Abbruch der Begutachtung durch den Sachverständigen

05. August 2021 -

Das Sozialgericht Stuttgart hat am 08.03.2021 zum Aktenzeichen S 20 SB 3294/18 entschieden, dass wenn das Verhalten des Klägers zum Abbruch einer angeordneten Begutachtung führt, dies unter Berücksichtigung der Grundsätze der objektiven Beweislast zu seinen Lasten geht, sofern der Abbruch der Begutachtung durch den Sachverständigen unter Berücksichtigung des Verhaltens des Klägers nachvollziehbar und angemessen erscheint.

Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 02.08.2021 ergibt sich:

Die Klägerin begehrte die Erhöhung ihres Grades der Behinderung von 60 auf 80 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ (erhebliche Gehbehinderung). Nach Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin ordnete das Gericht eine Begutachtung auf dem orthopädischen Fachgebiet an. Der beauftragte Gutachter teilte dem Gericht schließlich mit, dass er die Untersuchung der Klägerin habe abbrechen müssen und deshalb das Gutachten nicht erstatten könne. Die Klägerin habe das objektiv ermittelte Bewegungsmaß der rückwärts geführten Beweglichkeit des linken Armes im Schultergelenk als falsch bezeichnet und unterstellt, der Gutachter habe zu ihrem Nachteil größere als die von ihr gezeigten Bewegungsmaße protokolliert.

Die Kammer hat die Klage abgewiesen.

Anhand der dem Gericht vorliegenden Unterlagen sei nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, ob der GdB wegen der Leiden auf dem orthopädischen Fachgebiet zu erhöhen bzw. die Gehfähigkeit der Klägerin erheblich limitiert sei. Die Feststellung des Grades der Behinderung unterliege den Grundsätzen der objektiven Beweislast. Danach trage derjenige die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache, der daraus ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil herleiten wolle. Dies sei im vorliegenden Fall die Klägerin. Der Grundsatz der objektiven Beweislast greife dann ein, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht weiter aufklären könne (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage, § 118 Rdnr. 6). Das Gericht erforsche den Sachverhalt von Amts wegen (§ 103 S. 1 HS 1 Sozialgerichtsgesetz). Die Beteiligten seien hierzu mit heranzuziehen (§ 103 S. 1 HS 2 SGG). Eine Mitwirkungspflicht der Beteiligten – hier der Klägerin – bestehe immer dann, wenn das Gericht den Sachverhalt anderenfalls nicht oder nicht vollständig selbst erforschen könne (BSG, SozR 1500, § 103 Nr. 27). Die Grenzen der zumutbaren Mitwirkung ergäben sich aus dem den Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) konkretisierenden § 65 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I).

Solle Beweis – wie vorliegend – durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben werden, treffe die Klägerin die Obliegenheit, zum Zwecke der Begutachtung beim Sachverständigen zu erscheinen und an der Untersuchung aktiv mitzuwirken. Verweigere sie indessen die aktive Mitwirkung an der Begutachtung bzw. vereitele sie die mit der Begutachtung bezweckten Feststellungen durch ihr Verhalten, so habe sie die prozessrechtlichen Folgen ihres Verhaltens zu tragen. Dies sei vorliegend der Fall. Nachdem die Klägerin dem Gutachter nach dessen glaubhaften Angaben wiederholt eine manipulative Dokumentation der festgestellten Bewegungsmaße unterstellt habe, erweise sich der Abbruch der Begutachtung im Ergebnis als angemessen und nachvollziehbar.

Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig.