Das Arbeitsgericht Bonn hat mit Urteil vom 14.11.2024 zum Aktenzeichen 1 Ca 456/24 entschieden, dass ein 4,5 Jahre bestehendes Arbeitsverhältnis auf einen Auflösungsantrag gegen Zahlung von 70.000,00 € Abfindung beendet wird.
Die Klage war mit dem Auflösungsantrag begründet.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG hat das Gericht das durch eine sozialwidrige Kündigung nicht beendete Arbeitsverhältnis durch Urteil aufzulösen, wenn dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Dafür muss kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegen, der dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen würde. Es reicht aus, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Dauer unzumutbar ist. Dafür wiederum genügt nicht allein die Sozialwidrigkeit der Kündigung. Es bedarf vielmehr zusätzlicher, vom Arbeitnehmer darzulegender Umstände. Diese müssen im Zusammenhang mit der Kündigung oder doch dem Kündigungsschutzprozess stehen. Auflösungsgründe können sich demnach aus den Modalitäten der Kündigung als solcher und aus weiteren Handlungen des Arbeitgebers ergeben, die mit der Kündigung einhergehen. Ein solcher Umstand kann zB. darin bestehen, dass ein Kündigungsschutzverfahren über eine offensichtlich sozialwidrige Kündigung seitens des Arbeitgebers mit einer solchen Schärfe geführt worden ist, dass der Arbeitnehmer mit einem schikanösen Verhalten des Arbeitgebers und anderer Mitarbeiter rechnen muss, wenn er in den Betrieb zurückkehrt oder in mit der Kündigung verbundenen unzulässigen Maßregelungen.
Die Voraussetzungen einer gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien liegen vor.
Die Kündigung der Beklagten war nicht sozial gerechtfertigt iSd. § 1 KSchG.
Der Klägerin ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten auf Dauer unzumutbar.
Die Kammer teilt die Auffassung der Klägerin, dass eine Abfindung in Höhe von 70.000 Euro angemessen iSv. § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist. Die Grenzen des § 10 Abs. 1 KSchG werden nicht überschritten. Übliche sog. Regelsätze würden den Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerecht werden.
Zum einen war bei der Bemessung das Maß der Sozialwidrigkeit zu berücksichtigen. Die Kammer muss insoweit davon ausgehen, dass die Kündigung ganz offensichtlich sozialwidrig war. Da die Abfindung insbesondere auch sanktionierend in dem Sinne wirken soll, dass sie dem zukünftigen Ausspruch sozial ungerechtfertigter Kündigungen durch den Arbeitgeber entgegenwirken soll, muss der Umstand, dass die Kündigung maßregelnden Charakter hatte, zu einer merkbaren Erhöhung der sonst üblichen Bemessungssätze führen.
Zum anderen kommt der Abfindung auch Genugtuungsfunktion ähnlich dem Schmerzensgeld bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu.
Die Abfindungssumme muss nach Auffassung der Kammer in besonderem Maße spürbar sein. Aus Sicht der Kammer sind gut neun Monatsgehälter ein Wert, der geeignet scheint, der Klägerin Genugtuung zu verschaffen. Sog. marktübliche Sätze vermögen dies nicht. Sie berücksichtigen die Dauer des Arbeitsverhältnisses und ggf. weitere Sozialdaten des Arbeitnehmers. Diese Daten sind für die Bemessung der Abfindung im Streitfall völlig ohne Belang.