verantwortet und an welchen Meetings sie zukünftig teilnehmen wird;
- ausdrücklich zu gestatten, im Rahmen der arbeitsvertraglichen Treuepflichten frei mit Kunden, Dienstleistern und Mitarbeitern der G T zu kommunizieren;
- Zugang zu den betrieblichen IT-Systemen und Kommunikationsmitteln (z.B. Mail Account, Kalender, Server), auch mobil, zu gewähren.
- Zu bestätigen, dass Frau L auch weiterhin als stellvertretende Geschäftsführerin in verantwortlicher Position beschäftigt wird.
- Frau L in der weiteren Zusammenarbeit mit Respekt, gegenseitigem Verständnis und Wertschätzung zu begegnen und die in ihrer Mail vom 30.08.2022 dargestellten Vorgänge abzustellen.
- Frau L konkret mitzuteilen, wann sie ihre Tätigkeit wieder aufnehmen kann.
Sollten diese Abmahnung – und als solche wollen Sie dieses Schreiben bitte verstehen – unbeachtet bleiben, muss Frau L davon ausgehen, dass die G T zur Vertragserfüllung nicht bereit ist. Frau L wäre dann gezwungen, sämtliche (arbeits-) rechtlichen Möglichkeiten bis hin zur Kündigung aus wichtigem Grund sowie die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gemäß § 628 Abs. 2 BGB auszuschöpfen.“
Die Verfügungsklägerin bot der Verfügungsbeklagten daraufhin am 14.09.2022 einen Aufhebungsvertrag zum 31.03.2023 ohne Turboklausel an und erklärte:
„(…) Sollte Ihre Mandantin dieser Aufhebungsvereinbarung nicht zustimmen wollen/können, ist die Geschäftsführung der G T selbstverständlich bereit, Ihre Mandantin entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelungen weiter zu beschäftigen. Hierbei wird die Geschäftsführung der G T Ihre Mandantin auch weiterhin – so wie dies auch in der Vergangenheit erfolgt ist – mit Respekt und Wertschätzung behandeln. Es wäre in der Tat wünschenswert, wenn dies sodann auf Gegenseitigkeit beruhen würde.“
In einer weiteren E-Mail der Verfügungsklägerin vom gleichen Tag heißt es:
„(…) Wir nehmen zur Kenntnis, dass eine einvernehmliche Beendigung zu den angebotenen Konditionen seitens Ihrer Mandantin nicht gewünscht ist.
Wir dürfen Ihre Mandantin daher bitten, am Montag (19.09.) um 09:00 Uhr in der Sch straße zu erscheinen, um mit der Geschäftsführung der G T den zukünftigen Aufgabenbereich zu besprechen.“
Die Verfügungsbeklagte lehnte die Teilnahme an diesem Gespräch mit Mail ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.09.2022 ab, in der es heißt:
„Frau L wird den von Ihnen vorgeschlagenen Termin am kommenden Montag nicht wahrnehmen.
Sie haben deutlich erklärt, dass aus Sicht von Frau F „das Vertrauensverhältnis derart zerstört sei, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht denkbar erscheint“. Diese Einschätzung wurde von Frau F gegenüber den Mitarbeitern der G T in einer Betriebsversammlung nochmals bestätigt. Darüber hinaus hält Frau F offenbar nach wie vor an den falschen Behauptungen fest, Frau L habe ihre Krankmeldung angekündigt, sei tatsächlich gar nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen und werbe entgegen ihrer vertraglichen Treuepflichten Mitarbeiter ab.
In dieser Situation darf Frau L davon ausgehen, dass der Termin am Montag weniger der Information über Frau L s zukünftigen Aufgabenbereich, als vielmehr der Konfrontation mit Frau F und ihren Vorwürfen dienen wird, für die ja erklärtermaßen eine weitere Zusammenarbeit ausscheidet. Einem solchen Termin muss und kann sich Frau L aktuell, auch auf ausdrücklichen Rat ihrer behandelnden Ärztin, nicht aussetzen.
Um in der Sache dennoch konstruktiv voran zu kommen, rege ich an, Frau L zunächst kurz schriftlich mitzuteilen, welchen zukünftigen Aufgabenbereich Frau F für Frau L konkret vorgesehen hat. Frau L wird sich dann unverzüglich dazu äußern.“
Die Verfügungsklägerin antwortete am gleichen Tag, dass der in den Räumlichkeiten einer anderen Firma angesetzte Gesprächstermin nicht der Konfrontation, sondern als vertrauensbildende Maßnahme dienen solle. Nachdem die Verfügungsbeklagte den Termin nicht wahrgenommen hatte, mahnte die Verfügungsklägerin sie mit Schreiben vom 26.09.2022 ab. Darin heißt es:
„Wir fordern Dich letztmalig auf, am Mittwoch, 28.09.2022 um 09:00 Uhr in der Sch straße in K zu erscheinen. In diesem Termin werden die beiden Geschäftsführer Frau F und Herr K mit Dir besprechen, mit welchen konkreten Aufgaben man Dich betrauen wird.
Vorsorglich möchten wir noch einmal wiederholen, dass Du verpflichtet bist an Personalgesprächen teilzunehmen, in denen Weisungen vorbereitet, Weisungen erteilt oder ihre Nichteinhaltung beanstandet werden soll. Die Entscheidung darüber, in welcher Form Dir Weisungen erteilt werden, obliegt Dir ebenso wenig wie die, welcher Deiner Vorgesetzten ein solches Gespräch mit Dir führt. Du kannst daher – mit anderen Worten – nicht verlangen, dass man Dir die Arbeitsanweisungen ausschließlich in Textform zukommen lässt oder dass nur bestimmte Vorgesetzte an Personalgesprächen teilnehmen.
Wir weisen Dich nachdrücklich darauf hin, dass wir nicht bereit sind Dein Fehlverhalten weiter hinzunehmen. Solltest Du auch diesem Termin ohne ausreichend Entschuldigung fernbleiben, musst Du daher mit der – gegebenenfalls sogar fristlosen – Kündigung Deines Arbeitsverhältnisses rechnen.“
Die Verfügungsbeklagte erschien auch zu diesem weiteren Gesprächstermin nicht, meldete sich krank und kündigte das Arbeitsverhältnis selbst mit Schreiben vom 30.09.2022, welches der Verfügungsklägerin am 04.10.2022 zuging, fristlos.
Am 14.10.2022 meldete das Medienmagazin D , dass die Verfügungsbeklagte ab 01.11.2022 ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin der F W P GmbH aufnehmen werde, deren Tätigkeitsschwerpunkt auf den Bereichen Factual Entertainment, Dokumentation und Infotainment liegt.
Am 27.10.2022 kündigte die Verfügungsbeklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut außerordentlich, nachdem die Verfügungsklägerin erstinstanzlich eine eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin vom 25.10.2022 mit unter anderem folgenden Inhalt vorgelegt hatte:
„Am 16.August 2022 habe ich von meinem ehemaligen Kollegen bei R , Herrn G P , der als Leiter Digital Creative auch für die Leitung von Sonderprojekten zuständig ist und in dieser Funktion zu diesem Zeitpunkt auch für das von der G T produzierte Sonderprojekt „Der T – Reloaded“ zuständig war, erfahren, dass sich Frau L telefonisch am 11.August 2022 gemeldet hat und R über das Ausscheiden von Frau F -P informieren wollte. Gleichzeitig teilte Frau L mit, dass sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sei und sie kündigte an, dass sie sich deswegen krankmelden werde und sie daher für eigentlich in dieser Woche für das Projekt „Der T – Reloaded“ angesetzten Terminen nicht teilnehmen werde.
…
Es ist zutreffend, dass es am 12.September 2022 zu einem Personalgespräch zwischen mir und der ehemaligen Arbeitnehmerin der G T , Frau V E , kam, da Frau E mit der Bitte an mich herangetreten war, ihren Arbeitsvertrag vorzeitig einvernehmlich aufzulösen.
…
Als sie mir dann erzählte, dass sie ein sehr interessantes Angebot der F W P GmbH vorliegen habe, welches sie gerne annehmen wolle, habe ich sodann weiter nachgefragt, wie sie denn so kurzfristig zu diesem Angebot gekommen sei, oder ob sie von Frau T und/oder Frau L abgeworben sei.
…
Diese Frage wurde sodann freimütig – ich vermute einmal aus Versehen und ohne über die Auswirkungen nachgedacht zu haben – von Frau E mit JA beantwortet.“
Die Verfügungsklägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Verfügungsbeklagte bis zum Ablauf der sechsmonatigen Kündigungsfrist an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden sei. Die fristlose Kündigung sei offensichtlich unwirksam. Die Weisung vom 19.08.2022 sei erfolgt, weil die neue Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin zuvor erfahren habe, dass die Verfügungsbeklagte noch am 11.08.2022 telefonisch Kontakt zu Herrn G P , dem Leiter Digital Creative bei R , aufgenommen und diesen über das Ausscheiden der ehemaligen Geschäftsführerin in Kenntnis gesetzt und ihm mitgeteilt habe, dass sie an den bereits vereinbarten Terminen in der kommenden Woche nicht teilnehmen würde, weil sie mit der Entscheidung, sich von der früheren Geschäftsführerin zu trennen, nicht einverstanden sei, sich keine weitere Zusammenarbeit mit der neuen Geschäftsführerin vorstellen könne und sich daher krank melden werde. Die Verfügungsklägerin sei durchaus bereit gewesen, die Verfügungsbeklagte wieder vertragsgemäß zu beschäftigen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Verfügungsbeklagte ihren Teil dazu beitrage, insbesondere indem sie an Personalgesprächen teilnehme, in denen Arbeitsanweisungen erteilt und ihr Aufgabenbereich geklärt werden solle. Der Verfügungsgrund ergebe sich daraus, dass die Verfügungsbeklagte aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit über genaue Kenntnisse der strategischen Ausrichtung des Unternehmens und insbesondere auch über Kenntnisse des „Developments“, also der Entwicklung zukünftiger Sendungskonzepte, verfüge, weil sie sehr eng mit der Gründerin und ehemaligen Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin zusammengearbeitet habe. Mit einem Wechsel der Verfügungsbeklagten würde somit schützenswertes Knowhow aus der Umsetzung wichtiger Produktionen (dazu gehörten etwa die Formate „Mein L , Dein L “, „Y “ sowie „A “) der Konkurrenz direkt zugänglich werden.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht abgewiesen, weil die außerordentliche Kündigung der Verfügungsbeklagten wirksam ist, das Arbeitsverhältnis mithin mit ihrem Zugang ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendete und die Parteien kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart hatten.
Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG vom 16.01.2013, 10 AZR 560/11). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert hierbei einen allgemeinen Rechtsgedanken, den die Parteien zudem durch die Regelung des § 9 des Arbeitsvertrages – deklaratorisch – ausdrücklich wiederholten. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG vom 28.01.2010, 2 AZR 1008/08; BAG vom 26.06.2008, 2 AZR 190/07).
Das aus § 60 HGB abzuleitende vertragsimmanente Wettbewerbsverbot ist allerdings nur solange gültig, wie das Arbeitsverhältnis rechtlich besteht (BAG vom 30.05.1978 – 2 AZR 598/76 – AP Nr. 9 zu § 60 HGB). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist es dem Arbeitnehmer grundsätzlich erlaubt, zu seinem Arbeitgeber in Wettbewerb zu treten (LAG Hamm vom 19.03.2001, 16 Sa 322/01).
Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand nicht mehr, so dass der Antrag mangels Verfügungsanspruch abzuweisen war. Ob darüber hinaus auch ein Verfügungsgrund fehlte, bedurfte mithin keiner abschließenden Bewertung.
Die Darlegungs- und Beweislast bzw. die Glaubhaftmachungslast hinsichtlich der für die Beurteilung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung maßgeblichen Tatsachen trägt derjenige, der aus der Wirksamkeit einer Kündigung für sich günstige Rechtsfolgen ableitet. Auch für den Fall, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer, der fristlos gekündigt hat, auf Unterlassung von Wettbewerb in Anspruch nimmt, trägt der Arbeitnehmer deshalb die Last der Darlegung und Glaubhaftmachung (LAG Hamm vom 04.09.2012, 14 SaGa 9/12). Soweit dies teilweise anders betrachtet wird (vgl. LAG Hamm vom 07.04.1983, 8 Ta 41/83), fehlt hierfür der zivilprozessuale Ansatz. Es ist kein Grund erkennbar, im Rahmen einer klassischen Kündigungsschutzklage dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der von ihm erklärten Kündigung aufzuerlegen, dies im Falle des Ausspruchs einer Eigenkündigung jedoch anders zu bewerten.
Ob hierbei jedoch im Rahmen einer einstweiligen Verfügung – wie vom Arbeitsgericht angenommen – nur eine eingeschränkte Prüfung dahingehend stattfindet, dass lediglich überprüft wird, ob die Kündigung offensichtlich unwirksam ist, erscheint fraglich. Das Arbeitsgericht zieht zwar durchaus nachvollziehbar eine Parallele zu der Konstellation des Ausspruchs einer Kündigung durch den Arbeitgeber und der anschließenden Geltendmachung eines Beschäftigungsanspruches im Wege der einstweiligen Verfügung. Hierbei ist grundsätzlich anerkannt, dass dieser nur erfolgreich sein kann, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam ist. Begründet wird dieser Ansatz damit, dass die Berechtigung besteht, grundsätzlich auf die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung vertrauen zu dürfen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 12.01.2022, 23 SaGa 1521/21). Weshalb dies – wie oftmals entschieden, vgl. z.B. LAG Hamm vom 04.09.2012, 14 SaGa 9/12 – im Rahmen der vorliegenden Konstellation nicht der Fall sein soll, kann in der Tat hinterfragt werden.
Hierauf kam es streitentscheidend jedoch nicht an, weil die Kündigung der Verfügungsbeklagten im Ergebnis nach Abwägung aller Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles nach Ansicht der Kammer wirksam ist.
Die Verfügungsbeklagte hatte einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis rechtswirksam fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann.
Diese Prüfung erfolgt regelmäßig in zwei Schritten: Im Rahmen eines ersten Schrittes ist zu überprüfen, ob das vorgeworfene Verhalten an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Im Falle der Bejahung erfolgt auf zweiter Prüfungsebene eine Interessenabwägung im Einzelfall (BAG vom 23.10.2014, 2 AZR 865/13).
Die Weigerung des Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung durch den Arbeitnehmer zu bilden (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.02.2016 2 Sa 338/15; ErfK/Niemann, 23. Aufl. 2023, BGB § 626 Rn. 163). Sie stellt eine schwerwiegende Vertragsverletzung dar (BAG NJW 1977, 215, 216; LAG Hamm vom 04.09.2012, 14 SaGa 9/12). Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber bereit ist, das vereinbarte Gehalt weiterzuzahlen. Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße tatsächliche Beschäftigung gemäß §§ 611a, 613 BGB iVm. der Generalklausel des § 242 BGB, die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und Art. 2 GG zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausgefüllt wird. Der Arbeitnehmer soll – als Ausdruck und in Achtung seiner Persönlichkeit und seines Entfaltungsrechts – tatsächlich arbeiten können. Korrespondierend mit dem Beschäftigungsanspruch ist der Arbeitgeber zur vertragsgemäßen Beschäftigung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer diese verlangt (BAG vom 24.06.2015, 5 AZR 462/14).
Gegen diese Pflicht hat die Verfügungsklägerin verstoßen. Sie beschäftigte die Verfügungsbeklagte – letztlich unstreitig – zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Eigenkündigung vom 30.09.2022 nicht vertragsgerecht. Die Verfügungsbeklagte war zu diesem Zeitpunkt freigestellt. Zwar bestand ursprünglich ein Einverständnis mit dieser Maßnahme. Die Parteien befanden sich in Verhandlungen zur Aufhebung des Vertrages und der Beschäftigungsanspruch wurde zunächst nicht geltend gemacht. Spätestens jedoch nach sodann erfolgter Aufforderung der Verfügungsbeklagten, sie vertragsgerecht zu beschäftigen – verbunden mit einer Fristsetzung – hätte die Verfügungsklägerin die Freistellung jedoch aufheben müssen. Dies erfolgte bis zuletzt nicht; weder bis zum Ablauf der Frist noch bis zum Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung vom 30.09.2022.
Irrelevant war auch, dass die Verfügungsbeklagte zum Zeitpunkt des Entzuges sämtlicher Aufgaben arbeitsunfähig erkrankt war. Denn zum einen wäre dieser Einwand nur zu berücksichtigen, wenn die Verfügungsklägerin unmittelbar nach Genesung sämtliche Aufgaben wieder übertragen hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil. Die Verfügungsbeklagte wurde unmittelbar der Räumlichkeiten verwiesen. Zum anderen übersah die Verfügungsklägerin hierbei, dass bereits durch die erfolgte Kommunikation der Freistellung und des Entzugs sämtlicher Aufgaben sowohl gegenüber der Belegschaft als auch gegenüber den Kunden die Gefahr des Reputationsschadens bereits entstanden war.
Das der Verfügungsklägerin vorgeworfene Verhalten war auch konkret geeignet, den Ausspruch der außerordentlichen Eigenkündigung zu rechtfertigen.
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in der Regel auch der Arbeitnehmer gehalten, vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung den pflichtwidrig handelnden Arbeitgeber abzumahnen (BAG vom 17. Januar 2002, 2 AZR 494/00; Staudinger/Temming (2022) BGB § 626, Rn. 245).
Die Verfügungsbeklagte erklärte durch ihren Prozessbevollmächtigten per Mail vom 13.09.2022 eine solche Abmahnung. Darin wurde ausdrücklich moniert, dass eine vertragsgerechte Beschäftigung derzeit nicht erfolgt. Es erfolgte eine Aufforderung, die Freistellung aufzuheben. Zudem wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um eine Abmahnung handelt.
Dabei übersah die Kammer nicht, dass die Verfügungsklägerin hierauf keineswegs untätig geblieben war. Im Gegenteil: Sie forderte die Verfügungsbeklagte auf, am 19.09.2022 um 9 Uhr in der Sch straße zu erscheinen, „um mit der Geschäftsführung der G T den zukünftigen Aufgabenbereich zu besprechen“.
Grundsätzlich besteht – selbstredend – die Verpflichtung eines nicht mehr erkrankten Arbeitnehmers, an einem angeordneten Personalgespräch teilzunehmen. Die Verfügungsbeklagte war nicht erkrankt. Allein ein „ärztlicher Rat“, dem Gespräch fern zu bleiben, kann hierbei nicht genügen, solange keine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird.
Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Das Weisungsrecht betrifft danach zum einen die Konkretisierung der Hauptleistungspflicht. Es ermöglicht dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer bestimmte Aufgaben zuzuweisen und den Ort und die Zeit ihrer Erledigung verbindlich festzulegen. Das beinhaltet die Berechtigung, den Arbeitnehmer zur Teilnahme an Gesprächen zu verpflichten, in denen der Arbeitgeber Weisungen in einem der oben genannten Bereiche vorbereiten, erteilen oder ihre Nichterfüllung beanstanden will (BAG vom 02.11.2016, 10 AZR 596/15; BAG vom 23.06.2009, 2 AZR 606/08).
Hierbei obliegt es grundsätzlich allein dem Arbeitgeber, welche Personen auf Arbeitgeberseite teilnehmen sollen.
Dennoch ging die Kammer von folgenden Besonderheiten des Falles aus:
Entsprechend der Ausführungen des Arbeitsgerichts war in der Tat festzustellen, dass die Verfügungsklägerin zu keinem Zeitpunkt konkret behauptete oder glaubhaft machte, welche Pläne zur vertragsgerechten Beschäftigung bestanden. Auch hier gilt zwar selbstverständlich der Grundsatz, dass ein Arbeitgeber vor einem solchen Termin auch nicht zwingend verpflichtet sein kann, dies – quasi vorab – zu offenbaren. Die vorliegende Konstellation wies jedoch folgende, näher zu beschreibende Besonderheiten auf:
Die Verfügungsbeklagte war seit fast 16 Jahren bei der Verfügungsklägerin beschäftigt. Sie befand sich bei ihr unstreitig in gehobener Position und erzielte hierbei zuletzt ein Bruttomonatseinkommen von 12.000 Euro. Sie hatte Handlungsvollmacht nach § 54 HGB, war unterschriftsberechtigt, stellvertretende Geschäftsführerin und fachlich sowie disziplinarisch für 20 bis 30 Mitarbeiter verantwortlich. Mit der damaligen Geschäftsführerin bestand offenbar eine gut funktionierende Vertrauensbasis. Die Verfügungsklägerin bezeichnet die Verfügungsbeklagte selber als „einen maßgeblichen Kopf“.
Per Mail vom 19.08.2022 – erst wenige Wochen nach dem Wechsel in der Geschäftsführung – wurden der Verfügungsbeklagten sodann unvermittelt und ausnahmslos sämtliche Zuständigkeiten für alle laufenden Projekte entzogen. Es wurde ausdrücklich erklärt, dass diese Maßnahme gegenüber allen betroffenen Kunden kommuniziert wird und, dass sie ab sofort nicht mehr berechtigt sei, mit Kunden, Dienstleistern sowie freien und festen Mitarbeitern der Verfügungsklägerin zu kommunizieren. Sie wurde komplett isoliert.
125Eine solche Maßnahme lässt sich auch nicht erklären mit einem Gespräch vom 11.08.2022 oder 12.08.2022, welches die Verfügungsbeklagte mit Herrn P , dem Leiter Digital Creative des Kunden R geführt hat. Es sind Inhalt und Zeitpunkt des Gespräches zwischen den Parteien im Streit. Es hätte nahegelegen, zunächst nachzufragen, ob die Verfügungsbeklagte eine Erkrankung tatsächlich angekündigt hatte. Das Telefongespräch wäre zum einen vollkommen unproblematisch gewesen, wenn die Verfügungsbeklagte allein über eine bestehende Erkrankung und über einen Wechsel der Zuständigkeiten berichtet hätte. Zum anderen wäre es ebenso denkbar, dass die Verfügungsbeklagte tatsächlich schon arbeitsunfähig erkrankt war, dies gegenüber ihrer Arbeitgeberin aber möglicherweise noch nicht kommuniziert hat. Sollte der Anruf also tatsächlich vor der offiziellen Krankmeldung gegenüber der Verfügungsklägerin erfolgt sein, läge darin nicht ohne Weiteres eine Pflichtverletzung. Den von der Verfügungsklägerin offenbar angedachten Fall der angekündigten Erkrankung würde eine solche Konstellation jedenfalls allein deswegen nicht darstellen, weil die Ankündigung weder gegenüber dem Arbeitgeber erfolgte noch mit einer Forderung verbunden war. Ohne nähere Aufklärung war die Verfügungsklägerin zu der oben beschriebenen Maßnahme nach alldem jedenfalls nicht berechtigt. Erst recht erschloss sich nicht, weshalb die Maßnahme gänzlich nach außen kommuniziert werden musste.
Diese Weisung hat bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung nachhaltige Wirkung entfaltet. Die gesamte Belegschaft wurde über die Degradierung informiert. Doch nicht nur das: Auch sämtliche Kunden erhielten hierüber eine Information. Die Maßnahme wird also nicht nur zu Irritationen und Rückfragen innerhalb der eigenen Belegschaft geführt haben, sondern hatte insbesondere auch eine nicht zu unterschätzende Außenwirkung. Zu Recht befürchtete die Verfügungsbeklagte einen nachhaltigen Schaden ihrer Reputation.
Die Verfügungsklägerin übersieht bei ihrer Argumentation, dass es sich hierbei vermeintlich nur um eine kurzfristige Maßnahme handelte, folgendes:
Zum einen dürfte das beschädigte Ansehen nachhaltig sein. Selbst für den Fall, dass die Verfügungsklägerin der Verfügungsbeklagten in absehbarer Zeit tatsächlich exakt die Aufgaben und die Position zurückgegeben hätte, die sie vorher innehatte, wären sicherlich Irritationen bei den Mitarbeitern und Kunden verblieben.
Die Verfügungsklägerin bot auch keineswegs an, alle Maßnahmen nach Genesung rückgängig machen zu wollen. Im Gegenteil: Im Rahmen der Mail vom 19.08.2022 wurde abschließend allein angeboten, die Rolle der Verfügungsbeklagten in der Zukunft zu besprechen. Diese Formulierung offenbart vielmehr, dass gerade nicht beabsichtigt war, der Verfügungsbeklagten exakt dieselben Aufgaben zurückzugeben. Denn in diesem Falle hätte nichts besprochen werden müssen.
Hätte die Verfügungsklägerin stattdessen tatsächlich bereits konkrete Ideen entwickelt, wie die Verfügungsbeklagte künftig vertragsgemäß in der Sch straße eingesetzt werden könnte, wäre es naheliegend, diese Ideen spätestens im Prozess zu offenbaren, um zu verdeutlichen, dass die Verfügungsklägerin tatsächlich beabsichtigte, den Beschäftigungsanspruch nachhaltig zu erfüllen. Dass ein derartiger Sachvortrag bis zuletzt unterblieb, verdeutlicht, dass diese Pläne wohl nicht besonders ausgereift waren.
Die weiteren Verhaltensweisen der Verfügungsklägerin, mit der unumstößliche Tatsachen geschaffen wurden, verstärken dieses Bild:
Die Verfügungsbeklagte wurde von der Homepage entfernt, ihre Signatur unter den Mails wurde nachteilig verändert und es gab unstreitig negative Äußerungen im Rahmen einer Betriebsversammlung am 01.09.2022. Ob diese nun durch die Geschäftsführerin erfolgten oder durch eine andere Person, ist hierbei nicht relevant. Auffällig ist jedenfalls, dass die Verfügungsklägerin erstmals im Rahmen der Berufungsinstanz behauptet hatte, dass es die Geschäftsführerin war, die sich angeblich schützend vor die Verfügungsbeklagte gestellt hatte. Erstinstanzlich wurde der Vortrag der Verfügungsbeklagten diesbezüglich nicht näher bestritten. Hierauf kam es jedoch streitentscheidend nicht an, weil die Verfügungsklägerin alles daransetzte, die Position der Verfügungsbeklagten sowohl gegenüber der eigenen Belegschaft als auch gegenüber den Kunden nachhaltig – wenn nicht gar unumstößlich – zu schwächen. Nicht umsonst erklärte der Justiziar der Verfügungsklägerin per Mail am 01.09.2022, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht denkbar sei. Mit weiterer Mail des Justiziars vom 19.09.2022 wurde der Arbeitsort „ab sofort und bis auf Weiteres“ in die
Sch straße verlegt, ohne auch nur ansatzweise darzulegen, welche Tätigkeiten dort – an einem Ort, an dem sich keine Niederlassung der Verfügungsklägerin befindet – auf eine Mitarbeiterin zukommen könnten, die in hoher Position bei der Verfügungsklägerin angestellt ist.
Das aus den Vertragsverletzungen der Verfügungsklägerin resultierende Interesse der Verfügungsbeklagten an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses überwog auch das Interesse der Verfügungsklägerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.
Bei dieser Prüfung sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung sowie der Grad des Verschuldens des Vertragspartners zu berücksichtigen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemesseneren Weg gibt, auf die Pflichtverletzung zu reagieren (vgl. BAG vom 20.11.2014, 2 AZR 651/13; BAG vom 23.10.2014, 2 AZR 865/13).
Die Kammer hält – wie dargelegt – die Pflichtverletzungen der Verfügungsklägerin in der Gesamtbetrachtung für erheblich. Sie könnten so erheblich sein, dass die Möglichkeit der Rückkehr auf die ursprüngliche Position und die Wiederherstellung des damit verbundenen Ansehens nahezu ausscheidet. Das Interesse der Verfügungsklägerin erschöpft sich zudem allein in der Verhinderung der frühzeitigen Abwanderung der Verfügungsbeklagten zur Konkurrenz. Damit ging es zum Zeitpunkt der Entscheidung nur noch um etwa 3 Monate, die die Verfügungsbeklagte zudem auch schon fast bei der Konkurrenz verbracht hatte. Die Verfügungsklägerin selber deklarierte in einer beeindruckenden Eindeutigkeit, dass sie kein Interesse an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hatte. Richtig ist zwar, dass sie formal zu einem Personalgespräch eingeladen und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hatte, dass sie gewillt sei, eine weitere Beschäftigung zu ermöglichen. Ihre oben näher beschriebenen Handlungen standen jedoch hierzu eindeutig im Widerspruch. Ein nachhaltiges Interesse an einer vertragsgerechten Beschäftigung der Verfügungsbeklagten bestand nicht, zumal ja offenbar zuvor Bereitschaft bestand, einen Aufhebungsvertrag mit Turboklausel abzuschließen. Insofern befürchtete die Verfügungsbeklagte nach Auffassung der Kammer durchaus zu Recht, dass ihr nach der Versetzung keine adäquate Tätigkeit zugewiesen werden wird.
Bei dieser Abwägung war es nach Auffassung der Kammer irrelevant, ob die Verfügungsbeklagte tatsächlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt beabsichtigte, den Arbeitgeber zu wechseln und ob sie – zusammen mit der früheren Geschäftsführerin – „Pläne“ gegen die Verfügungsklägerin entwickelte. Dies würde an den dargestellten Pflichtverletzungen nichts ändern.
Die Verfügungsbeklagte hat auch die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, denn die Verfügungsklägerin hat ihr bis zum Zugang der Kündigung keine vertragsgerechte Tätigkeit zugewiesen. Bei dieser Verletzung der Beschäftigungspflicht handelt es sich um einen Dauertatbestand, der bis zum Zugang der Kündigung anhielt.